„Okay, sieht so aus, als würde es gut laufen. Du hast dich echt gut geschlagen, sogar besser als ich gedacht hätte“, sagte Wu Long, nachdem er den Bericht von Old Yen gehört hatte.
„… Soll ich dann mit den Vorbereitungen für den Palast der Tausend Augen beginnen?“, fragte dieser nach einer kurzen Pause vorsichtig.
Wu Long lachte leise, da Old Yen den Zweck dieses Treffens ziemlich genau erkannt hatte. Aber es war auch verständlich, dass ihm das aufgefallen war.
Wenn es nur um einen Statusbericht gegangen wäre, hätte man das über Kommunikationstalismane erledigen können. Und es gab noch andere Faktoren.
Ursprünglich hätte Old Yen mehr Zeit gehabt, um sich eine solide Basis aufzubauen und seine Position zu festigen, bevor ihm weitere Aufgaben übertragen wurden, aber wie so oft lief nicht alles nach Plan.
Der Vorfall auf dem Plateau war unerwartet und musste mit Sofortmaßnahmen bewältigt werden. Und so gut diese auch waren, solche provisorischen Lösungen waren anfällig für Fehler, die Konsequenzen nach sich zogen.
Old Yen hatte richtig vermutet, dass er gerufen worden war, um zu beurteilen, ob er die zusätzlichen Aufgaben, die sich aus diesen Konsequenzen ergaben, zum jetzigen Zeitpunkt bewältigen konnte oder ob Anpassungen an den Gesamtplänen vorgenommen werden mussten. Und er hatte auch richtig vorausgesagt, welche konkrete Aufgabe Wu Long zu erledigen hatte.
„Mm, das war die Idee. Unser Zeitplan wurde vorverlegt, deshalb wollte ich dich anweisen, damit vorzeitig fortzufahren“, nickte Wu Long.
„B-Boss, ich kann …“, Old Yen zuckte zusammen, als er die Vergangenheitsform in Wu Longs Worten hörte.
„Ich weiß, keine Panik. Habe ich nicht gerade gesagt, dass du besser warst, als ich erwartet hatte?“, Wu Long hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. „Es ist nicht so, dass ich daran zweifle, dass du das schaffen kannst.
Es geht um den Obsidian-Mondpalast, deren Anwesenheit könnte die Sache etwas komplizieren.“
„Ich verstehe“, sagte Old Yen mit leicht verlegenem Gesichtsausdruck, da er etwas voreilig gewesen war. Schließlich war er sich nach Wu Longs Lob sicher gewesen, dass er sofort den Auftrag erhalten würde, und hatte in Gedanken bereits Pläne geschmiedet.
„Hmm, ich denke, wir können trotzdem weitermachen … aber statt selbst Vorbereitungen zu treffen, besorg einfach Infos über einen geeigneten Ort und erste potenzielle Kunden. Frau Liang wird dann selbst handeln müssen, wenn wir uns entscheiden, weiterzumachen“, sagte Wu Long und machte einen Anruf, da es nicht schaden konnte, zumindest für den Fall der Fälle die Grundlagen zu schaffen.
Dann wandte er sich an Fen Baihu: „Du wolltest doch deine Verführungskünste ausprobieren, oder?“
Die Himmelsfuchs hob bei dieser Frage die Augenbrauen: „Willst du sehen, ob dieser Kerl genug Widerstandskraft hat? Bei aller Überlegung würde ich mir davon nicht allzu viel versprechen.“
„Der alte Yen mag mental gut geschützt sein, aber ich kenne die Stärke deiner Verhexungskraft“, sagte Wu Long und schüttelte den Kopf, um den alten Yen zu beruhigen, der unter dem Blick dieses Fabelwesens leicht blass geworden war. „Ich muss den Kerl aus dem Ember Palm Pavilion verhören, den wir zuvor gefangen genommen haben. Glaubst du, du schaffst das?“
„Ha, das? Klar, in meinem momentanen Zustand ist der Typ kein Problem mehr“, Fen Baihu grinste selbstbewusst, während eine kleine Wolke aus geheimnisvollem Nebel nicht weit von ihr aus dem Boden aufstieg.
„Hast du nicht schon alle Infos von dem Mann bekommen?“, fragte Hong Yue zum ersten Mal.
