Lira kniete auf dem kalten, harten Boden der Arena, ihr Schwert lag nutzlos neben ihr. Ihr Körper zitterte vor Erschöpfung, die verbotene Pille zehrte an ihren Kräften. Die Spottrufe der Menge und das Gewicht ihrer Ungläubigkeit lasteten auf ihr wie eine erstickende Welle.
„Wo ist alles schiefgelaufen?“, dachte sie, während ihr Blick zwischen dem Dreck unter ihren Knien und Lucavion hin und her huschte, der mit diesem nervigen Grinsen über ihr stand. „Warum passiert das? Wie kann er es wagen …?“
Ihre Gedanken drehten sich im Kreis und klammerten sich an die eine unerschütterliche Wahrheit, an die sie ihr ganzes Leben lang geglaubt hatte: Sie war überlegen. Sie war auserwählt. Die Welt hatte sich immer ihrem Willen gebeugt. Die Wolkenhimmel-Sekte hatte immer über allen anderen gestanden. Ihr Talent, ihr Rang, ihre Stärke – nichts davon war jemals in Frage gestellt worden. Bis jetzt.
„Wie kann ein Bastard wie er, ein dreckiger Bürgerlicher, der es nur verdient hat, meine Stiefel zu lecken, es wagen, mich so anzusehen? Wie kann er es wagen, so mit mir zu reden?“ Ihre Fingernägel gruben sich in ihre Handflächen, Blut quoll aus den Druckstellen. Ihre Brust brannte, ihr Herz pochte wild gegen ihre Rippen.
Der Aufschrei der Menge wurde lauter, eine Kakophonie aus Wut und Unglauben, die sich gegen sie richtete. Die Welt schien sich gegen sie gewandt zu haben, als würde das Fundament ihrer Realität unter ihren Füßen zerbröckeln.
„Warum? Warum fühlt es sich an, als wäre die ganze Welt gegen mich? Warum funktioniert nichts, was ich tue? Egal, wie sehr ich mich auch bemühe, egal, wie viel Kraft ich aufbringe, es ist nie genug. Was … was ist das?“
Ihr Atem ging schnell und flach, während ein neues, unbekanntes Gefühl in ihrer Brust aufstieg. Ein Gefühl, das sie noch nie erlebt hatte, nicht ein einziges Mal in ihrem sorgfältig gepflegten Leben.
Hilflosigkeit.
Und etwas noch Schlimmeres.
Verzweiflung.
Es umschlang sie wie eine Schraubzwinge und würgte ihren Stolz, ihr Selbstvertrauen und alles, was sie jemals über sich selbst gewusst hatte.
Sie hatte immer über anderen gestanden, immer unantastbar gewesen. Doch jetzt lag sie auf dem Boden und starrte zu jemandem hinauf, der unbedeutend sein sollte. Zu jemandem, der eigentlich gar nicht hier sein dürfte.
Sie biss die Zähne zusammen und ihr Blick brannte, als er sich auf Lucavion heftete. „Womit habe ich das verdient? Was ist los? Was ist das für ein Gefühl, als würde mir die ganze Welt entgleiten?“
Ihre Wut flammte auf und brannte wie ein Lauffeuer durch ihre Hilflosigkeit. Sie wollte schreien, um sich schlagen, verlangen, dass die Welt wieder so wurde, wie sie gewesen war. Ihre Fingernägel gruben sich tiefer in ihre Handflächen, ihre Knöchel wurden weiß, als ihre Wut anschwoll.
„Ich bin Lira Vaelan von der Cloud Heavens Sect!“, schrie sie innerlich. „Ich bin der Stille Donner! Ich bin die Stärkste unter meinen Gleichen, diejenige, die dazu bestimmt ist, sich über alle anderen zu erheben! Wie kann dieser … dieser Wurm, dieses Nichts es wagen, mich zu demütigen? Wie kann er es wagen, mir dieses Gefühl zu geben?“
Tränen der Frustration verschleierten ihr die Sicht, als ihre zitternden Hände nach ihrer Klinge griffen. Sie würde es nicht so enden lassen. Das konnte sie nicht. Nicht hier. Nicht jetzt.
