Lin Mu hätte nicht gedacht, dass er heute so einen tollen Tee probieren würde. Und dann war es auch noch ein Tee mit spiritueller Energie. Früher hätte er sich so was nur erträumen können, aber jetzt konnte er es selbst erleben.
~Haa~
Lin Mu atmete zufrieden aus, als er die Augen öffnete. Er schaute auf den leicht grünen Tee in seiner Tasse und nahm noch einen Schluck, diesmal trank er die Tasse in einem Zug leer.
Eine weitere sanfte Spirituelle Qi-Wolke wurde von seinem Körper aufgenommen und gelangte in sein Dantian.
Das war seltsam für ihn, denn immer wenn er Speisen gegessen hatte, die reich an Spiritueller Qi waren, musste er sie bewusst aufnehmen. Wenn er das nicht tat, wurden sie nicht richtig absorbiert oder verflüchtigten sich einfach. Er war überrascht von dieser Wirkung des Tees.
Hei Yingjie beobachtete jede Veränderung in Lin Mus Gesichtsausdruck und konnte seine Gedanken erahnen.
„Ah, Bruder Lin Mu scheint meinen Tee zu mögen“, sagte Hei Yingjie.
Lin Mu sah ihn an und nickte.
„Ja, das tue ich. Er ist wirklich sehr exquisit“, antwortete Lin Mu.
„Das sollte er auch. Das ist Frostblatt-Jasmintee, eine Spezialität aus den schneebedeckten Bergen des Königreichs Black Dawn. Selbst die Kultivierungssekten haben Schwierigkeiten, ihn zu beschaffen. Ich hatte das Glück, auf meinen Reisen einen Baum zu finden und konnte ihn erwerben“, erklärte Hei Yingjie.
Lin Mu war ziemlich überrascht von dieser Enthüllung und fragte sich nun, über welche Fähigkeiten der Mann vor ihm verfügte.
„Dann danke ich dir für deine Gastfreundschaft und dafür, dass du mir diese Gelegenheit gibst“, sagte Lin Mu respektvoll.
„Hahaha, Bruder Lin Mu, du musst dich nicht so förmlich verhalten. Das ist nichts im Vergleich zu deiner Freundschaft“, sagte Hei Yingjie in schmeichelndem Ton.
Lin Mu kam das Ganze langsam komisch vor. Die Worte und die Art des Mannes schienen ihm ein bisschen zu schmeichelhaft. Es sah so aus, als wolle er um jeden Preis mit ihm befreundet sein.
„Es ist nicht so, dass er eine freundschaftliche Beziehung zu dir aufbauen will, sondern dass er es muss. Dein bisheriges Verhalten und deine Handlungen haben dir geholfen, eine dominante Präsenz aufzubauen“, sagte Xukong plötzlich.
Lin Mu antwortete nicht auf die Aussage des älteren Xukong, sondern nickte nur. Hei Yingjie dachte, Lin Mu würde ihm zunicken, also lachte er erneut, während Lin Mu in Wirklichkeit dem älteren Xukong zugestimmt hatte.
„Nun, ich hoffe, du hattest in den letzten Tagen keine Schwierigkeiten“, sagte Hei Yingjie, um das Gespräch fortzusetzen.
„Ah, nein. Nicht besonders“, antwortete Lin Mu.
„Ach so, wirklich? Ich dachte, ich hätte vorhin draußen etwas Lärm gehört. Was war denn los, Hei Bao?“ Hei Yingjie sprach und wandte sich dann an Hei Bao.
Hei Bao spürte, wie ihm kalter Schweiß den Rücken hinunterlief, sobald er Hei Yingjies Frage hörte.
„Unsere Leute haben einen Fehler gemacht und ihre Waffen gezogen, als Bruder Lin Mu kam“, antwortete Hei Bao ehrlich.
