Jing Weis Worte hallten durch den ganzen Saal und sogar darüber hinaus. Tatsächlich hallten sie so lange nach, dass sie über die Grenzen der Kriegsburg Jing hinaus bis ins gesamte Stammesgebiet zu hören waren.
Es schien ein seltsames Phänomen ausgelöst zu haben, das den Himmel über dem Land der Vorfahren zum Beben brachte.
Der leuchtende Blutstropfen an der Spitze der nadelartigen Dolchspitze flog hoch und schoss Lin Mu in die Stirn, bevor er reagieren konnte. In diesem Moment spürte Lin Mu, wie sich eine unerklärliche Verbindung zwischen Jing Wei, Jing Luo, Duan Ke und ihm bildete.
Es war nicht wie die Verbindung, die er zu Little Shrubby hatte, und auch nicht wie die Bestimmung durch den Willen der Welt. Es war etwas ganz anderes. Es war, als könnten die drei ihm niemals etwas antun, und wenn er es sagte, würden sie sterben.
„Was ist das überhaupt?“, fragte Lin Mu, der es etwas beängstigend fand.
„Das habe ich nun wirklich nicht erwartet … Ein Treueeid, der auf die gesamte Blutlinie eines Clans geschworen wird“, sagte Xukong plötzlich, und auch in seiner Stimme schwang Überraschung mit.
„Was ist das, Senior?“, fragte Lin Mu verwirrt.
„Du kannst es im Grunde genommen als einen Eid betrachten. Ähnlich wie den, den du mit den anderen für das Bündnis geschworen hast.
Nur dass dieser viel stärker ist … Damit wird der Jing-Clan im Grunde zu deinen Dienern … wenn du das willst, natürlich.“ Xukong antwortete.
„WAS!? Warum sollte er so etwas tun?“ Lin Mu war völlig schockiert.
„Nun, ich weiß es auch nicht. Aber anscheinend hält Jing Wei deine Hilfe für wichtig genug, um diesen Schritt zu gehen. Ich bin eher überrascht, dass er überhaupt weiß, wie man so etwas macht.“ Xukong antwortete.
Und gerade als er das sagte, sah Lin Mu, dass etwas mit dem nadelartigen Dolch passierte.
~KACHA~
Der Dolch zerbrach in drei Teile, bevor er auf Jing Wei, Jing Luo und Duan Ke schoss. Aber genau wie zuvor wurde er ätherisch, bevor er eines der Herzen durchdringen konnte.
„Der Schwur ist geleistet…“, sagte Jing Wei und öffnete die Augen.
Jing Luo und Duan Ke waren total baff und hatten keine Ahnung, was da gerade passiert war.
„Was … was war das, Großvater?“, fragte Duan Ke.
„Es war eine Rückzahlung … oder zumindest ein Versuch“, antwortete Jing Wei.
„Musstest du wirklich so weit gehen?“, fragte Lin Mu, der von Xukong alles erfahren hatte.
„Ich fürchte, selbst das reicht nicht aus. Du weißt vielleicht nicht, wie wichtig das ist, was du für uns getan hast. Was ich getan habe, ist vielleicht nur der Anfang der Rückzahlung unserer Schuld. Ich hoffe nur, dass unsere Nachkommen sie vollenden können“, erklärte Jing Wei.
„Hör auf damit!“, protestierte Lin Mu. „Du bist mir nichts schuldig. Ich habe nur getan, was ich für richtig hielt“, antwortete er.
Als er das hörte, zeigte sich ein Lächeln auf Jing Weis Gesicht.
„Genau deshalb habe ich diese Entscheidung getroffen. Du bist unserer Verpflichtung würdig. Der Jing-Clan wird dir von diesem Moment an zu Diensten sein“, antwortete Jing Wei.
„Aber …“, wollte Lin Mu noch etwas sagen, wurde jedoch unterbrochen.
„Versuch’s nicht weiter. Das ist eigentlich gut so“, sagte Xukong. „Außerdem, solange du sie nicht unfair ausnutzt, wird es doch eigentlich keinen Unterschied zu vorher geben, oder?“, fragte er.
„Das …“, Lin Mu fand die Worte seines Seniors Xukong ziemlich einleuchtend.
„Nur weil er seinem Clan einen Dienst geschworen hat, musst du ihn nicht wirklich wie einen Diener behandeln. Es ist sogar besser, wenn du ihn so behandelst wie bisher“, fuhr Xukong fort.
Als Lin Mu die Worte seines Seniors hörte, verstand er, dass dies vielleicht der beste Weg war, mit der Situation umzugehen. Er konnte es nur akzeptieren und Jing Weis Dankbarkeit annehmen.
~Seufz~
„Na gut … aber bitte mach so etwas nicht noch einmal. Ich glaube nicht, dass ich das noch einmal verkraften würde“, sagte Lin Mu.
„In Ordnung“, lachte Jing Wei.
„Nun denn … wir sollten uns wohl um die wichtigeren Dinge kümmern …“, sagte Lin Mu.
„Natürlich …“, sagte Jing Wei, während sich sein Gesichtsausdruck verdüsterte.
„Ich hätte nie gedacht, dass die Sekten nach all den Jahren immer noch nichts gelernt haben“, sagte Jing Wei. „Zumindest einige von ihnen sind weise … Die Long Cloud Alliance war eine gute Entscheidung“, fügte er hinzu.
Lin Mu nickte und erklärte Jing Wei weitere Details. Er erzählte ihnen alles, was passiert war: von den Eindringlingen, Gu Yao, den nördlichen Stämmen, den Kultivierenden aus dem Reich der Unsterblichen, den mutierten Bestien und den Wiedergeborenen.
Je mehr sie hörten, desto ernster wurden die Gesichter von Duan Ke und Jing Wei.
„Ich kann nicht glauben, dass sich die Welt in nur einem Jahrzehnt so sehr verändern konnte …“, murmelte Duan Ke und fand das alles absurd.
~Seufz~
„Ich wünschte, alles, was ich gesagt habe, wäre eine Lüge. Dann wäre alles so viel besser“, antwortete Lin Mu.
„Stimmt. Ich hab mir den Kopf zerbrochen, wie es nach so langer Zeit des Friedens so schnell so schlimm werden konnte“, fügte Jing Luo hinzu.
„Das Schicksal ist dafür bekannt, dass es uns immer dann einen Strich durch die Rechnung macht, wenn wir uns gerade am wohlsten fühlen. Scheint, als würde sich das wiederholen“, sagte Jing Wei melancholisch.
„Kannst du uns dann helfen, alter Jing?“, fragte Lin Mu.
„Natürlich! Das ist unsere Pflicht! Nicht nur wegen des Schwurs, sondern auch wegen der alten Verpflichtung, die der Jing-Clan vor mehreren tausend Jahren eingegangen ist!“, erklärte Jing Wei.
Als Lin Mu das hörte, leuchteten seine Augen auf und er nickte ausgiebig mit dem Kopf. Auch Duan Ke lächelte, während Little Shrubby sich einfach noch enger an sie kuschelte. Das Tier hatte unbeschwert ein Nickerchen gemacht.
„Wann können wir loslegen?“, fragte Lin Mu.
„Sofort. Bei der Suche nach den Spuren des Eindringlings kann Duan Ke euch helfen. Ich glaube, ihr Durchbruch hat ihr einige neue Fähigkeiten verliehen. Was die gestörten Kommunikations-Jade-Zettel angeht, kann ich etwas basteln, das das Problem behebt“, antwortete Jing Wei.