Lucavions Stimme durchbrach ihre wirbelnden Gedanken, ruhig und schneidend wie immer. „Was ist los, Lira? Fühlst du etwas Unbekanntes? Vielleicht ein wenig hilflos? Ein wenig verzweifelt?“
Sie hob ruckartig den Kopf, ihre Augen weit aufgerissen und wild. Die grauen Flammen in seinen pechschwarzen Pupillen flackerten kalt, sein Grinsen vertiefte sich, als er sie anstarrte.
„Du bist das nicht gewohnt, oder?“, fuhr er fort, seine Stimme voller Spott. „Das Gefühl, dass alles, was du tust, nie genug ist. Dass, egal wie sehr du dich auch anstrengst, immer jemand Stärkeres, jemand Besseres dir im Weg stehen wird.“
„Halt die Klappe!“, fauchte sie, ihre Stimme brach, als sie mit zitternden Händen ihr Schwert umklammerte. „Du weißt nichts über mich! Über das, was ich getan habe, was ich geopfert habe!“
Lucavion neigte den Kopf, sein Blick wurde kälter. „Opfer? Du weißt nicht mal, was das Wort bedeutet. Du hast dein Leben damit verbracht, dir zu nehmen, was dir nicht gehört, und dich auf Kosten derer zu bereichern, die sich nicht wehren konnten. Und jetzt bist du zum ersten Mal machtlos. Wie fühlt sich das an, Lira? Wie fühlt es sich an, auf den Knien zu liegen?“
Ihr Körper zitterte, als seine Worte tiefer einschlugen als jede Klinge. Ihre Wut kochte hoch, heiß und blendend, aber sie war vermischt mit etwas, das sie nicht leugnen konnte. Einem Keim des Zweifels. Einem Riss in der Fassade, die sie um sich herum aufgebaut hatte.
Ihre Stimme zitterte, als sie schrie, ihre Verzweiflung brach wie eine Flut aus ihr heraus. „Halt die Klappe! Halt die Klappe, halt die Klappe, halt die Klappe!“
Liras Atem ging stoßweise, ihre Brust hob und senkte sich, während ihre Finger sich um den Griff ihrer Klinge krallten. Das war es. Sie hatte keine andere Wahl, als alles in ihren letzten Angriff zu stecken – die einzige Technik, die ihr verboten worden war, weil ihr Körper nicht stark genug war, um sie zu überstehen. Aber mit der verbotenen Pille, die durch ihre Adern floss und sie weit über ihre natürlichen Grenzen hinaus trieb, konnte sie endlich die nötige Kraft aufbringen.
Ihre Stimme erklang fest, aber voller Wut, als sie den Namen ihrer ultimativen Technik rief.
„Himmlischer Zorn: Zyklonausbreitung!“
In dem Moment, als sie den Namen aussprach, veränderte sich die Luft um sie herum. Die Atmosphäre wurde schwer, der Wind heulte so heftig, dass er das Murmeln der Menge übertönte. Über ihnen verdunkelte sich der Himmel, Wolken wirbelten herum, als wären sie von ihrer Mana herbeigerufen worden. Die Arena bebte unter ihren Füßen, Staub stieg auf, als sich die schiere Kraft der Technik zu manifestieren begann.
Lucavion stand regungslos da, sein Grinsen verschwand, als er den Blick zum stürmischen Himmel hob. Zum ersten Mal zeigte sich ein Anflug von Anerkennung in seinen Augen.
„Endlich“, murmelte er und leckte sich die Lippen, während ein schwaches, kaltes Lächeln auf sein Gesicht zurückkehrte. „Eine Darbietung, die zumindest eines Halbfinales würdig ist. Schade, dass sie so spät kommt.“
Liras Klinge leuchtete mit einem intensiven, strahlenden Licht, während sich um sie herum ein Wirbelwind bildete, der mit jeder Sekunde größer und größer wurde. Die Wolken wölbten sich und knisterten vor Energie, als hätte die Natur selbst ihr zu Hilfe gerufen. Sie steckte ihre ganze Mana in die Technik und kanalisierte jede noch verbleibende Kraft in den tödlichen Sturm.
Mit einem Schrei purer Entschlossenheit entfesselte sie ihn.
