Mikhailis konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, der brennende Schmerz in seiner Brust fühlte sich an, als würde geschmolzenes Eisen durch seine Adern fließen. Das Brandmal pochte heftig, jeder Herzschlag hämmerte schmerzhaft, und sein Körper schwankte, als die Erschöpfung an jedem Muskel zerrte. Aber stur und trotzig weigerte er sich, zusammenzubrechen. Nicht jetzt. Nicht, wo sie angekommen war.
Elowen schritt vorwärts, das rhythmische Klicken ihrer Stiefel auf dem zerbrochenen Steinboden hallte scharf durch die zerstörte Kammer. Ihre Anwesenheit strahlte mühelose Autorität aus und erfüllte den zerbrochenen Raum um sie herum wie Sonnenlicht, das durch Sturmwolken bricht. Der goldene Schimmer ihrer Augen, scharf und doch gelassen, wanderte vorsichtig über das Schlachtfeld – berechnend, einschätzend, entscheidend.
Sie nahm die erstarrten Technomanten-Soldaten, die in einem Netz verfangene Gestalt von Auron und den besiegten Enforcer wahr, ohne auch nur die geringste Regung zu zeigen. Ihr silberweißes Haar schimmerte sanft im Schein der letzten Flammen, die an den Trümmern hafteten. Es verlieh ihr einen fast göttlichen Glanz, als würde das Schlachtfeld selbst ihr Erscheinen würdigen.
Mikhailis spürte, wie sein Herz seltsam in seiner Brust pochte, und eine Mischung aus Erleichterung und Angst schnürte ihm die Kehle zu. Sie war gekommen. Sie war hier – sicher, unverletzt und so souverän wie immer. Und doch umklammerte Schuld sein Herz, kalt und schwer, zusammen mit dem brennenden Schmerz der Brandmarke.
Sie hätte nicht hier sein dürfen. Sie hätte in sicherer Entfernung bleiben sollen, hinter den Mauern der Burg, unberührt von den Folgen seiner leichtsinnigen Entscheidungen. Aber sie war nie jemand gewesen, der untätig herumstand.
„Ich wusste, dass du etwas Leichtsinniges tun würdest“, sagte sie mit ruhiger Stimme, die dennoch einen leichten Unterton von Verärgerung hatte. Sie hielt kurz inne, um ihn anzusehen, und ihre goldenen Augen fesselten seine für einen Herzschlag.
In diesem kurzen Blick wurde eine ganze Welt stiller Vorwürfe ausgetauscht – eine leise Ermahnung, die nur durch die schwache Wärme hinter ihren Augen gemildert wurde. „Zum Glück“, fuhr sie fort und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den verstreuten Feinden zu, „hat Rodion mich über alles auf dem Laufenden gehalten.“
Ein zittriges, atemloses Lachen entrang sich Mikhailis, bevor er es unterdrücken konnte, und selbst dabei strahlte ein scharfer Schmerz von seiner Brust aus. Natürlich hatte Rodion das getan.
Das war völlig vorhersehbar – so vorhersehbar, dass er es irgendwie völlig übersehen hatte. Er fand kaum die Kraft, nach unten zu blicken, und sah das schwache Glitzern der Brille, die gefährlich auf seiner Nase balancierte. Als hätte er seinen Blick gespürt, hallte Rodions Stimme leise in seinen Ohren, mit einem Anflug von digitaler Belustigung.
„Natürlich. Hast du wirklich geglaubt, ich würde es versäumen, die Königin zu informieren? Deine Vorhersehbarkeit macht meine Arbeit viel zu einfach.“
Mikhailis verspürte trotz der Schmerzen ein leichtes Amüsement und ließ seinen Blick zu Elowens Brille wandern. Er atmete scharf aus und zwang sich trotz der Schmerzen zu einem Grinsen. „Siehst du, du hast dich in mein Geschenk verliebt“, neckte er sie schwach.
Rodion stieß ein vorgetäuschtes, verächtliches Lachen aus, das auch ohne physische Gestalt unverkennbar selbstgefällig klang.
<Korrektur: Sie hat sich in meine Effizienz verliebt.>
Elowen neigte ganz leicht den Kopf, und ein Hauch von einem Lächeln umspielte ihre Lippen. Es war so subtil, dass es den meisten entgangen wäre, doch für Mikhailis‘ geschultes Auge war es unverkennbar – vielleicht eine stille Anerkennung der Effizienz der KI, aber auch Belustigung über seinen anhaltenden Charme, so angeschlagen er auch war.
