Die Ruinen der zerstörten Leyline-Anlage glühten unter dem bedrückenden Gewicht des verdorbenen Nebels, der sich wie ein lebendes Wesen um die Trümmer wickelte und durch die kaputten Leitungen und zerbrochenen Steine flüsterte. Von den Überresten des Disruptors sprühten immer wieder Funken, die die ramponierten Gestalten der überlebenden Ingenieure und Soldaten beleuchteten, die versuchten, wieder auf die Beine zu kommen.
Inquisitor Veylan stand regungslos inmitten der Zerstörung, sein silbergestreifter Umhang flatterte leicht in der unruhigen Luft. Das zerbrochene Sonnenemblem – der einzige Überrest des Agenten, der sie verraten hatte – lag in seiner behandschuhten Handfläche, sein pulsierendes Licht verblasste langsam. Er umklammerte das Metallabzeichen fester, sein Gesichtsausdruck war unter seiner Kapuze nicht zu erkennen.
Ein Verrat. Nein, mehr als das.
Eine Infiltration.
Sein Verstand ging blitzschnell alle Möglichkeiten durch, filterte jede aufgezeichnete Anomalie, jede Unstimmigkeit, die als bloßer Zufall abgetan worden war. Ein Spion hatte sich unter sie gemischt, war zu ihnen zurückgekehrt und hatte zugeschlagen, als sie am verwundbarsten waren. Und schlimmer noch – ihre Sabotage war mit kalkulierter Präzision ausgeführt worden, nicht aus rücksichtsloser Trotzhaltung heraus. Dies war kein spontaner Akt der Rebellion, sondern sorgfältig geplant.
Veylans kalter, methodischer Blick schweifte über das Schlachtfeld des Scheiterns. Leichen lagen verstreut, einige zuckten noch mit den letzten Lebenszeichen. Andere lagen regungslos da, reduziert auf nichts als verkohlte Hüllen. Die Ley-Linie, die kurz vor der vollständigen Destabilisierung stand, hatte bereits begonnen, sich selbst zu reparieren, und der verdorbene Nebel zog sich von den schlimmsten Schäden zurück. Ihre Arbeit war nicht einfach rückgängig gemacht worden – sie war rückgängig gemacht worden, bevor sie Wirkung zeigen konnte.
Die Stille hielt nicht lange an. Von der östlichen Grenze näherten sich schwere, gemessene Schritte. Einer seiner vertrauenswürdigsten Kommandanten, Malakar, trat aus den Schatten hervor, sein purpurroter Umhang lag schwer über seinen breiten Schultern. Sein vernarbtes Gesicht war zu einer tiefen Grimasse verzogen, als er die Folgen der Schlacht betrachtete. Er blieb ein paar Meter vor Veylan stehen und verbeugte sich leicht.
„Inquisitor“, sagte Malakar mit rauer Stimme, die vom vielen Befehlen rau geworden war. „Wir haben mit der Bergung der Verwundeten begonnen. Die Verluste belaufen sich auf zweiunddreißig Tote, weitere zehn werden noch vermisst. Der Disruptor ist nicht mehr zu retten.“
Veylan sagte einen Moment lang nichts, hielt nur das zerbrochene Emblem zwischen den Fingern und ließ Malakars Bericht wie eine eiserne Hülle auf sich wirken. Zweiunddreißig Leben. Zehn weitere, die dem Nichts zum Opfer gefallen waren. Und wofür?
Das Emblem flackerte erneut in seiner Handfläche, sein Leuchten war schwach. Eine passende Metapher für das zerbrochene Vertrauen in ihren Reihen.
Die Luft war dick von Rauch und dem beißenden Gestank verbrannter Erde. Der Boden knisterte noch immer von der Restenergie der unterbrochenen Ley-Linie, instabile Fäden der Magie, die sich wie gespenstische Geister in die Atmosphäre schlängelten. Schatten der zerstörten Gebäude ragten über die verstreuten Überreste ihrer Operation und dehnten sich unnatürlich aus, während der Puls der zerbrochenen Sonne in seiner Hand schwächer wurde.