Ein gewaltiger Wirbelsturm aus messerscharfem Wind schoss vorwärts und riss die Luft auseinander wie eine entfesselte Naturgewalt. Der Wirbel brüllte, seine zerstörerische Energie steuerte direkt auf Lucavion zu und versprach, alles in seinem Weg zu vernichten.
Lucavions Gesichtsausdruck verhärtete sich. Er trat vor, den Estoc fest in einer Hand. Die Aura um ihn herum veränderte sich, wurde dunkel und bedrohlich, als würde sich die Luft selbst vor seiner Präsenz zurückziehen.
„Schau“, sagte er mit ruhiger, aber bestimmter Stimme, die das Tosen des Sturms übertönte.
Als der Wirbelsturm auf ihn zukam, leuchtete Lucavions Estoc schwach in einem schattenhaften, schwarzgrauen Farbton. Mit einer schnellen Bewegung seines Handgelenks wellte sich die Luft um ihn herum und bildete einen perfekten Ring aus schattenhafter Energie.
Die Menge schnappte nach Luft, als sich der Ring ausdehnte und ihn in eine unheimliche, pulsierende Aura hüllte.
„Vernichtungsschwert: Nullraum“, verkündete er, und seine Stimme hallte durch die Arena.
Der Wirbelsturm prallte auf den Energiering – und blieb stehen.
Für einen Moment schien der Wirbel zu zögern, als seine immense Kraft auf eine unbewegliche Kraft traf. Dann ertönte ein Geräusch:
KLIRR! KLIRR! KLIRR!
Die Winde, die zuvor so heftig und unaufhaltsam gewesen waren, wurden zerschnitten und lösten sich in dem Moment auf, in dem sie den Rand des Nullraums berührten. Das Publikum sah fassungslos zu, wie der gewaltige Sturm zu Nichts zerfiel und seine Energie Stück für Stück ausgelöscht wurde.
Lucavion bewegte sich mit atemberaubender Präzision im Nullraum. Sein Degen verschwamm und zerschnitt die Überreste des Wirbelsturms mit chirurgischer Genauigkeit. Jeder Schlag löste ein weiteres Stück des Angriffs auf, wobei die schattenhafte Energie, die seine Klinge umgab, die Zerstörung leitete.
Liras Augen weiteten sich ungläubig, als sie sah, wie ihr stärkster Angriff vor ihren Augen verschwand. Die Arena verstummte, die schiere Unmöglichkeit dessen, was gerade geschehen war, ließ die Menge atemlos zurück.
Lucavion trat vor, die schattenhafte Aura um ihn herum verschwand und wurde still. Seine Klinge hing locker an seiner Seite, sein ruhiger, unnachgiebiger Blick war auf Lira gerichtet.
„Es ist vorbei“, sagte er, seine Stimme so kalt wie die Leere, die er heraufbeschworen hatte. „Deine Stärke, deine Techniken, deine Ambitionen – alles ist nichts.“
Lira taumelte zurück, ihr Körper zitterte, als die Wirkung der verbotenen Pille nachließ. Ihre Klinge glitt ihr aus den Händen und fiel klirrend zu Boden, während sie auf die Knie sank. Das Gewicht ihrer Niederlage lastete auf ihr wie eine erdrückende Flut, und ihr Kopf schwirrte von Fragen, auf die sie keine Antwort wusste.
Lucavion wandte seinen Blick der Menge zu und erhob seine Stimme, um sich erneut an sie zu wenden. „Das ist die Wahrheit über die Wolkenhimmel-Sekte“, erklärte er mit scharfen, schneidenden Worten. „Macht, die auf Lügen aufgebaut ist. Techniken ohne Substanz. Und Stärke, die unter dem Gewicht ihrer eigenen Korruption zusammenbricht.“
Die Zuschauer brachen in Jubel aus, und ihre Rufe vermischten sich zu einem ohrenbetäubenden Lärm.
Aber Lucavion ignorierte sie und starrte auf Lira, die im Dreck kniete, ihre einst unerschütterliche Zuversicht völlig erschüttert.
Er ging mit festen Schritten auf sie zu.
„Hier“, sagte er mit leiser, entschlossener Stimme, „endet deine Arroganz.“
PITU!
Und beendete seine Worte mit einem Spucke auf ihr Gesicht.
„Erbärmlich.“
Dann verließ er die Arena.