„Wirklich? Hmm, was sollen wir jetzt machen? Was schlägst du vor, Bruder Lin Mu?“, fragte Hei Yingjie mit dem gleichen sanften Lächeln im Gesicht.
„Das macht mir nichts aus. Ich hab ihnen schon vergeben“, antwortete Lin Mu, der die Sache nicht weiter aufbauschen wollte.
Hei Yingjie rührte ein paar Mal in seiner Teetasse, bevor er sprach.
„Wenn Bruder Lin Mu es so sieht, dann soll es so sein. Aber stell trotzdem sicher, dass sie von der Großzügigkeit von Bruder Lin Mu erfahren“, sagte Hei Yingjie.
Hei Bao nickte eilig als Antwort auf Hei Yingjies Worte.
„Wie du befiehlst, Leutnant“, antwortete Hei Bao, bevor er den Raum verließ.
Nachdem er den Raum verlassen hatte, wischte sich Hei Bao den Schweiß von der Stirn. Er wusste, dass seine Untergebenen gerade einer gefährlichen Situation entkommen waren.
„Ohne Bruder Lin Mu wären heute Köpfe gerollt. Wer hat ihnen überhaupt Informationen über ihn gegeben? Haben sie sein Aussehen nicht beschrieben?“, dachte Hei Bao.
Zurück im Besprechungsraum hatte Hei Yingjie gerade Lin Mu eine weitere Tasse Tee eingeschenkt, die dieser dankbar annahm, ohne zu ahnen, was Hei Bao dachte und dass er gerade mehreren Menschen das Leben gerettet hatte.
„Bruder Lin Mu, du hast um bestimmte Waffen gebeten, richtig?“ fragte Hei Yingjie.
„Ja, das habe ich. Hei Wan wollte mich belohnen“, antwortete Lin Mu.
„Klar, Bruder Lin Mu hat sich für all die Arbeit echt eine Belohnung verdient. Du hast eine Verschwörung aufgedeckt, die wer weiß wie lange im Verborgenen geschlummert hat“, antwortete Hei Yingjie.
„Und jetzt?“, fragte Lin Mu weiter.
„Also, die Lieferung ist heute angekommen und wartet auf dich. Hei Wan sollte bald hier sein, sie wird uns dorthin bringen“, sagte Hei Yingjie mit einem leichten Lachen.
„Wo ist sie gerade? Ist sie in der Stadt?“, fragte Lin Mu.
„Ja, sie ist dort, sie muss nur noch ein paar letzte Vorbereitungen treffen, bevor wir unseren Plan in die Tat umsetzen können“, antwortete Hei Yingjie.
Lin Mu nickte und trank weiter seinen Tee. Er hatte gerade eine weitere Tasse ausgetrunken, als sich die Tür des Besprechungsraums öffnete.
„Entschuldigt bitte, ich bin etwas spät dran“, sagte Hei Wan, als sie hereinkam.
Lin Mu und Hei Yingjie drehten sich zu ihr um und sagten gleichzeitig: „Das ist schon in Ordnung.“
Hei Wan ging zum Tisch und stellte sich vor sie.
„Ich glaube, wir können jetzt los. Alles ist vorbereitet und erledigt“, sagte Hei Wan.
„Gut. Wir bringen Bruder Lin Mu zuerst zu seiner Belohnung und dann geht es weiter zur Besprechung“, antwortete Hei Yingjie nickend.
„Ah, wir müssen für die Belohnung nicht rausgehen. Ich habe sie schon in den Lagerraum bringen lassen“, sagte Hei Wan.
„Das ist besser, dann können wir gleich loslegen“, sagte Hei Yingjie und stand auf.
Lin Mu stand ebenfalls auf und Hei Wan führte sie zum Lagerraum. Dieser war anders als der, in dem Lin Mu zuvor gewesen war, und viel kleiner. Er lag direkt hinter dem Raum, in dem er sich ausgeruht hatte.
