Wu Long stand auf dem Trainingsplatz, Feng Yi nicht weit vor ihm, und starrte auf ein weit entferntes Ziel, das an einem großen Felsbrocken befestigt war. Ihr feuerrotes, welliges Haar war zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden, der vom Frühlingswind aufgeplustert wurde.
Der Bogen, den sie mit der linken Hand umklammerte, war nicht ihr alter Jagdbogen, sondern der neue, den Wu Long ihr kürzlich geschenkt hatte. Seine dunkelblaue Farbe war nur im Sonnenlicht zu sehen und betonte das ansonsten luxuriös anmutende schwarze Material.
Sie hielt den Bogen parallel zum Boden, legte mit einer anmutigen Bewegung langsam einen Pfeil ein, hob den Bogen in die vertikale Position und versuchte, ihn zu spannen. Als sie merkte, wie viel Kraft sie aufwenden musste, da sie ihn nicht einmal ein kleines bisschen zurückziehen konnte, weiteten sich ihre Augen.
„Nutze dein spirituelles Qi und leite es in den Bogen, du wirst Kanäle spüren, durch die es frei fließen kann“, sagte Wu Long.
Wu Long lachte leise, und als sie ihr spirituelles Qi in den Bogen fließen ließ, spürte sie bald, wie es durch bestimmte Bahnen darin strömte.
„Jetzt drück den Fluss durch …“
Er begann, ihr genaue Anweisungen zu geben, wie sie den Fluss des spirituellen Qi im Bogen steuern sollte, und als sie seinen Worten folgte, begann sich die Hand, mit der sie den Pfeil auf die Sehne zog, endlich zu bewegen.
„Ich … ist es …?“
„Mmm, du kannst kontrollieren, wie stark dein Schuss sein wird.“
Er nickte, als sie die enorme Kraft spürte, die sich in den Bogenarmen aufbaute.
Dann grinste sie, zog den Pfeil an ihre Wange, schloss das linke Auge und fokussierte mit dem rechten Auge, während sie zielte. Vor Anstrengung trat ihr eine Schweißperle an die Stirn.
„Hah, man kann einen Fisch wirklich nicht danach beurteilen, wie gut er auf Bäume klettern kann.“
Wu Longs Augen blitzten auf und verengten sich ein wenig bei diesem Anblick.
Mit einem scharfen *Zing* wurde der Pfeil losgelassen und zischte mit einem leisen *Wumm* durch die Luft, bis er das entfernte Ziel traf.
„Haha! Puh~! Volltreffer!“
Feng Yi sprang mit erhobener Faust in die Luft, da sie ziemlich nervös war, sich nicht zu blamieren.
Normalerweise war sie eine gute Schützin, aber dies war das erste Mal seit ihrem Kindheit, als ihr Vater ihr das Schießen beigebracht hatte, dass jemand ihr dabei zusah.
Ganz zu schweigen davon, dass dieser Jemand der Mann war, den sie liebte, also wollte sie natürlich ihr Bestes geben.
Als sie sich aufgeregt zu Wu Long umdrehte, weiteten sich ihre Augen vor Überraschung, als sein breites Lächeln von einem nachdenklichen Blick begleitet wurde.
„Mm, wenn du möchtest, schreibe ich dir eine Anleitung zum Üben auf und ein paar Techniken dazu.“
Er nickte, als sie leicht den Mund öffnete.
„Eh? Mit einem Schuss? Ich kann mehr …“
„Haha, du kannst, wenn du willst, aber ich hab schon eine Vorstellung davon.“
Er lachte die verwirrte Schönheit an.
„Du meinst …?“
„Mm, du hast Talent dafür. Und wenn du willst und hart arbeitest, könntest du eine großartige Bogenschützin werden.“
Ihre Augen wurden groß und funkelten vor Aufregung und tiefem Nachdenken.
Sie wusste, dass sie weniger talentiert war als die meisten seiner Frauen, da diese alle auf die eine oder andere Weise außergewöhnlich waren.
