Mikhailis bewegte sich langsam unter der dicken Decke, wobei der Stoff wie Wasser über seine Haut floss. Jede kleine Bewegung verursachte noch leise Schmerzen in seinen Muskeln, aber zumindest waren sie jetzt erträglich, eher wie ein leises Echo als die brennenden Qualen, die er zuvor empfunden hatte. Er atmete vorsichtig ein und spürte die Schwere, die hartnäckig an seinen Gliedern haftete.
Er schloss für einen kurzen Moment die Augen, sammelte all seine Kraft und öffnete sie dann entschlossen wieder.
Seine Finger krallten sich sanft um die Ränder der Laken und hielten sie locker fest, als zögerten sie, das zu enthüllen, was darunter lag. Das blasse Morgenlicht schien sanft durch die hölzernen Fensterläden und malte zarte goldene Muster an die Wände des Zimmers. Staubpartikel tanzten träge in den Sonnenstrahlen, fingen seinen Blick für einen Moment und lenkten ihn von der Anspannung ab, die sich sanft in seiner Brust zusammenballte.
Langsam und bedächtig zog er die Bettdecke nach unten und entblößte Zentimeter für Zentimeter seinen nackten Oberkörper. Sein Herz schlug etwas schneller, die Vorfreude stieg leise in ihm auf. Die kühle Luft streichelte seine bloße Haut, und trotz des leichten Unbehagens konnte er einen leisen Seufzer der Erleichterung nicht unterdrücken. Es war ein einfaches Vergnügen, die frische Luft zu spüren statt der stickigen Bettdecke oder der brennenden Wunden.
Sein Blick wanderte instinktiv nach unten und blieb auf der Mitte seiner Brust ruhen, genau dort, wo sich das Brandmal in seine Haut eingebrannt hatte. Er starrte aufmerksam hin, blinzelte leicht, als wolle er einen versteckten Schleier durchdringen.
Nichts.
Seine Brust war völlig glatt, als hätte die Narbe nie existiert. Keine Narben, keine Flecken – nur unberührte Haut. Die Stelle, an der er brennende Schmerzen erlitten und eine unheimliche Kraft gespürt hatte, war jetzt ganz normal und gesund.
Hatte ich mir das alles nur eingebildet?
Er runzelte leicht die Stirn, während sich Verwirrung und Misstrauen in seiner Brust vermischten. Die Erinnerungen an den Schmerz, an das Mal selbst – sie waren viel zu lebendig, zu real, um nur ein Produkt eines Traums oder einer Halluzination gewesen zu sein.
An seiner Seite regte sich Elowen leise, als sie seine Stimmungsschwankung spürte. Ihre goldenen Augen huschten zu ihm, sofort wachsam, aufmerksam, empfänglich für selbst kleinste Veränderungen in seinem Verhalten.
Ohne ein Wort zu sagen, hob sie eine kleine Porzellanschale mit warmem Wasser vom Tisch neben sich. Ihre Bewegungen waren präzise, anmutig, doch hinter dieser geübten Eleganz verbarg sich echte Zärtlichkeit. Sie tauchte ein gefaltetes Tuch in das Wasser, ließ das überschüssige Wasser sanft abtropfen und führte es dann vorsichtig an seine Schulter.
Er beobachtete sie schweigend und bemerkte, wie das Morgenlicht in ihrem silberweißen Haar spielte und zarte Strähnen sanft schimmern ließ. Ihr Blick war konzentriert, intensiv und doch sanft, als sie das Tuch auf seine Schulter legte, sich langsam bewegte und alles sorgfältig untersuchte. Ihre Finger fühlten sich weich, warm und beruhigend auf seiner Haut an, doch sie zitterten leicht und verrieten ihre verborgene Sorge.
„Da ist nichts“, flüsterte sie leise, ihre Stimme ruhig, aber leicht angespannt, ihre Stirn in Verwirrung gerunzelt. Ihre Augen wanderten langsam über seinen Körper, als suchten sie verzweifelt nach einem Zeichen – irgendeinem Zeichen –, dass das, was sie beide gesehen und erlebt hatten, wirklich passiert war.
„Ich habe es doch nicht geträumt, oder?“ Mikhailis‘ Stimme klang leise, fast unsicher, sein Blick war auf sie gerichtet, suchend nach Bestätigung, auch wenn sein Stolz sich weigerte, Zweifel zuzugeben.
Sie schüttelte sanft den Kopf, silberweiße Strähnen fielen ihr sanft über die Schultern. Ihre Lippen pressten sich zu einer dünnen, nachdenklichen Linie zusammen, ihre Augen spiegelten stille Intensität wider. „Nein. Ich habe es deutlich gesehen. Ich habe die Kraft gespürt, die davon ausging.“
Eine lange Stille erfüllte den Raum zwischen ihnen, schwer und doch irgendwie beruhigend in ihrer Intimität. Zögernd hob er die Hand und fuhr mit den Fingern sanft über die Stelle, an der das Brandmal in seine Haut eingebrannt war. Er erwartete Schmerz, erwartete Unbehagen – aber er spürte nichts. Nur seinen eigenen Herzschlag, der ruhig unter seinen Fingerspitzen schlug.