Hei Wan öffnete die verschlossene Tür und ließ sie eintreten. Hei Yingjie und Lin Mu traten ein und sahen große Kisten mit Waffen, die dort aufbewahrt wurden. Lin Mu war ein wenig verblüfft, obwohl er wusste, wie viele Waffen er bestellt hatte.
„Endlich kann ich weiter üben, die Schrift der tausend Klingen zu beherrschen“, dachte Lin Mu.
„Los, schau sie dir an“, sagte Hei Yingjie mit einem Lächeln.
Lin Mu nickte und ging voran. In dem Raum standen etwa zehn große Kisten, in denen einzeln verpackte Waffen aufbewahrt wurden. Lin Mu öffnete die erste Kiste, und das erste, was ihm ins Auge fiel, war ein Paar schlanke Schwerter.
Sie waren in Scheiden steckend, aber man konnte trotzdem sehen, dass sie dünn waren. Lin Mu nahm sie heraus und zog sie aus den Scheiden. Eine blasse, glänzende Klinge erschien vor seinen Augen, als er ihre Verarbeitung betrachtete.
Er sah sich im Raum um und vergewisserte sich, dass genug Platz vorhanden war.
Hei Yingjie und Hei Wan verstanden sofort und traten ein paar Schritte zurück, um ihm mehr Platz zu machen. Als er sah, dass sie damit einverstanden waren, hielt Lin Mu die Schwerter fest, holte tief Luft und schloss die Augen. Dann schlug er vor sich hin, und ein leises Summen war zu hören.
Obwohl es nichts zu schneiden gab, schien es, als würde etwas durch die Luft schneiden. Lin Mu hatte gerade sein Verständnis der Schrift über die tausend Waffen eingesetzt, um das schmale Schwert zu benutzen. Er hatte es zwar noch nie benutzt, aber im letzten Monat hatte er sein Verständnis verbessert, sodass er nur noch das neue schmale Schwert brauchte, um weiterzukommen.
Seine Vorführung bewies ihm nur, dass der Grund für seinen Trainingsstillstand in dem Mangel an Waffen lag und nicht in seinen eigenen Anstrengungen. Aufgeregt über diese Erkenntnis, schaute er sich die anderen Waffen in der Kiste an und probierte die aus, die ihm interessant erschienen.
Die meisten Waffen auf seiner Liste waren zwar gewöhnliche Waffen, aber es gab auch einige mit abstrakten Designs, die als unorthodox galten.
Eine dieser Waffen war ein langer Speer, an dessen Spitze eine sichelförmige Klinge befestigt war.
Solche Waffen waren Lin Mu eher unbekannt, daher probierte er sie hier nicht aus. Er beschloss, sie alle später auszuprobieren. Tatsächlich konnte er es kaum erwarten, dass es Nacht wurde, damit er mit ihnen üben konnte.
Nachdem er sich dazu entschlossen hatte, begann Lin Mu schnell, alle Waffen nacheinander in seinem Ring zu verstauen. Obwohl er sie schnell in den Ring steckte, brauchte Lin Mu dennoch über fünfzehn Minuten, um sie alle zu verstauen.
Insgesamt gab es dreihundertsiebzehn Waffen.
Während er die Waffen verstaute, wurden die Gesichter von Hei Wan und Hei Yingjie immer ernster. Hei Yingjie schluckte und wandte sich dann an Hei Wan.
„Das … das ist viel mehr, als wir gedacht haben“, flüsterte er.
Hei Wan wurde jetzt etwas nervös, als sie den Tonfall ihres Leutnants hörte. Er war zwar stärker als sie, aber wegen ihrer Fähigkeiten war sie immer noch ihre Anführerin. Sie vertraute ihren Untergebenen und wusste, dass sie sich nicht so verhalten würden, wenn es nicht ernst wäre, vor allem ihre Leutnants nicht.
„Was meinst du damit?“, fragte sie leise und warf einen Blick zu Lin Mu, um sicherzugehen, dass er nicht hinhörte.