Er atmete noch mal zittrig durch, der pochende Schmerz ließ kurz nach, gedämpft durch das beruhigende Gewicht von Elowens Anwesenheit. Auf dem Schlachtfeld war es unheimlich still geworden, alle Technomanten-Soldaten standen wie lebende Statuen da, ihre Moral durch die Ankunft von Silvarion Thalors beeindruckender Königin völlig gebrochen. Die bedrohliche Aura, die zuvor den Raum erfüllt hatte, war nun komplett verschwunden und hinterließ nur noch eine bedrückende Spannung.
Auron, der sich in den Überresten des Netzes verfangen hatte, starrte Elowen ungläubig an, den Mund leicht geöffnet, die Augen weit aufgerissen und voller einer unkontrollierbaren Mischung aus Demütigung, Wut und aufkommender Angst. Die selbstgefällige Arroganz, die er so lange wie eine Rüstung getragen hatte, war vollständig verschwunden und durch die rohe, zerbrechliche Unsicherheit eines Mannes ersetzt worden, dessen sorgfältig konstruierte Fassade in Stücke gerissen worden war.
Neben ihm kniete der Vollstrecker schweigend, atmete schwer durch zusammengebissene Zähne, aus den Stümpfen seiner Arme sickerte noch immer Blut. Seine scharfen, intelligenten Augen zeigten eine grimmige Erkenntnis, er verstand genau, was Mikhailis wenige Augenblicke zuvor begriffen hatte: Der Kampf war endgültig verloren, und es gab kein Zurück mehr.
Doch selbst als Mikhailis angesichts dieses unbestreitbaren Sieges Erleichterung überkam, schlich sich gleichzeitig eine eisige, widerwärtige Angst ein, die sich hartnäckig an den Rändern seines Bewusstseins festklammerte. Er war nicht naiv genug, um die gefährlichen politischen Auswirkungen dieses Moments – ihrer Anwesenheit – zu übersehen. Wäre er allein gewesen, hätte er es wegdiskutieren und sich von Silvarion Thalors offizieller Haltung distanzieren können.
Als ausländischer Prinzgemahl spielte er nur eine Nebenrolle, war kaum mehr als eine dekorative Figur im großen Spiel der politischen Intrigen. Er hätte es leicht als persönliche Vendetta abtun können, die nichts mit der königlichen Autorität zu tun hatte.
Aber Elowen war anders. Sie repräsentierte den Thron selbst – ihre bloße Anwesenheit hier war eine aggressive Geste, eine Kriegserklärung, ob beabsichtigt oder nicht.
Und jetzt, wo sie in diesem zerstörten Saal stand, umgeben von besiegten Feinden, verkörperte sie die direkte Beteiligung von Silvarion Thalor, einen unbestreitbaren Anspruch auf Verantwortung, der nicht einfach rückgängig gemacht oder diplomatisch umgedeutet werden konnte. Mikhailis schluckte und spürte, wie ihm die Galle in die Kehle stieg. Er wusste genau, wie gefährlich diese Situation geworden war – und genau, wie blind Auron dafür war, da er von seinem eigenen verletzten Stolz und seiner ohnmächtigen Wut geblendet war.
Mikhailis‘ Blick huschte scharf zu Auron, der genau beobachtete, wie dem gefallenen Prinzen langsam die Erkenntnis dämmerte. Seine Augen weiteten sich noch mehr, als würde er zum ersten Mal wirklich begreifen, wie schwer seine Niederlage war. Sein Kiefer zitterte, seine Zähne pressten sich in hilfloser Frustration aufeinander.
Die sorgfältig konstruierte Illusion ruhiger Zuversicht, die er so lange aufrechterhalten hatte, löste sich vor ihren Augen rasch auf und wurde durch etwas weit Primitiveres, Gefährlicheres und Unkontrollierteres ersetzt.
Elowen schien davon unbeeindruckt, doch Mikhailis erkannte das leichte Zusammenziehen ihrer Augenwinkel – ein subtiles Zeichen ihrer wachsenden Abscheu gegenüber dem gefallenen Prinzen. Es war ein stilles Urteil, ohne Worte, aber so schwer wie jedes ausgesprochene Urteil.
Aurons Atem ging unregelmäßig, seine Wut brodelte gefährlich an der Oberfläche, die Anspannung war in seinen verkrampften Gliedern deutlich zu spüren. Sein Blick huschte hektisch zwischen Elowen und Mikhailis hin und her, in seinen Augen brannten Ressentiments und Unglauben. Mikhailis spürte, wie die Gefahr wuchs, seine Muskeln spannten sich trotz seiner Verletzungen instinktiv an, bereit für jede verzweifelte, rücksichtslose Aktion, die Auron versuchen könnte.
