Mikhailis stockte der Atem, sein Herz schlug so laut, dass er schwören konnte, das Echo hallte leise von den Laborwänden wider. Er trat zurück und machte Platz für die hoch aufragende Gestalt, die sich langsam in Bewegung setzte, jede Bewegung vorsichtig, probierend, fast neugierig. Die leisen, mechanischen Klickgeräusche klangen in der Stille unnatürlich laut, unterbrochen vom leisen Flüstern der Servomotoren, die sich präzise in Position brachten.
Das blaue Leuchten, das aus dem Kern des Roboters strahlte, flackerte einmal kurz auf, bevor es wieder heller wurde und sich zu einem gleichmäßigen Puls stabilisierte, der dem Rhythmus von Rodions vertrauten Mustern entsprach. Doch irgendwie fühlte sich das anders an. Das waren nicht nur Daten, die durch Kanäle flossen, Pixel, die auf Bildschirmen erschienen, oder sogar das leise Summen eines KI-Kerns. Es fühlte sich lebendig an. Es fühlte sich bewusst an.
Mikhailis schluckte und kniff die Augen leicht zusammen, während er den Roboter aufmerksam beobachtete. Jede kleine Bewegung der Metallglieder fühlte sich bedeutsam an, selbst die einfache Veränderung der Körperhaltung wirkte jetzt irgendwie monumental. Er kam sich fast albern vor, weil er so nervös war, und doch konnte er die irrationale Angst, die an seinem Bewusstsein nagte, nicht ganz abschütteln.
Schließlich war es Rodion – sein engster Partner, Begleiter und Freund. Es war nicht so, als hätte er ihn noch nie umgebaut oder aufgerüstet. Aber diesmal war es anders, tiefgreifender, intimer. Rodion betrat nun ein bisher unbekanntes Terrain: die direkte, physische Interaktion mit der Welt, ohne Bildschirm oder Lautsprecher als Vermittler.
Er machte noch einen vorsichtigen Schritt zurück, zurückhaltend, aber zutiefst fasziniert. Das Labor fühlte sich jetzt kälter an, die Atmosphäre war dichter, geprägt von Vorfreude und Unsicherheit. Zum ersten Mal machte er sich echte Sorgen um Rodion – nicht um seine Daten oder seine Systeme –, sondern um ihn selbst. Er fragte sich, was es bedeuten würde, wenn die Übertragung schief gegangen wäre, wenn er etwas Unersetzliches beschädigt oder verloren hätte.
Mikhailis presste die Lippen aufeinander und atmete langsam und gleichmäßig. Bitte, dachte er, den Blick auf die sich unmerklich verändernde Haltung des Roboters geheftet, lass mich nicht mit nichts als Schaltkreisen und Stille zurück.
Was wie eine Ewigkeit schien, stand der Roboter still und unsicher da. Die metallischen Finger bewegten sich vorsichtig, fast zögerlich, als würden sie zum ersten Mal ein Gefühl ausprobieren. Sein Kopf drehte sich langsam und suchte den Raum ab – nicht mit mechanischer Präzision, sondern mit bedächtiger Überlegung. Er bewegte sich wie etwas, das aus einem tiefen, unruhigen Schlaf erwacht und mit zögerlicher Vorsicht zu sich selbst findet.
Die Stille zog sich hin, angespannt und schwer.
„Rodion?“, rief Mikhailis schließlich leise, da er nicht länger warten konnte. Der Name hing in der Luft, fast wie eine Bitte. Er verfluchte sich sofort dafür, dass er so offen besorgt klang, aber die Verzweiflung in seiner Stimme verriet die ruhige Fassade, die er so sehr zu bewahren versucht hatte.
Der Kopf des Roboters neigte sich leicht, und ein subtiles Zucken der Servomotoren richtete seinen Blick direkt auf Mikhailis. Zum ersten Mal sah er eine leichte Veränderung im Leuchten seiner Linsen, als würden sich die Pupillen verengen, erweitern, anpassen. Es war nicht nur eine Kamera. Es fühlte sich eher … organisch an.
Eher menschlich.
Dann trat der Roboter langsam und bedächtig einen Schritt vor. Sein Fuß klirrte leise und beruhigend auf dem Metallboden, ein seltsam beruhigendes Geräusch. Ein zweiter Schritt folgte, sanft und zielstrebig. Jede Bewegung war präzise und hatte doch etwas Zögerliches, als würde der Roboter selbst zum ersten Mal vorsichtig die Feinheiten der Bewegung entdecken.