Und so war es kein Wunder, dass sie sich, auch wenn sie es nicht wollte und obwohl sie wusste, dass er sie nicht nach ihren Talenten oder Verdiensten bewertete, mit den anderen verglich und sich minderwertig fühlte.
Am deutlichsten spürte sie das, als Wu Long, Shen Min und sie ins Königreich Tingren aufbrachen, denn sie war das schwache Glied, das beschützt werden musste, und schränkte daher ihre Bewegungsfreiheit ein.
Feng Yi hasste es, eine Last zu sein und nichts für die Menschen zu tun, die sie liebte.
Es lag in ihrer Natur, mindestens so viel zu tun wie alle anderen, weshalb sie sich in der Vergangenheit der Armee des Fantian-Königreichs angeschlossen hatte und die Ränge durchlief, um schließlich neben ihren Brüdern als Kommandantin ihren Platz einzunehmen.
Und jetzt wollte sie vor allem Wu Long helfen und nicht nur tatenlos zusehen und alles annehmen.
Je mehr sie über die Herausforderungen erfuhr, die sie alle erwarteten, desto entschlossener wurde sie.
Seit ihrer Rückkehr aus dem Königreich Tingren nahm sie das Schwerttraining unter Ye Ling wieder auf.
Aber trotz des harten Trainings, das dieser ihr auferlegte, und trotz eines so unglaublichen Meisters, der sie anleitete, machte sie kaum Fortschritte. Selbst Ye Ling gab zu, dass sie selbst mit enormen Anstrengungen kaum mehr als eine durchschnittliche Schwertkämpferin werden würde.
Das trieb sie dazu, zumindest zu versuchen, Kenntnisse in der doppelten Kultivierung zu erwerben, was dazu führte, dass sie sich im Yin-Yang-Einheitspalast befand, als er dort ankam, auf der Suche nach Möglichkeiten, wie sie Wu Long mehr von ihrer Kultivierung profitieren lassen konnte.
Als sich nun eine neue Möglichkeit vor ihren Augen auftat, strahlten ihre Augen vor Aufregung und Hoffnung.
Sie hatte nur eine Sorge…
„Aber… ich habe die doppelte Kultivierung bereits zu meiner Hauptkultivierungsmethode gemacht…“
„Hahaha, keine Sorge, du musst deinen Kultivierungsweg nicht erneut ändern und deine Grundlagen umstrukturieren. Du kannst die Bogenschieß-Kultivierungsmethode als zusätzliche Methode verwenden.
Schau dir nur Ziyan an, sie ist durch und durch eine Doppelkultivierende, aber sie konzentriert sich auch auf eine Kampfart und verwendet die Handflächen- und Faust-Kultivierungsmethoden als zusätzliche Methoden.
Dabei steht sie den meisten in nichts nach, ja, sie ist sogar eine der Stärksten in unserer Dao-Familie nach Ling’er, Mengqi und Lan’er, wenn es um reine Kampfkraft geht, obwohl Rui’er und Min’er ihr dicht auf den Fersen sind.“
Wu Longs Erklärung beruhigte sie sofort, und sie nickte entschlossen.
„Dann … bitte.“
„Hahaha, natürlich. Ich werde es aufschreiben und dir später geben, aber du solltest schon mal mit dem Bogenschießen anfangen, auch wenn es nur dazu dient, dich daran zu gewöhnen, mit dem Bogen umzugehen.“
Er nickte, kam zu ihr und streichelte ihre Wange, während sie errötete.
„Oh, übrigens, nur für den Fall … Du hast gesagt, Bogenschützen können auch mächtig sein, richtig?“
Sie machte dann ein spielerisch schuldbewusstes Gesicht, ohne wirklich an seinen früheren Worten zu zweifeln, aber sie erinnerte sich noch daran, wie Bogenschützen auf den drei Kontinenten behandelt wurden.
„Hahaha, hier, ich zeig’s dir.“
Er lachte leise und streckte seine Hand aus, woraufhin sie ihm den Bogen gab.
