„Wai, warum bin ich wieder hier?!?“ schrie er mit einer lispelnden, kindlichen Stimme. Die Worte hatten nicht die Kraft, die er ihnen geben wollte, und er spürte, wie seine Frustration wuchs. Er versuchte aufzustehen, wankte aber nur. Alles fühlte sich anders an, seltsam – schwach.
Er murmelte vor sich hin und bemerkte sein Spiegelbild in einer polierten Steinwand. Sein Körper war tatsächlich gewachsen. Er war jetzt ein Kleinkind, größer und rundlicher, mit Gliedmaßen, die sowohl stämmig als auch ungeschickt wirkten.
„Ich bin so schnell gewachsen!?!“, murmelte er und seine winzigen Fäuste zitterten. Er sah lächerlich aus.
Die Verwirrung begann zu schwinden und wurde durch eine ihm nur allzu vertraute Entschlossenheit ersetzt. Okay, Mikhailis, beruhige dich. Das gehörte doch zum Prozess, oder? Er holte tief Luft, seine winzige Brust hob und senkte sich, während er sich beruhigte. Heute war er entschlossen, auf Entdeckungsreise zu gehen.
Er wollte eine richtige Führung durch das Nest, das er gebaut, gepflegt und verteidigt hatte.
Das vertraute Gefühl telepathischer Kommunikation summte in seinem Kopf, und er drehte seinen winzigen Kopf, als einige Arbeiterameisen auf ihn zukamen. Ihre telepathischen Stimmen waren deutlich zu hören.
„Eure Majestät, wir haben Essen für Euch gebracht.“
Mikhailis schaute nach unten und sah die Teller, die die Ameisen für ihn vorbereitet hatten. Er verzog sein Gesicht zu einer gespielten ernsten Miene und versuchte aufzustehen – seine Beine wackelten einen Moment lang, bevor er sich mit einem Seufzer wieder hinsetzte.
Vielleicht noch nicht, dachte er.
Er betrachtete das Essen vor sich: Stücke von gerösteten Pilzen, ein kleines Stück eines leuchtenden Pilzes und etwas, das wie Hackfleisch aussah. Es roch – überraschenderweise – fantastisch. Mikhailis nahm ein Stück mit seinen winzigen Händen und probierte zögerlich. Sofort weiteten sich seine Augen.
Es war köstlich. Die Aromen explodierten auf seiner Zunge, und er konnte nicht anders, als noch ein Stück zu verschlingen, dann noch eins, bis seine Wangen prall gefüllt waren wie die eines Eichhörnchens.
Wer hätte gedacht, dass Ameisenfutter so gut schmecken kann?
Sie haben sogar einen Stein vorbereitet, der perfekt wie ein Teller aussieht, wie aufmerksam von ihnen.
„Schmeckt dir das Essen, Eure Majestät?“
Er nickte, noch immer kauend, während ihm die Pilzstücke aus dem Mund tropften. Es war fast absurd, wie weit sie es gebracht hatten, seit sie als chaotische, halbfertige Kolonie angefangen hatten.
Als er fertig gegessen hatte, schob er den leeren Teller beiseite und sah mit funkelnden Augen zu den Arbeiterameisen auf.
„Bringt mich zum Thron“, befahl er, wobei die Worte durch seine winzige Zunge gedämpft klangen.
„Und zeigt mir alles!“
Die Ameisen tauschten Blicke aus, ihre Fühler zuckten in einer Geste, die fast wie Verwirrung aussah, bevor sie ihren kleinen König pflichtbewusst auf einen provisorischen Thron aus Chitin und glatten Steinen hoben. Sie hielten ihn vorsichtig fest und trugen Mikhailis durch die gewundenen Tunnel des Nestes.
Die erste Kammer, die sie betraten, war die Brutstätte. Mikhailis schnappte mit seiner kindlichen Stimme nach Luft und beobachtete mit großen Augen, wie die fleißigen Arbeiterameisen sich um die sich entwickelnden Eier kümmerten. Er hüpfte ein wenig auf seinem Sitz und klatschte mit seinen winzigen Händen.