Malakar stand steif neben ihm, seine Haltung die eines Soldaten, der auf Befehle wartet, doch seine an seiner Seite zuckenden Finger verrieten eine gewisse Anspannung. Selbst er, der erfahren und unerschütterlich war, war erschüttert. Veylan konnte es in seinem Atem hören, der zwar gleichmäßig, aber schwerer als sonst war. Er konnte es in dem Flackern seines einzigen verbliebenen Auges sehen, das zu der Zerstörung huschte, bevor es sich mit gezwungener Disziplin wieder auf ihn richtete.
Zweiunddreißig.
Veylan drehte das Emblem zwischen seinen Fingern und ließ den Moment Revue passieren, in dem der Agent sich gegen sie gewandt hatte – den schnellen Schlag, die Präzision der Sabotage, das unnatürliche Zögern vor dem letzten Schlag. Ein Mann zuckt nicht zurück, wenn er seine Aufgabe erfüllt. Ein Mann schwankt nicht, wenn er seine Sache durchzieht. Dieser Agent hatte gezögert, nicht aus Angst oder Schwäche, sondern weil etwas seinen Verstand umklammert und umgeformt hatte.
Ein Spion.
Ein Wurm in ihrer Mitte.
Seine Finger krallten sich um das Emblem, die zarten Bruchlinien vertieften sich unter seinem Griff.
„Inquisitor?“, fragte Malakar mit vorsichtiger Stimme, die jedoch kaum die Vorfreude in seinem Tonfall verbergen konnte.
Veylan hob den Blick, und die kalte Last der Realität legte sich wie ein bleierner Anker auf seine Brust. Allein seine Anwesenheit brachte die verstreuten Überreste der versammelten Truppen zum Schweigen, und die flackernden Flammen und die letzten Glutreste der zerschlagenen Operation spiegelten sich in seinen kalten Augen wider.
Er drehte sich langsam und bedächtig um und sah sich die Überlebenden an.
Einige standen benommen und schweigend da, ihre Roben schmutzig und zerrissen, die Hände blutig von ihren Kameraden oder ihren eigenen Wunden. Andere knieten zwischen den Trümmern, versorgten die Verletzten mit allem, was sie finden konnten, und flüsterten hastige Beschwörungsformeln, um die Opfer der Explosion zu stabilisieren.
Die jüngeren Akolythen, deren Augen vor Unglauben weit aufgerissen waren, klammerten sich an ihre Insignien, als könnte die zerbrochene Sonne sie vor der Wahrheit ihres Versagens schützen.
Er fand das erbärmlich.
Versagen war zu erwarten gewesen. Versagen war natürlich. Aber Verrat – Verrat war eine Krankheit, die aus den Knochen herausgebrannt werden musste.
Sein Blick fiel auf eine der verbliebenen Ingenieurinnen, eine drahtige Frau mit Rußstreifen im Gesicht.
Sie zitterte. Er sah es an ihren Händen, die zitterten, als sie die Wunden eines Mitüberlebenden verband, und daran, wie sie immer wieder zu den zerbrochenen Überresten des Disruptors blickte, als würde er plötzlich aus seinem Grab auferstehen und seine Arbeit fortsetzen.
„Malakar“, sagte Veylan mit ruhiger, bedächtiger Stimme.
„Ja, Inquisitor?“
„Erinnere sie daran“, flüsterte er und fuhr mit dem Daumen über das zerbrochene Emblem, „was Versagen kostet.“
Malakars sichtbares Auge glänzte vor dunkler Erkenntnis. Ohne zu zögern trat er vor, seine schweren Stiefel knirschten auf dem rußverschmierten Boden, als er sich der Gruppe der überlebenden Ingenieure näherte. Die zitternde Frau versteifte sich, als sein Schatten über sie fiel.