„Rodion.“ Endlich brach er das Schweigen. Seine Stimme blieb leise, aber fest, und der Unterton des Zweifels war unüberhörbar. Er brauchte jetzt Gewissheit – Fakten statt Gefühle.
„Du hast mich gerufen, Mister Überdramatisch?“
Mikhailis lächelte schwach über Rodions übliche bissige Bemerkung und fand etwas Trost in dem vertrauten Sarkasmus.
„Ich brauche eine vollständige Diagnose“, wies er ihn an, wobei sein Ton etwas schärfer wurde und seine übliche Verspieltheit einer Ernsthaftigkeit wich. „Innen und außen. Alles.“
<Endlich etwas Anerkennung für meine eigentliche Funktion. Ich starte einen mehrschichtigen internen und externen Körperscan. Bitte bereit halten.>
Fast sofort ertönte ein leises Klicken von oben, das Mikhailis‘ Aufmerksamkeit nach oben lenkte. Elowen folgte seinem Blick, scheinbar unbeeindruckt – mittlerweile völlig an die subtilen Eingriffe der Chimera-Ameisen gewöhnt.
Von der Decke herabglitt eine Chimärenameisenarbeiterin lautlos an hauchdünnen Fäden, ihr dunkler Panzer schimmerte sanft im fahlen Licht. Das Insekt bewegte sich mit fließender Anmut, seine vielen Beine waren gekonnt ausbalanciert. Das schwache Leuchten ihrer Augen strahlte trotz der Fremdartigkeit der Szene eine seltsam beruhigende Präsenz aus.
Langsam und methodisch bewegte sich die Ameise auf Mikhailis‘ nackte Brust. Ihre leuchtenden Fühler streckten sich vorsichtig aus und streiften leicht seine Haut. Das Gefühl war sanft, flüsterleise und doch deutlich kitzelnd.
Er zuckte leicht zusammen und konnte ein leises Kichern nicht ganz unterdrücken. „Hey! Das kitzelt“, protestierte er schwach, wobei sich seine Lippen trotz der Ernsthaftigkeit des Augenblicks nach oben verzogen.
<Vermerkt. „kitzliges Baby“ in die Krankenakte eintragen.>
Er rollte sanft mit den Augen und ließ Rodions milde Neckerei über sich ergehen, die ihm in ihrer Vertrautheit seltsam beruhigend war. Die Ameise setzte ihre sanften Bewegungen fort, tastete methodisch jeden Zentimeter seiner entblößten Haut ab und sandte unsichtbare Impulse durch seinen Körper.
Er warf einen Blick auf Elowen und bemerkte die vorsichtige Ruhe in ihrem Gesicht. Ihre Augen folgten aufmerksam den Bewegungen der Ameise, ihr Gesichtsausdruck war zurückhaltend, aber neugierig. Es wurde ihm kurz bewusst, wie weit sie gekommen waren – ihr völliges Vertrauen in diese Kreaturen, die er befehligte, ihre stille Akzeptanz seiner seltsamen Fähigkeiten und seiner Begleiter. Eine stille Wärme erfüllte ihn, Dankbarkeit vermischte sich mit leichter Ehrfurcht. Sie hatte es immer geschafft, alles gelassen hinzunehmen, egal wie seltsam oder beunruhigend es auch war.
Er konzentrierte sich wieder auf den Scanvorgang und beobachtete still, wie die Ameise inne hielt und leicht pulsierte, bevor sie ihre Arbeit beendete. Er spürte die subtilen Vibrationen durch ihre Beine, als sie die Daten an Rodion zurückübertrug.
Fast sofort erschien Rodions vertraute Benutzeroberfläche lebhaft vor seinen Augen. Vor ihm bildete sich eine komplexe holografische Anzeige, die detaillierte Überlagerungen seines Körpers zeigte – Organe, Knochen, Nerven – alles präzise abgebildet und in sanften Blau- und Weißtönen leuchtend.
Er studierte das Bild sorgfältig und bemerkte die ordentliche, klinische Klarheit, die Rodion immer bevorzugte. Sein Blick wanderte langsam über die Darstellung und nahm jedes noch so kleine Detail in sich auf.