„Das ist toll!“, quietschte er, und seine Aufregung war ihm anzusehen.
Die Arbeiterameisen trugen ihn weiter, vorbei an der Landwirtschaftskammer. Hier wuchsen Reihen über Reihen von Pilzen in akribischen Mustern, deren Leuchtkraft die dunkle Kammer erhellte. Die Arbeiterameisen ernteten sie sorgfältig und kümmerten sich um die Ernte wie fleißige Bauern.
„Wow…“, murmelte Mikhailis und blinzelte zu den leuchtenden Pilzen hinauf. Er konnte nicht umhin, ein wenig Stolz auf ihre landwirtschaftlichen Fähigkeiten zu empfinden. Sie hatten sich wirklich gesteigert.
Als Nächstes kam die Schleimaufzuchtkammer. Als sie eintraten, weiteten sich Mikhailis‘ Augen. Vor ihm stand der riesige Schleim, fast fünf mal fünf Meter groß – etwa dreimal so groß wie ein normaler Mensch. Es war ein beeindruckender, gallertartiger Anblick, dessen Form leicht in schillernden Farben schimmerte.
„G-Groß! Der ist so groß!“, rief er und zeigte auf das riesige Wesen. Er war echt beeindruckt. Der Schleim schien zufrieden zu sein, pulsierte langsam mit einer seltsamen Ruhe und wurde von den Arbeiterameisen umsorgt.
Danach gingen sie weiter zur Nahrungsvorratskammer. Sobald sie eintraten, schlug Mikhailis der widerliche Geruch von Verwesung wie ein Schlag in die Magengrube entgegen.
Er verzog sein kleines Gesicht, und ihm wurde übel, als er sah, wie die Mitglieder des Syndikats für die Nahrung zerlegt wurden, ihre leblosen Gesichter vor Schreck erstarrt.
„N-Nächste Kammer!“, schrie er mit zittriger, kindlicher Stimme. Er wandte den Kopf ab und wollte nur noch weg von diesem Anblick. Normalerweise war er nicht zimperlich, aber sein kleiner Körper schien alles zu verstärken – auch das Gefühl des Ekels.
Die nächste Station war viel besser. Die Arbeiterameisen trugen Mikhailis in die Kammer, in der die gefangenen Monster festgehalten wurden. Seine Augen weiteten sich vor Aufregung, als er die Kreaturen sah – den Flammensalamander, den Steindrachen, den Sturmfalken, den Schattengeist und den Eisbären. Sie alle befanden sich in einem hypnotischen Zustand, standen regungslos da und hatten glasige Augen.
„Wow! Wow!“, rief Mikhailis und klatschte in die Hände, ein breites Grinsen im Gesicht. Er war wie ein Kind im Süßwarenladen und starrte all die fantastischen Wesen vor sich an. Diese Kreaturen wurden von zehn Chimärenameisen bewacht, die mit ihren scharfen Mandibeln klapperten, als sie Mikhailis bemerkten.
Und dann sah er sie. Die Scurabons mit ihren hybriden Formen, robust und wendig; die Frog Variant mit ihrem seltsamen, amphibischen Aussehen; und die Hypnoveil Variant, deren kleine pflanzenartige Auswüchse auf dem Rücken ihr eine unheimliche, faszinierende Aura verliehen.
Mikhailis‘ Augen leuchteten vor Aufregung.
„Eure Majestät“,
erklangen die Stimmen der spezialisierten Varianten, jede klar und deutlich. Die Scurabons klangen streng, die Stimme der Froschvariante war sanft und die der Hypnoveil fast musikalisch. Es war surreal, sie alle direkt mit ihm kommunizieren zu hören.
„Zeigt es mir! Zeigt mir den Kampf!“, forderte Mikhailis und hüpfte leicht auf seinem Thron.