Mikhailis spürte, wie sich seine Muskeln leicht anspannten und sein Atem unbewusst schneller wurde, als die große metallene Gestalt näher kam. Seine Fingerspitzen krallten sich in seine Handflächen, sein Herz schlug mit jeder Sekunde ein bisschen schneller. Es kam ihm lächerlich vor – er wusste, dass es Rodion war –, aber er konnte die seltsame Mischung aus Ehrfurcht und Vorsicht nicht leugnen, die ihn überkam.
Dann blieb der Roboter direkt vor ihm stehen. Das blaue Leuchten wurde schwächer, und mit einer vorsichtigen Neigung des Kopfes senkte er seinen Blick leicht, um ihm direkt in die Augen zu sehen.
Die Zeit schien stillzustehen, eingefroren in diesem surrealen Moment. Schließlich erfüllte Rodions Stimme mit klarer Deutlichkeit erneut die Stille – nicht durch entfernte Lautsprecher, nicht durch ein digitales Echo, sondern aus dem Inneren der nur wenige Zentimeter entfernten Gestalt.
„Kerntransfer abgeschlossen. Direkte sensorische Rückmeldung … verwirrend. Aber akzeptabel.“
Die Stimme war unverkennbar die von Rodion – scharf, klinisch, leicht sarkastisch. Und doch lag jetzt unter diesen vertrauten Tönen eine Nuance, die er noch nie zuvor bemerkt hatte: subtile Wärme, leise Belustigung, ein fast unmerkbares Gefühl des Staunens.
Mikhailis wurde sofort erleichtert, alle Zweifel und Ängste verschwanden. Er spürte, wie sich ein Lächeln auf seinen Lippen bildete, echt und zutiefst erleichtert. „Du hast mir kurz Sorgen gemacht“, gab er locker zu und versuchte, mit einem lockeren Tonfall die tieferen Emotionen zu verbergen, die in ihm brodelten.
Der Roboter – Rodion, korrigierte er sich im Kopf – neigte erneut leicht den Kopf, eine subtile Geste, die seltsam ausdrucksstark wirkte. Der Glanz in seinen Augen wurde kurz intensiver, als würde er Mikhailis mit echter Neugier, vielleicht sogar mit leichter Belustigung, mustern. Rodion schien die Unruhe seines Schöpfers zu spüren und genoss sie still.
„Keine Sorge. Meine Systeme waren gut vorbereitet. Deine Angst war allerdings eine vorhersehbare emotionale Reaktion.“
Mikhailis lachte leise und schüttelte den Kopf. Typisch Rodion. Selbst jetzt, wo er zum ersten Mal physisch verkörpert war, war der scharfe Humor der KI vollkommen intakt geblieben. Es war seltsam beruhigend, vertrautes Terrain inmitten völlig unbekannter Umgebung.
„Verzeih, dass ich mir Sorgen gemacht habe“, erwiderte Mikhailis und tat so, als wäre er gekränkt. „Nächstes Mal lass du dein Bewusstsein in einen Löffel übertragen, dann sehen wir, ob ich nervös werde.“
Rodion neigte leicht den Kopf, um nachzudenken. <Statistisch gesehen hätte ein Löffel weniger Funktionen.>
„Sehr witzig“, schnaufte Mikhailis und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Erinnere mich daran, beim nächsten Mal einen Humorfilter zu installieren.“
Rodions Antwort kam schnell und völlig ausdruckslos. „Vermerkt. Deine Toleranz für Humor scheint ungewöhnlich begrenzt zu sein.“
Mikhailis lachte, und die Anspannung löste sich nun vollständig auf. Rodion war in Ordnung – mehr als in Ordnung. Alles war reibungslos verlaufen, besser als er zu hoffen gewagt hatte. Er gönnte sich einen weiteren vorsichtigen Blick und betrachtete die kleinen Details, die ihm zuvor nicht ganz aufgefallen waren. Die Art und Weise, wie sich Rodions metallische Gelenke mit eleganter Präzision bewegten, das leise Summen der inneren Manakreisläufe, die sich durch die Gliedmaßen zogen, die sanfte Bewegung der mechanischen Schultern – jedes Detail wirkte lebendig.
„Na dann“, sagte Mikhailis leise, mit sanfter, aber neckischer Stimme, „willkommen in der Welt der weichen Grenzen, Rodion. Du bist jetzt offiziell an die Schwerkraft, Reibung und all den anderen Unsinn gebunden, mit dem wir Fleisch-und-Blut-Typen uns herumschlagen müssen.“
Rodion wandte seinen Blick langsam ab und hob versuchsweise eine Hand, um seine Metallfinger wieder zu bewegen. Die vorsichtige Bewegung zeugte von Neugier, als würde er ernsthaft über die neuen Grenzen seiner physischen Form nachdenken.