Der besiegte Prinz verlor schließlich die Beherrschung. Die letzten Reste seiner edlen Fassade zerbröckelten vollständig und lösten sich in rohem, brodelndem Hass auf. Seine Stimme riss ihm mit einem zerreißenden, kehligen Knurren aus der Kehle und hallte schmerzhaft durch den zerstörten Raum.
„Du hast mich verraten.“ Sein Tonfall war voller Gift, seine Augen blitzten wild, jede Silbe zitterte vor Wut und Demütigung. „Du hast diesen erbärmlichen Ausländer einem Prinzen vorgezogen, einem königlichen Blut wie …“
Elowens Blick huschte zu ihm, ein Ausdruck von völliger Gelassenheit, der jedoch so kraftvoll war, dass die Luft zu vibrieren schien.
Mikhailis nahm es genau wahr – das subtile Zusammenkneifen ihrer Augen, das leichte Herabziehen ihrer Lippen. Ihre ruhige Fassade verriet fast nichts, doch diese kleinen, kontrollierten Gesten waren lauter als jede lautstarke Zurechtweisung. Er spürte die Enttäuschung und Verachtung, die von ihr ausging, so deutlich, als hätte sie sie laut ausgesprochen. Es durchdrang ihn wie eine stumme Klinge und erinnerte ihn einmal mehr an die Kluft zwischen ihrer akribischen Vorsicht und seinen rücksichtslosen Instinkten.
Sie ging wortlos an ihm vorbei, ihre Schritte waren fest und bedächtig, ihre Präsenz strahlte bei jedem anmutigen Schritt Autorität aus. Sie war nicht in Eile – nein, eine Königin musste sich nie beeilen. Mikhailis sah ihr nach und hatte das Gefühl, jeder ihrer Schritte sei eine stille Zurechtweisung, die direkt an ihn gerichtet war, eine strenge, aber würdevolle Rüge für das Chaos, das er hinterlassen hatte.
Sein Blick blieb kurz auf ihrem silberweißen Haar hängen, das das Licht der Fackeln einfing und wie polierte Mondstrahlen reflektierte, was die königliche Aura, die sie immer mühelos ausstrahlte, noch verstärkte.
Elowen blieb direkt vor Auron stehen und überragte ihn trotz ihrer ähnlichen Größe. Ihr Gesichtsausdruck blieb vollkommen gelassen, eine elegante Maske, die weder Hass noch Mitleid zeigte – nur die stille Autorität von jemandem, der seit langem an Macht gewöhnt war.
Einen Herzschlag lang starrte sie den gefallenen Prinzen einfach nur an, ihre goldenen Augen leuchteten kühl, während sie seinen zerzausten, erbärmlichen Zustand musterten. Auron war mit zerrissenen Fetzen gefesselt, sein Körper kämpfte schwach und erbärmlich. Sein Gesicht, einst stolz und arrogant, war zu einer hässlichen Mischung aus Panik und Wut verzerrt, seine Augen huschten verzweifelt zwischen ihr und den Überresten seiner zerbrochenen Pläne hin und her.
Dann hob Elowen mit der langsamen, bedächtigen Sicherheit einer Person, die absolute Gehorsam gewohnt ist, ihre Hand. Ihre Finger strichen sanft durch die Luft, bewegten sich mit der geschmeidigen Eleganz eines Dirigenten, der ein Symphonieorchester leitet. Auf ihre Geste hin erwachten goldene Runen zum Leben, leuchtende Symbole, die komplizierte Muster in der Luft bildeten. Sie flackerten und schimmerten und tauchten das Schlachtfeld in ein Licht, das in seiner Intensität fast heilig wirkte.
Mikhailis spürte die uralte Kraft in diesem Kreis, ein Summen von Magie, das tief in seinen Knochen widerhallte. Sie war älter als Königreiche, vielleicht sogar älter als die Geschichte selbst – rohe Natur, verbunden mit Elowens Blutlinie und ihrem Befehl.
Auron erkannte die Gefahr und seine Bewegungen wurden hektisch und verzweifelt.
„Nein – nein, Elowen, hör auf –!“ Seine Stimme brach unter der Anstrengung, seine Augen weiteten sich noch mehr und verloren jeden Anschein von fürstlicher Würde. Jetzt, in diesem letzten Moment, sah er genau so aus, wie er war: ein verängstigtes, in die Enge getriebenes Tier. „Das kannst du nicht tun!“, kreischte er und schlug wild gegen das Netz. „Das würdest du nicht wagen!“
„Du warst nie ein rechtmäßiger Prinz.“