„Übrigens, ich hab dir noch gar nicht richtig danke gesagt“, meinte Wu Mengqi, während sie beobachtete, wie Wu Long Wei Lan durch die offenen Türbögen zum Balkon beruhigte. Die beiden waren zufällig allein auf einem Balkon gegenüber, während in dem Bankettsaal zwischen ihnen die Feierlichkeiten weitergingen.
„Danken?“, fragte Ye Ling, die neben ihr stand, verwirrt und hob eine Augenbraue.
Wu Mengqis klare blaue Augen wandten sich ihr zu, mit ihrem üblichen unbeschwerten und fröhlichen Ausdruck, aber der Blick in diesen Augen ließ Ye Ling erstarren, und ihre eigenen tiefblauen Augen weiteten sich vor Schreck.
„Ich … du …“, stammelte sie.
„Hahaha, sogar Schwester Ling kann so nervös werden, und das nicht, weil Honey dich neckt…“, kicherte Wu Mengqi, sichtlich amüsiert, und fügte dann aufrichtig hinzu: „…Weißt du, du warst es, die ihn gerettet hat, seine Wunden geheilt hat, ihm Hoffnung gegeben hat, ihm Liebe und Fürsorge geschenkt hat und vor allem, du hast ihm erlaubt, zu lieben. Du bist der einzige Grund, warum er sein Versprechen halten konnte… das letzte Versprechen, das ich ihm abgenommen habe.“
Die Worte blieben Ye Ling im Hals stecken, sie konnte weder sprechen noch denken. Ihre übliche ruhige und gelassene Haltung bröckelte, und ihre Augenwinkel wurden leicht rot.
„Ich wusste es. Zuerst war ich skeptisch, aber je mehr Zeit verging, desto sicherer wurde ich mir. Schwester Ling kann ihre Gefühle sehr gut verbergen … außer Schuldgefühle“, sagte Wu Mengqi in ihrem üblichen Tonfall, mit nur einem Hauch von Unbehagen.
Als Ye Ling weiterhin schwieg, fuhr Wu Mengqi fort: „Ehrlich gesagt bin ich nicht so gut in solchen Gesprächen oder komplizierten Dingen. Weißt du, ich kann nur so direkt sein.
Deshalb hatte ich gehofft, dass Honey mit dir darüber reden würde, aber er meinte, aus irgendeinem Grund könne nur ich das machen … Ich hab versucht, ihn zu fragen, warum, aber er hat wieder angefangen mit diesem ‚tiefgründigen Dao-Geschwätz‘, das er manchmal von sich gibt …“
Ye Ling senkte den Blick und flüsterte so leise, dass man sie kaum hören konnte: „Natürlich hat er das gemerkt … wie naiv …“
„Hehe, na ja, er ist eben Honey … er war schon immer unglaublich … und jetzt ist er so unglaublich geworden, dass es immer noch schwer zu begreifen ist, wie unglaublich er wirklich ist“, kicherte Wu Mengqi, wobei ihre Sprache immer mehr ihrem üblichen Stil ähnelte, da sie angesichts von Ye Lings Reaktion leicht in Panik geriet.
Das machte deutlich, dass sie sich den ersten Teil dieses Gesprächs vorher lange überlegt und auswendig gelernt hatte. Nun, da der einstudierte Teil vorbei war und sie auf eine solche Reaktion stieß, verschwand der überraschend reife Tonfall und machte dem gewohnten, einfacheren Tonfall Platz.
In diesem Moment löste sich die Spannung, die sich aufgebaut hatte, und ein unwillkürliches Lächeln huschte über Ye Lings Lippen. Als sie sah, wie diese sonst so unbeschwerte und energiegeladene Schönheit verzweifelt versuchte, etwas zu sagen, um sie aufzumuntern und zu erklären, wurde Ye Ling plötzlich klar, wie albern ihre eigenen schweren und komplexen Gefühle und Gedanken waren, wenn sie so offen zum Ausdruck kamen.
Schließlich war es Wu Mengqi, die auf der anderen Seite ihrer Schuld stand.
Jemand, der so rein war, dass es offensichtlich war, dass die Schuld, die Ye Ling empfand, etwas war, das sie sich in den Kopf gesetzt hatte und dessen Ursprung eine falsche Vorstellung war.
„Du musst dich mir gegenüber nicht schuldig fühlen, im Gegenteil, ich bin dir dankbar …“, während Wu Mengqi noch unbeholfen versuchte, dieses Problem zu lösen, und sich vor Anstrengung, eine überzeugende Argumentation zu finden, die Stirn runzelte, umarmte Ye Ling sie plötzlich.
„Eh?“, Wu Mengqi erstarrte und verstand nicht ganz, was passiert war.
„Pfft…“, Ye Ling begann, unerwartet für sich selbst, leise zu lachen, da sie sich in ihren eigenen Augen immer alberner vorkam, weil sie solche Gedanken hatte.
„Ähm… also… alles klar? Keine Schuldgefühle oder komplizierten Sachen mehr?“, Wu Mengqi nahm sich einen Moment Zeit, um das zu verarbeiten, und entschied sich, dies mit einer Umarmung als universelles Zeichen für Frieden und Freundschaft zu bestätigen.
„Nn“, nickte Ye Ling mehrmals, halb weinend, halb lachend, als eine schwere Last, die sie getragen hatte, plötzlich von ihr genommen wurde und ihre Gefühle aus einem Gefühl der Erleichterung hervorbrachen.
„Hehe, ich wusste, dass Schwester Ling das verstehen würde“, sagte Wu Mengqi und umarmte sie ebenfalls.