„Haha, nicht wirklich.
Klar, wir haben ihn mit Hilfe von Frau Liang und Zhao Biren verwirrt und ihm eine Menge Informationen entlockt, aber das waren nur allgemeine Informationen über die Region. Später konnte Fen Baihu ihn nicht wirklich verzaubern, da ihr Zustand schlechter war als jetzt, also hat sie ihn nur in einen Traum versetzt und ihn uns zu den Hinweisen führen lassen, die wir brauchten“, zuckte Wu Long mit den Schultern.
Fen Baihu nickte mit leicht missmutigem Blick, da sie es immer noch als Demütigung empfand, dass sie damals nichts anderes tun konnte. „Wir konnten ihn nicht wirklich führen, da er sonst angefangen hätte, an seiner Realität zu zweifeln, und der Traum wäre zerbrochen. Ihn ein zweites Mal in einen solchen Traum zu versetzen, wäre schwierig gewesen, ganz zu schweigen davon, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er den zweiten Traum zerbrochen hätte, zu hoch gewesen wäre.“
„Wir haben zwar viele Informationen erhalten, aber letztendlich war er es, der bestimmt hat, was wir gesehen haben. Er lebt schon seit geraumer Zeit in einer von seinem eigenen Verstand konstruierten Realität, aber in all dieser Zeit gab es nichts, was auf die Existenz des Obsidian-Mondpalasts hingedeutet hätte. Ich schätze, dass deren Existenz in seinem Alltag keine große Rolle spielt“, nickte Wu Long.
„Ich verstehe …“, nickte Hong Yue und begriff, warum es Lücken in dem gab, was sie von dem Mann erfahren hatten.
Der Nebel begann sich aufzulösen und an seiner Stelle stand ein Mann in einem leichten Dämmerzustand.
Fen Baihus Augen leuchteten wieder auf, und die Atmosphäre in der Umgebung veränderte sich leicht.
Der Mann, dessen Augen zwar sahen, aber nicht wahrnahmen, was vor ihm war, zitterte leicht, und ein rosa Schimmer, der dem in Fen Baihus Augen glich, erschien in seinen Pupillen, als würde er aus dem Inneren seiner Augen leuchten.
„Beantworte alle Fragen, die dir gestellt werden“, sagte Fen Baihu mit einem Lächeln und bestätigte damit, dass sie erfolgreich gewesen war.
„Ja, Herrin… alles für dich“, antwortete der Mann wie in Trance.
Dann drehte sie sich zu Wu Long um und nickte ihm zu, woraufhin er ebenfalls nickte. Dann wandte sie sich wieder dem Mann zu und fragte: „Ist das das Gebiet des Obsidianmondpalastes oder wird es jetzt vom Palast der Geheimnisse beansprucht?“
„…“, doch der Mann stand nur schweigend da.
„Ähm, anscheinend habe ich noch Einschränkungen“, sagte Fen Baihu und neigte den Kopf, da sie sah, dass die Antwort nur zögerlich kam. Vielmehr schien der Mann ratlos zu sein, da er den Mund öffnete und schloss und unverständliche Laute von sich gab.
„Hmm, vielleicht …“, sagte Wu Long und kniff die Augen zusammen, als er diese Reaktion sah. „Sag ihm, er soll die letzte Frage ignorieren.“
„Ignoriere die letzte Frage und beantworte alle Fragen, die von jetzt an gestellt werden“, Fen Baihu folgte seinen Anweisungen ohne großen Widerstand, da sie irgendwie begriff, was vor sich ging. Sie selbst hatte noch nie ein solches Verhalten bei denen erlebt, die sie verzaubert hatte, aber andererseits waren ihre Kräfte auch nie so eingeschränkt gewesen, entweder sie hatte eine Fähigkeit oder sie hatte sie nicht.
„Ist der Weiche Wiesen Kontinent das Gebiet des Obsidianmondpalasts?“, fragte Wu Long und änderte die Frage leicht.
„… Nein…“
„Warum hat er dir diesmal geantwortet?“, fragte Fen Baihu und hob eine Augenbraue.
„… äh… aa-… uo…“, begann der Mann erneut, öffnete und schloss den Mund und gab Geräusche von sich.
