Die Erkenntnis, dass er in der Unterwelt angekommen war, schockierte Lenny total. Die dunkle, ätherische Landschaft, die sich endlos vor ihm ausbreitete, war total anders als die Welt, die er kannte. Es war ein Ort, der in Schatten gehüllt war und an dem die Gesetze der Realität auf unfassbare Weise zu brechen schienen.
Inmitten dieser surrealen Umgebung wanderten Lennys Gedanken zu den Runen auf seinem Körper.
Erinnerungen an die komplizierten Muster, die in seine Haut geritzt waren, überschwemmten seinen Geist. Glenn hatte in ihrem mutigen Versuch, ihn in Sicherheit zu bringen, die für die Teleportation verantwortlichen Raumrunen manipuliert. Der Vorgang war jedoch mit Schwierigkeiten verbunden gewesen – die Runen waren unvollständig, es fehlten wichtige Details, um das endgültige Ziel zu bestimmen.
Glenns schwindendes Bewusstsein hatte die Runen in einem fließenden Zustand zurückgelassen, sodass kein bestimmter Endpunkt für Lennys Teleportation festgelegt werden konnte.
Die Leere, die durch das gewaltsame Eindringen in diese andere Welt entstanden war, hatte wie ein unberechenbarer Kanal gewirkt und ihn ohne vorgegebene Koordinaten in die Unterwelt befördert.
Lenny rang mit den Folgen seiner unbeabsichtigten Ankunft in der Unterwelt. Die Struktur dieser Dimension schien sich seinem Verständnis zu entziehen, ein komplexes Gewebe aus geheimnisvoller Energie und schattenhaften Mysterien. Der zerrissene Schleier der Leere, durch den er unsanft gestoßen worden war, ließ ihn nun durch eine Weite navigieren, in der die Regeln der Existenz so schwer fassbar waren wie die Schatten, die seine Umgebung umhüllten.
Die unvollständigen Raumrunen waren sowohl Leuchtfeuer als auch Fluch geworden und führten ihn an einen Ort, den er sich nicht ausgesucht hatte. Die Unterwelt mit ihren rätselhaften Landschaften und verborgenen Geheimnissen wurde zur unfreiwilligen Bühne für seine weitere Reise.
In diesen stillen Momenten, als Lenny regungslos auf dem seltsamen, fremdartigen Boden der Unterwelt lag, wirkte die mächtige Essenz des Kerns der Urbestie weiter.
Eine sanfte, aber starke Heilkraft durchströmte Lennys Körper und stellte wieder her, was verloren war.
Sein Arm, der in dem heftigen Kampf abgetrennt worden war, regenerierte sich auf wundersame Weise innerhalb weniger Minuten. Das war ein Beweis für die unglaubliche Kraft, die im Kern des Urwesens steckte.
Während die körperliche Heilung voranschritt, versank Lenny in Gedanken. Die Berührung des Einladungssteins in seiner Hand erinnerte ihn schmerzlich an das Opfer, das Glenn gebracht hatte, der feurige und geheimnisvolle Hexer, der tapfer an seiner Seite gekämpft hatte. Der Edelstein, den er nun in seiner Handfläche hielt, war schwer von der Trauer, die sich in seinem Herzen festgesetzt hatte.
Für einen Moment ließ Lenny seine Wachsamkeit sinken und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Er hob den Edelstein auf Augenhöhe und der Anblick weckte eine komplexe Mischung aus Emotionen in ihm. Glenns Tod traf ihn tief und löste eine tiefe Traurigkeit aus, mit der er zu kämpfen hatte. Es war eine melancholische Erkenntnis, dass sie ihr Leben für ihn im Chaos der Schlacht gegeben hatte.
