Sarkina stand mitten im Chaos, ihre Flügel strahlten ein blendendes heiliges Licht aus, das wie Wellen über das Schlachtfeld pulsierte. Die untoten Leviathan-Dämonen, die immer noch unter der Qual des verbotenen Schatzes litten, waren machtlos gegen die Welle der Reinheit. Ihre verfaulten, furchterregenden Gestalten zerfielen, als das Licht sie umhüllte, ihre Körper verwandelten sich in Asche und zerstreuten sich in der Leere.
„Ehre sei Luzifer, dem Morgenstern!“, rief Sarkina voller Freude, und ihre Stimme hallte über die Weite. „Er, der uns Licht gab, er, der uns Stärke gab! Seht die Großartigkeit seines Willens!“
Serathion landete neben ihr, seine Rüstung war versengt, aber intakt. Er sah der Asche nach, wie sie im Wind verwehte, und sprach vorsichtig. „Lady Sarkina, sind sie … wirklich verschwunden?“
Sarkinas violette Augen leuchteten vor Eifer, als sie sich zu ihm umdrehte. „Weg? In gewisser Weise, ja. Aber den wahren Tod können sie sich nicht leisten. Der Untod bindet ihre Existenz an Leiden, einen endlosen Kreislauf der Qual. Solange die verbotenen Schätze unberührt bleiben, werden ihre zersplitterten Seelen niemals die Kraft haben, sich wieder zu vereinen. Sie sind jetzt nichts mehr – Schatten ohne Gestalt, Staub ohne Zweck.“
Serathion nickte respektvoll, obwohl seine Miene Unbehagen verriet.
Sarkina hob triumphierend das Gefäß und ihr Lächeln wurde fast schon raubtierhaft. „Im Namen Luzifers befehle ich euch allen: Stürzt hinab und erobert diese Ebene für unseren Herrn! Lasst euch von niemandem aufhalten!“
Ein kollektives Brüllen erhob sich von den verbliebenen gefallenen Engeln, die ihre weißen Flügel ausbreiteten und sich in einer straffen und präzisen Formation nach unten stürzten. Serathion übernahm die Führung, seine sechs Flügel zerschnitten die Atmosphäre wie Klingen.
Sarkina blieb einen Moment lang zurück und folgte mit ihren Augen der herabstürzenden Legion. Dann, als sie in der sich verdichtenden Luft verschwanden, huschte ein verschmitztes Lächeln über ihre Lippen. Ohne ein Wort zu sagen, drehte sie sich um und stieg zurück in die Weiten des Weltraums auf, ohne dass ihre Kameraden ihre Bewegung bemerkten.
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Weit unten, auf der Oberfläche der umkämpften Ebene, stand Athena schweigend inmitten der Überreste der Schlacht.
Obwohl sie blind war, schienen ihre leuchtenden Augen die Schichten der Realität zu durchdringen. Sie neigte den Kopf nach oben, ihr Gesichtsausdruck war ruhig, aber ernst.
„Sie kommen“, sagte sie mit leiser, aber bestimmter Stimme.
Moranda, der inmitten des Chaos der rebellierenden Teufel stand, sah sie verwirrt an. An seiner Klinge klebte noch das Blut aus dem vorangegangenen Kampf. „Wer kommt? Wovon redest du?“
Athena blieb regungslos stehen, ihre strahlende Präsenz unerschütterlich. „Die gefallenen Engel. Sie kommen herab – wie Sterne, die sich auf die Erde stürzen.“
Moranda blinzelte zum Himmel hinauf und tatsächlich konnte er die schimmernden Lichter sehen, die in Formation herabfielen. Er umklammerte sein Schwert fester und machte sich bereit. „Dann kämpfen wir. Lass sie kommen, sie werden fallen wie die anderen.“
„Nein“, sagte Athena entschlossen und ging schon auf das Portal zu, das ein paar Schritte entfernt schimmerte. Ihre Schritte waren anmutig, aber entschlossen, ihre Energie forderte Aufmerksamkeit. „Wir gehen.“
Moranda runzelte die Stirn und protestierte laut. „Was? Wir können nicht einfach gehen! Das ist das Herz der Ebene! Wenn wir es aufgeben, werden sie es sich nehmen!“
Sie hielt nicht inne, sah sich nicht um. „Genau“, sagte sie nur.