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„Du!“, bellte Malakar, seine Stimme klang wie ein Hammerschlag auf Stein.
Sie zuckte zusammen, zwang sich aber aufzustehen, Schmutz und Blut verschmierten ihre zerfetzten Roben. „Inquisitor“, brachte sie mit heiserer Stimme hervor.
Veylan rührte sich nicht, blinzelte nicht einmal. Er sah nur zu.
„Der Disruptor“, fuhr Malakar fort, sein Tonfall täuschend neutral. „Erkläre das.“
Die Frau schluckte schwer. „Die Sabotage – es ging zu schnell, zu präzise. Wir – wir konnten nicht –“
Ein scharfer Schlag mit dem Handrücken ließ sie taumeln, die Wucht von Malakars Schlag zerbrach die angespannte Stille im Lager. Sie schnappte nach Luft und konnte sich gerade noch auffangen, bevor sie zusammenbrach, ihre Finger gruben sich in die verbrannte Erde, während Blut aus ihrem Mundwinkel quoll.
Niemand sprach.
Niemand wagte es.
Malakar stand über ihr und wartete.
Veylan stand regungslos da und musterte sie.
Sie schluckte erneut, ein schmerzhafter Atemzug zitterte durch ihren Körper, während sie sich wieder aufrichtete. „Wir – wir haben versagt“, brachte sie mit leiser Stimme hervor.
Veylan neigte leicht den Kopf und beobachtete, wie sie beschämt den Blick senkte und auf die Strafe wartete, die nun folgen würde. Sie flehte nicht. Sie bettelte nicht.
Gut.
Wenigstens hatte sie so viel verstanden.
Er ging langsam und bedächtig vorwärts, bis die Spitze seines Stiefels fast ihre Finger berührte, die immer noch in den Dreck gedrückt waren. Das zerbrochene Sonnenemblem in seiner Handfläche pulsierte schwach, die letzten Spuren der Anwesenheit des Agenten flackerten wie eine sterbende Glut.
Er duckte sich, gerade so weit, dass er auf ihrer Höhe war. Das Feuerlicht beleuchtete die scharfen Konturen seines Gesichts, und die kühle Distanziertheit in seinem Blick ließ den Moment zu einer unerträglichen Stille werden.
Dann fragte er mit einer Stimme, die nur sie hören konnte:
„Hast du es gespürt?“
Ihr Atem stockte, ihre Lippen öffneten sich verwirrt.
Er beugte sich näher zu ihr, seine Präsenz lastete wie ein unsichtbares Gewicht auf ihr. „In dem Moment, als alles schiefging“, flüsterte er. „In dem Moment, als uns unser Sieg geraubt wurde. Du warst dabei. Du hast es gesehen. Du hast es gespürt.“
Ihr Puls ruckelte, ihre Gedanken rasten, verzweifelt versuchte sie zu verstehen, welche Antwort er von ihr wollte. Er konnte den Kampf in ihrem Gesicht sehen, die Angst, die ihr die Kehle zuschnürte.
Ja, sie hatte es gespürt. Die Veränderung. Das Unrecht.
„Ich …“, begann sie, dann stockte sie.
Veylans Blick schwankte nicht.
„Du hast gezögert“, sagte er leise, fast freundlich. „Und dieses Zögern sagt mir eines.“ Er streckte die Hand aus, nahm ihr Kinn zwischen seine Finger und hob ihren Kopf gerade so weit an, dass sie gezwungen war, seinem Blick zu begegnen.
„Du bist nicht die Spionin.“
Ihre Erleichterung war deutlich zu sehen und überkam sie wie eine Welle. Ihr ganzer Körper sackte zusammen, ihre Lungen rangen nach Luft, die sie, ohne es zu merken, angehalten hatte.
Dann verstärkte er seinen Griff.
„Aber du hast sie gewinnen lassen.“