„Ich werde eifersüchtig“, ertönte eine Stimme neben ihnen, und als sie überrascht voneinander losließen und sich umdrehten, standen sie Wu Long gegenüber. Hinter ihm konnte man Wei Lan sehen, die sich unter Cao Mei und Cao Xiang mischte.
„Heh, du warst mit deinen eigenen Umarmungen beschäftigt, warum sollte ich Schwester Lings Umarmung mit dir teilen? Diese Umarmung gehört mir, weil ich sie mir verdient habe“, sagte Wu Mengqi mit einem verschmitzten Lächeln, sichtlich begeistert von dem Erfolg ihres Gesprächs mit Ye Ling.
„Stimmt. Du hast Mengqi die ganze Arbeit machen lassen und kommst jetzt, um Umarmungen einzusammeln?“, Ye Ling lächelte ebenfalls verspielt, schniefte und wischte sich vorsichtig die letzten Tränen mit ihrem kleinen Finger weg.
„Haha, was, du willst keine Umarmung von mir?“, lachte er und wandte sich an Wu Mengqi, die sofort nachgab.
„Okay, ich will auch eine Umarmung von Honey. Aber ich war diejenige, die Schwester Ling für dich umarmt hat“, sagte sie, während Wu Long und Ye Ling kicherten.
Er kam näher und legte seine Arme um die beiden Schönheiten, die sich an ihn klammerten, während er sich mit dem Rücken an die Handläufe lehnte.
Eingehüllt in seine warme Umarmung seufzte Ye Ling zum ersten Mal seit langer, langer Zeit aufrichtig erleichtert. Wu Long hatte recht. Sie hätte es nicht akzeptieren können, wenn es nicht von Wu Mengqi gekommen wäre. Egal, wie viel Vernunft und Logik er ihr auch geboten hätte, nichts hätte das Problem lösen können, denn letztendlich war es nichts, was mit Vernunft oder Logik gelöst werden konnte, weil es nicht darin begründet lag.
Sie mussten auch nicht extra miteinander reden, denn sobald sie wieder klar denken konnte, war alles klar, und alles, was sie einander zu sagen hatten, lag in dem einen Blick, den sie austauschten, als er auf den Balkon kam.
—
„Was für ein emotionaler Abend“, sagte Frau Liang und blies eine Rauchwolke in die Nachtluft, als sie Wu Long auf dem Balkon traf, während die Feier allmählich zu Ende ging und die Schönheiten sich in kleinen Gruppen in ihre Zimmer zurückzogen.
„Auf jeden Fall ein ereignisreicher Abend“, nickte Wu Long, als er sich auf einen der Stühle setzte, „aber es ist eine gute Sache.“
„Es ist wirklich erstaunlich. Ich hätte gedacht, dass es schwer sein muss, in jeder Hinsicht, auch emotional, die Stütze für so viele Schönheiten mit so unterschiedlichen Temperamenten zu sein“, lachte sie.
„Das bedeutet es, ein Mann zu sein, der von vielen Schönheiten umgeben sein möchte“, zuckte er mit den Schultern, ohne das besonders faszinierend oder in irgendeiner Weise unnatürlich zu finden.
„Und du willst immer noch mehr?“
„Ja.“
„Interessant, wie viele kannst du noch verkraften?“
„So viele, wie mich faszinieren.“
„Wie mutig … und schamlos.“
„Und gierig“, lachte Wu Long und vollendete das Porträt.
„Ich frage mich, ob du bereit bist, noch für eine weitere Schönheit als Stütze zu dienen?“, sagte sie dann mit einem Grinsen, legte die Pfeife, die sie geraucht hatte, auf den Tisch neben sich und ging langsam auf ihn zu.
Ihre hohen Absätze machten deutliche Geräusche, während sie ging, und ihr langes Cheongsam mit einem langen Schlitz an der Seite betonte ihre Figur, die sich im Mondlicht anmutig auf ihn zubewegte.
„Hoh? Ich glaube, ich habe meine Bereitschaft dazu bereits ganz klar zum Ausdruck gebracht. Was hat die Schöne denn nun umgestimmt, was den Zeitpunkt angeht?“, fragte er mit einem breiten Lächeln, während ein gewisses Funkeln in seinen Augen aufblitzte.
„Hmm, um ehrlich zu sein, habe ich gerade gemerkt, dass ich mich schon auf diese Stütze verlassen habe, und es ist egal, ob es jetzt offiziell wird oder erst, wenn mein Problem gelöst ist. Es war also dumm, auf einen symbolischen Zeitpunkt zu warten, wo wir doch, wie du schon gesagt hast, auf derselben Wellenlänge sind“, sagte sie, während sie näher zu ihm trat.
„Das Warten hat sicherlich keinen konkreten Sinn“, nickte er und sah zu ihr auf, als sie so nah kam, dass er sie mit ausgestreckter Hand hätte berühren können.
„Also habe ich beschlossen, nicht zu warten“, sagte sie, ihr in einen schwarzen Strumpf gehülltes Bein brach aus dem langen Seitenschlitz ihres Cheongsam hervor, machte einen weiten Schritt, landete neben seiner Hüfte, und dann landete ihr anderes, in den seidigen Stoff gehülltes Bein auf dem anderen, während sie sich auf seinen Schoß setzte und ihn ansah.
„Gute Wahl“, lächelte er, legte seine Hände auf ihre Taille, nahe an ihre Hüften, während sie ihre Hände auf seine Schultern legte, woraufhin ein heißer, leidenschaftlicher Kuss folgte.