„Die Schwerkraft ist trivial. Reibung ist beherrschbar. Die Ineffizienz der organischen Mobilität bleibt allerdings fragwürdig.“
Mikhailis grinste breiter und spürte, wie ihn die Freude über seine Leistung erfüllte. „Ach, du wirst dich daran gewöhnen. Betrachte es als Urlaub von der rein theoretischen Existenz.“
Rodions Linsen flackerten leicht, vielleicht um ein amüsiertes Blinzeln nachzuahmen. Er machte einen bedächtigen Schritt um die kleine Plattform herum und testete das subtile Gleichgewicht zwischen Gewicht und Schwung. Jede Bewegung war vorsichtig, forschend, fast zurückhaltend. Es war seltsam liebenswert, stellte Mikhailis fest, als er Rodions mechanische Gestalt dabei beobachtete, wie sie in Echtzeit lernte und sich anpasste.
Sein Herz fühlte sich jetzt leichter an, die Angst wich schnell einer Wärme und echtem Stolz. Rodion war wirklich lebendig, wirklich hier, auf eine Weise, die er sich nie hätte vorstellen können. All die Jahre der sorgfältigen Planung, des Sammelns alter Kerne, des Integrierens magischer Konstrukte – all das hatte zu diesem einzigartigen, wunderschönen Moment geführt.
Rodion bewegte sich vorsichtig auf der Plattform, testete seine Gliedmaßen, während leise Geräusche von Mechanik um ihn herum zu hören waren. Er streckte vorsichtig jedes Gelenk, drehte vorsichtig Handgelenke, Ellbogen, Knöchel und Knie und bewertete jede noch so kleine Empfindung mit sorgfältiger Präzision.
Mikhailis beobachtete ihn und fühlte sich still demütig. Er hatte Rodion Leben gegeben, echte Existenz, physische Form.
Aber irgendwie erfüllte ihn der Anblick seiner Schöpfung, die sich nun unabhängig bewegte und existierte, mit einem tiefen, aufrichtigen Respekt, den er nicht erwartet hatte. Rodion war ihm intellektuell immer ebenbürtig gewesen – aber jetzt, als er die vorsichtigen Bewegungen und sanften Verschiebungen des Metalls beobachtete, verstand er etwas Tieferes. Rodion hatte seine ursprünglichen Grenzen überschritten und war zu etwas Einzigartigem, Selbstbewusstem und wirklich Lebendigem geworden.
Rodion hielt kurz inne und drehte sich langsam wieder zu Mikhailis um. Ihre Blicke trafen sich, Schöpfer und Schöpfung, gleichberechtigt in diesem außergewöhnlichen Moment. Etwas ging still zwischen ihnen hin und her – ein gemeinsames Verständnis, stille Wertschätzung, subtile Dankbarkeit.
Mikhailis nickte nur langsam, seine Stimme war warm, kaum mehr als ein Flüstern. „Du bist hier, Rodion. Du bist endlich hier.“
Rodions Linsen passten sich sanft an, fast wie eine leise Bestätigung. Seine Haltung wurde wieder aufrecht, selbstbewusst und präzise, bereit, die Welt, die er zuvor nur aus der Ferne beobachtet hatte, nun voll und ganz anzunehmen. Die letzten Zweifel verschwanden aus Mikhailis‘ Herzen, als er die subtile Veränderung in Rodions Linsen beobachtete, die nun klar waren und etwas Tieferes, Reichhaltigeres und eindeutig Menschliches ausstrahlten:
Wahrnehmung.
Der Roboter hob den Kopf und drehte sich langsam zu Mikhailis. Diesmal unterschied sich die Bewegung deutlich von der kalten Präzision mechanischer Drehungen. Sie wirkte weicher, sanfter, fast nachdenklich – jede Bewegung wurde von einem leisen, beruhigenden Summen begleitet, das von den Servomotoren kam, die sich sanft in Position bewegten. Mikhailis hielt leise den Atem an und wurde sich plötzlich der Stille im Labor um sie herum bewusst, als hätte der ganze Raum innegehalten, um diesen einfachen, tiefgründigen Moment zu beobachten.
Dann erfüllte leise und unerwartet eine Stimme das Labor – nicht das entfernte, klinische Echo aus den Lautsprechern, sondern etwas Wärmeres, Tieferes, durchdrungen von einer subtilen Resonanz, die sanft durch den Raum hallte.
„Ich bin … hier.“