Als sie sah, dass er versuchte, ihre Frage zu beantworten, platzte sie vor Frust heraus: „Halt die Klappe!“
„Haha, entspann dich, deine Kraft wirkt. Er ist nur langsam“, lächelte Wu Long und bestätigte seine Vermutung.
„Langsam?“
Der Mann zeigte wieder Anzeichen einer Reaktion, aber diesmal blieb sein Mund geschlossen und es kam kein Ton heraus.
„Mm, ich schätze, er kann komplexe Fragen und Befehle nicht verarbeiten. Oder besser gesagt, er hat keinen eigenen „Verstand“. Anders als bei deiner Verzauberungskraft, die die Leute einfach zu gehorsamen Versionen ihrer selbst gemacht hat, macht ihn die Unvollständigkeit eher zu einer Marionette, und zwar zu einer sehr langsamen.
Wenn die Frage zu vage ist oder wenn eine Information fehlt, um die Frage zu beantworten, hat er nicht die Intelligenz, um nachzufragen, sondern versucht trotzdem, etwas zu antworten, auch wenn es nur Geräusche sind. Aber selbst wenn er die Antwort auf eine Frage weiß, könnte es eine Grenze geben, was er antworten kann, obwohl das ungewiss ist.
Außerdem hat er deine Anweisung zu wörtlich genommen, sodass er jede Frage, die er hört, auch beantwortet. Jetzt kann er das aber nicht mehr, weil du ihm gesagt hast, er soll den Mund halten, und die beiden Befehle stehen im Widerspruch zueinander, deshalb ist er so“, erklärte Wu Long.
Während er sprach, senkte Fen Baihu den Kopf, ballte die Fäuste und sträubte das Fell an ihrem Schwanz. Ihr ganzer Körper zitterte leicht.
Die Umgebung bebte ebenfalls leicht.
Der alte Yen schluckte und trat mit blassem Gesicht ein paar Schritte zurück, während Hong Yue sofort alarmiert wurde und sich erneut anspannte.
„Wie demütigend … Ich kann nicht einmal einen einzigen Menschen richtig verzaubern …“, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen und leiser Stimme. Das Gesicht desjenigen, der sie verletzt und in diese Lage gebracht hatte, blitzte erneut vor ihrem inneren Auge auf.
„Ich verstehe deine Frustration und Wut. Aber es wird besser werden. Vor kurzem konntest du noch nicht einmal das. Nach einiger Zeit wirst du diese Fähigkeit wieder vollständig zurückerlangen und auch andere Fähigkeiten wiedererlangen. Außerdem reicht das für diese Aufgabe aus, also mach dir wegen dieses einen Mal keine Sorgen. Wir müssen nur einfache und direkte Fragen mit konkreten Angaben stellen“, sagte Wu Long in beruhigendem Ton, während sie sich allmählich entspannte und dann seufzte.
„Na gut … Ich schätze, wir müssen damit arbeiten …“, nickte sie niedergeschlagen und setzte ihre Zusammenarbeit mit Wu Long fort, um Informationen aus diesem Mann herauszubekommen.
Nach einem langen und ziemlich frustrierenden Verhör erfuhren sie, dass der Palast der Geheimnisse und der Obsidianmondpalast derzeit in diesem Sternengebiet in einem kleinen Konflikt standen und daher das gesamte Gebiet zwischen den beiden umstritten war. Da seine Denkweise jedoch so begrenzt war, konnten sie außer dieser Information nur noch erfahren, dass es in der Stadt der Eisernen Klauen eine Zweigstelle des Palasts der Geheimnisse gab.
Da sie eine Zeit lang nichts mehr aus ihm herausbekam, schickte sie ihn wieder in ihr Traumreich zurück.
„Puh … das war nervig“, seufzte Fen Baihu schwer.
Zu seiner Belustigung konnte Wu Long in Hong Yues Augen Zustimmung zu dieser Einschätzung erkennen, auch wenn sie still blieb. Es schien, als sei es auch frustrierend gewesen, diesem „Verhör“ nur von der Seite aus zuzusehen.
„Aber … dank dir haben wir trotzdem wertvolle Informationen erhalten“, sagte er mit einem Lächeln zu Fen Baihu und wandte sich dann an Old Yen: „Jetzt, da wir sicher sind, dass sie hier sind und es einen Streit gibt, haben wir mehr Optionen zur Verfügung.“