<Zusammenfassung: Körperlicher Zustand stabil, aber geschwächt. Mehrere spirituelle Fäden sind ausgefranst oder teilweise durchtrennt. Empfehle schrittweise Rehabilitation. Keine Spuren von aktivem Nebelzeichen gefunden.>
Mikhailis atmete langsam aus, ohne bemerkt zu haben, dass er den Atem angehalten hatte. Er drehte den Kopf leicht und beobachtete Elowens Reaktion auf Rodions Ankündigung. Ihr Gesichtsausdruck blieb ruhig, doch ihre Augen verengten sich unmerklich und funkelten vor leisem Misstrauen.
„Und die Energieschwankungen von vorhin?“, hakte er vorsichtig nach, weil er es noch nicht ganz glauben konnte.
„Verschwunden. In deinem aktuellen Zustand wurden keine Nebel-Anomalien festgestellt.“
Mikhailis runzelte wieder die Stirn, seine Verwirrung wurde noch größer als zuvor. Er wusste, dass Rodions Scans super genau waren – in jeder Hinsicht perfekt –, aber irgendetwas stimmte nicht.
Er wurde das nagende Gefühl nicht los, dass das Mal nicht einfach verschwunden war. Nichts verschwand jemals so spurlos, schon gar nicht etwas so Mächtiges, so Geheimnisvolles.
Elowens Blick traf seinen, und sie teilte offensichtlich seine Unruhe. Unbewusst umklammerte sie das feuchte Tuch, ihre Knöchel wurden leicht weiß und verrieten ihre stille Anspannung. Sie beugte sich näher zu ihm und senkte ihre Stimme zu einem Flüstern, als hätte sie Angst, das empfindliche Gleichgewicht dieses Augenblicks zu stören.
„Wenn es wirklich weg ist … wo ist es dann hingegangen?“, flüsterte sie, und das Gewicht ihrer Worte lastete schwer zwischen ihnen. Ihre goldenen Augen waren intensiv und ernst, und ihre sanfte Sorge drang durch ihre sonst so gefasste Maske.
Er nickte langsam und spürte dieselbe leise Angst, die sich in seinem Magen zusammenballte. Etwas so Mächtiges würde nicht ohne Folgen verschwinden.
Die Abwesenheit fühlte sich eher bedrohlich als beruhigend an. Sein Instinkt sagte ihm ganz klar: Was auch immer ihn gezeichnet hatte, war immer noch da, immer noch präsent, versteckt unter seiner Haut oder noch tiefer. Es schlummerte einfach nur und wartete geduldig darauf, wieder aufzutauchen.
Er wandte seinen Blick vorsichtig zurück zu der Ameise und sah, wie sie sich lautlos zurückzog und wieder in den Schatten der Decke verschwand. Ohne ihr subtiles Leuchten fühlte sich der Raum kälter an, leerer.
Ein leichter Schauer lief ihm über den Rücken, die plötzliche Kälte kam nicht von der Luft, sondern von seinen eigenen beunruhigenden Gedanken. Er fühlte sich ausgesprochen verletzlich, da er wusste, dass das, was auch immer das Nebelzeichen war – was auch immer es bedeutete – noch immer still irgendwo in ihm schlummerte. Versteckt, darauf wartend, dass die richtigen Bedingungen herrschten, um wieder zu erwachen.
Doch selbst jetzt, inmitten dieser Ungewissheit, konnte er sich keine Angst oder Zögern leisten. Er atmete leise aus, sammelte seine Fassung und schloss kurz die Augen, um sich zu beruhigen. Was auch immer als Nächstes kommen würde, er würde sich dem mit Klarheit und Entschlossenheit stellen.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er, dass Elowen ihn immer noch unverwandt ansah. In ihren goldenen Augen leuchtete eine stille, entschlossene Kraft, die ihm Mut machte.
Er streckte sanft die Hand aus, legte sie beruhigend auf ihre und spürte, wie ihre Wärme langsam in ihn eindrang und seine nervösen Nerven beruhigte.
„Wir werden Antworten finden“, versicherte er leise, seine Stimme voller Entschlossenheit. „Was auch immer dieses Malzeichen ist, wo auch immer es sich versteckt … Wir werden es gemeinsam aufdecken.“
Sie nickte langsam, ihr Blick voller stillem Vertrauen, ihre Lippen zu einem zarten, aber beruhigenden Lächeln geformt.
Mikhailis spürte, wie die Ruhe zurückkehrte und seine Brust trotz der anhaltenden Unruhe mit Wärme erfüllte. Er wusste mit absoluter Gewissheit, dass er nicht allein war, egal was vor ihm lag. Dieser Gedanke gab ihm stille Zuversicht und verankerte ihn fest in der Realität, der er gegenüberstand.
Er wandte sich wieder Rodions Hologramm zu und betrachtete es ein letztes Mal in aller Ruhe. Er atmete tief aus und nahm die klare, eindeutige Schlussfolgerung Rodions zur Kenntnis – blieb jedoch vorsichtig skeptisch.
<In deinem aktuellen Zustand wurden keine Nebelanomalien festgestellt.>