Die Varianten traten vor. Die Scurabons demonstrierten ihre Kraft und Beweglichkeit und griffen einen Übungsdummy (einen Stein) mit präzisen, kraftvollen Schlägen an. Die Frosch-Variante sprang hoch, ihre Sprünge waren flüssig und anmutig und zeigten ihre Vielseitigkeit. Die Hypnoveil richtete ihren Blick auf eine Arbeiterameise, die Pflanze auf ihrem Rücken leuchtete leicht. Die Arbeiterameise erstarrte, ihr Körper schwankte, als stünde sie unter Trance.
Mikhailis sah zu, den Mund offen, die Augen voller Staunen.
„Großartig! So großartig!“, jubelte er und klatschte mit seinen kleinen Händen. Er konnte nicht glauben, wie mächtig sie waren. Das Potenzial der Kolonie schien endlos und erfüllte ihn mit Stolz.
Nach der Vorführung trugen die Arbeiterameisen Mikhailis zurück in seine Kammer. Als sie eintraten, bemerkte Mikhailis die Chimärenameisenkönigin, die auf ihn wartete. Ihre große Gestalt wirkte majestätisch, ihre vielen Augen beobachteten ihn mit einem amüsierten Glitzern.
„Hast du Spaß gehabt, überall herumzustreunen, mein Kind?“
Mikhailis nickte begeistert und grinste breit.
„Ja! Es hat Spaß gemacht!“
Ah. Mist. Ich habe mich komplett wie ihr Kind verhalten, oder?
Die Königin kicherte leise, wobei ihre massiven Mandibeln aufeinanderklapperten.
„Ich freue mich. Dieses Nest gehört schließlich dir. Es soll ein Ort der Sicherheit und Stärke für dich sein.“
Sie hielt inne und ihr Tonfall wurde ernster.
„Allerdings stehen wir kurz vor einem entscheidenden Moment.“
Mikhailis neigte den Kopf, sein kindlicher Gesichtsausdruck neugierig.
„Warum? Was wird passieren?“
Der Blick der Königin schien dunkler und intensiver zu werden.
„Wenn du wächst, mein Kind, sendest du Pheromone aus – eine Art Signal. Diese Pheromone werden andere Feinde anziehen – Raubtiere, Konkurrenten. Sie werden kommen, um uns zu holen, und um dich.“
Sie beugte sich näher zu ihm, ihre Stimme war nur ein leises Summen in seinem Kopf.
„Wir müssen vorbereitet sein. Bis du reifer bist, wird es Angriffe auf dieses Nest geben – von allen Seiten. Und wenn du in diesem Zustand sterben würdest … würde deine Seele eins mit dem Ei werden und verfallen. Du bist noch mit ihm verbunden, noch zerbrechlich. Erst wenn du reifer bist, wird deine Seele unabhängig werden.“
Mikhailis blinzelte, sein kindliches Lächeln verschwand.
„Ith … Ith gefährlich …“, sagte er abwesend, die Worte kamen ohne viel Nachdenken aus seinem Mund.
Doch dann wurde ihm klar, was das bedeutete. Seine Augen weiteten sich, seine winzigen Hände zitterten leicht. Wenn seine Seele verschwand, würde das dann nicht bedeuten, dass er wirklich sterben würde? Kein Respawn mehr, keine zweite Chance.
Selbst wenn dies ein Klonkörper war, würde er dennoch wirklich sterben.
Er schluckte und ein Schauer lief durch seinen kleinen Körper. Die Worte der Königin hallten in seinem Kopf wider, jedes einzelne wie ein Gewicht, das auf ihm lastete.
Er sah zu der Königin auf, seine kindliche Stimme zitterte leicht, als er sprach.
„Ist das nicht … die größte Herausforderung, der ich seit meiner Ankunft in dieser Welt begegnet bin? Werde ich … werde ich sterben …?“