In den stillen Winkeln seines Geistes rang Lenny mit widersprüchlichen Gefühlen. Er hatte sich selbst davon überzeugt, dass er keine Liebe zulassen durfte, dass er Abstand nehmen musste, um die wachsende Zuneigung zu Glenn zu unterdrücken. Doch als ihn die Wellen der Trauer überrollten, konnte er die Bedeutung ihrer Anwesenheit in seinem Leben nicht leugnen.
Erinnerungen an Glenn tauchten auf, geprägt von ihrem auffälligen roten Haar und ihrem warmen Lächeln. Sie war eine einzigartige Seele, und obwohl ihre Wurzeln mit anderen Hexen verbunden waren, konnte Lenny sich der Tatsache nicht entziehen, dass sie im Grunde genommen zu ihm gehörte.
Diese Erkenntnis, die vielleicht tief in seinem Unterbewusstsein vergraben war, löste ein echtes Gefühl des Verlusts aus.
Lenny kämpfte mit seinen gemischten Gefühlen. War es der Verlust der Liebe, der an seinem Herzen zerrte, oder war es das Fehlen von etwas, das er einst als seinen Besitz angesehen hatte?
Diese Frage blieb unbeantwortet, als er die Augen schloss und die Erinnerungen und Emotionen in der stillen Weite der Unterwelt miteinander verschmelzen ließ.
In der rohen Ehrlichkeit dieses Moments sah sich Lenny mit der Komplexität menschlicher Beziehungen und den tiefgreifenden Auswirkungen konfrontiert, die ein Verlust auf das Geflecht seiner Erfahrungen haben konnte. Außerdem war er im Grunde seines Herzens immer noch ein Mensch aus Fleisch und Blut, wenn auch viel zäher als die meisten anderen, aber dennoch.
Während Lenny sich an das Gefühl von Glenns Haut unter seinen Fingerspitzen erinnerte, hallten ihre Bitten in seinen Gedanken nach.
Sie hatte ihn angefleht zu bleiben und ihm ein ruhiges Leben innerhalb der schützenden Grenzen ihres Reiches versprochen. Der Reiz eines so friedlichen Daseins schwächte für einen Moment seine Entschlossenheit.
Doch wie eine steigende Flut verdrängte eine stärkere Überzeugung schnell diese verlockende Vision. Vor seinem inneren Auge tauchte die imposante Gestalt von Cuban auf, seinem ehemaligen Meister und Mitglied der Asmodeus-Familie.
Eine kalte Erklärung hallte in Lennys Bewusstsein wider: „Familie Asmodeus, ihr habt mein Eigentum angetastet. Ich werde zurückkommen, um Rache zu nehmen.“ Lenny murmelte diese Worte mit einer so tiefen Intensität, dass sein Blut bei der Erkenntnis dieser Worte erzitterte.
Er hatte nicht von Rache an Cuban gesprochen, sondern an der gesamten Familie Asmodeus.
Während er so nachdachte, überkam ihn ein Gefühl der Dringlichkeit. Da bemerkte er, dass etwas mit dem Kern des Urwesens nicht stimmte. Eine beunruhigende Erkenntnis machte sich in ihm breit und veranlasste ihn, seine Aufmerksamkeit auf die rätselhafte Kraftquelle zu richten, die sich in seiner Hand befand.
Der Kern der Urbestie war der Kern eines mächtigen Großdämons. Doch direkt vor Lennys Augen flackerte er wie eine Glühbirne, die kurz davor war, durchzubrennen.
Irgendetwas stimmte hier definitiv nicht. Schließlich wusste Lenny, dass er mit der Kraft dieses Kerns allein problemlos in das Reich der Großdämonen gelangen und vielleicht sogar die vierte oder fünfte Stufe des Großdämonenranges erreichen könnte.
Dies war nicht irgendein Kern, sondern der Kern einer uralten Bestie mit Hunderttausenden von Jahren auf dem Buckel. Seine Energie war dicht und gut verdichtet. Es war definitiv nichts, was Lenny jemals zuvor gesehen hatte.
Doch direkt vor seinen Augen verlor es an Kraft.