Das Gewicht ihrer Worte ließ ihn innehalten. Er eilte ihr hinterher, Verwirrung und Frustration in seiner Stimme. „Was meinst du damit, genau? Das ist nicht irgendeine Ebene. Warum sollten wir sie ihnen schenken?“
Athena trat in das wirbelnde Licht des Portals, blieb aber gerade lange genug stehen, um den Kopf leicht zu drehen, wobei ihr goldener Schein ein leichtes Grinsen erhellte. „Wir konnten diesen Kampf nie gewinnen. Nicht hier. Vertrau mir, Moranda. Es geht um etwas Größeres.“
Moranda starrte ihr nach, während sie sich entfernte, und seine Gedanken rasten.
Die Dämonen hinter ihm rissen sich immer noch gegenseitig in Stücke, Chaos und Blut erfüllten die Luft. Er blickte ein letztes Mal zu den herabsteigenden Engeln hinauf, deren Licht immer näher und heller wurde. Es hatte keinen Sinn zu bleiben; selbst mit seiner Kraft konnte er sich der Legion nicht allein stellen.
Mit einem widerwilligen Seufzer drehte er sich um und folgte Athena in das Portal, dessen schimmernde Tür sich hinter ihnen schloss, gerade als der erste der gefallenen Engel die Oberfläche durchbrach.
Das Schlachtfeld, das sie hinter sich ließen, versank in einem anderen Chaos, aber das ging sie nichts mehr an.
In der dunklen Weite der Hölle schimmerte das Portal und verschwand hinter Athena und Moranda. Die drückende Luft der Höllenwelt war schwer von Hitze und dem Flüstern gequälter Seelen. Als die beiden schweigend dastanden, ertönte aus dem Nichts eine Stimme, tief und gebieterisch, die das Gewicht unermesslicher Macht in sich trug.
„Viele meiner Kinder wurden für deinen Plan geopfert. Bist du sicher, dass er funktionieren wird?“
Die Worte ließen Moranda einen Schauer über den Rücken laufen. Instinktiv griff er nach seinem Schwert, aber er wusste, dass es gegen die Quelle der Stimme sinnlos war. Sein Herz pochte, als er sich umsah, aber er konnte niemanden entdecken.
Athena blieb aber ganz ruhig, ihr Gesicht zeigte keine Regung. Sie seufzte und schaute mit blindem Blick in eine leere Ecke der Höhle. „Hoffen wir es, Lord Leviathan.“
Da, wo sie hinschaute, war niemand, nur die endlosen Schatten der Höllenarchitektur. Doch schon die Erwähnung von Leviathans Namen reichte aus, um Moranda Angst einzujagen. Er erstarrte, seine umgedrehten Augen weit aufgerissen, als ihm klar wurde, wer gemeint war.
Leviathan … der Herr der königlichen Dämonen von Leviathan. Ein Abendstern …
Das Gewicht seines Titels war erdrückend. Moranda konnte die Kälte, die ihn durchfuhr, nicht unterdrücken. Er warf einen Blick auf Athena, deren Gesichtsausdruck stoisch und berechnend war. Ihre Ruhe verunsicherte ihn noch mehr. Was für ein Spiel spielte sie, das ein so uraltes und mächtiges Wesen wie Leviathan mit einbezog?
Bevor er fragen konnte, machte sich eine weitere Präsenz bemerkbar. Virgil, die geisterhafte Gestalt, die Athena als rechte Hand diente, schwebte dicht neben ihr. Seine durchscheinende Gestalt schien zu flimmern, als er sprach. „Die Voidlings berichten, dass die gefallenen Engel die Ebene erreicht haben“, sagte Virgil mit eiskalter, monotoner Stimme.
Athena nickte langsam. „Gut. Jetzt beende es.“
Virgil verschwand augenblicklich, und fast unmittelbar danach ertönte ein Geräusch, das man noch nie zuvor gehört hatte. Es war ein Schrei – lang, traurig und voller Qual. Seine Essenz durchzuckte die Seelenreiche, ein verheerender Schrei, der tiefe Trauer und Schmerz in sich trug.
Moranda taumelte und hielt sich den Kopf, während der Schall durch seinen Schädel vibrierte. Überall im Kosmos fielen schwächere Wesen zu Boden und husteten Blut, als der Schrei ihre Seelen zeriss. Selbst Moranda, ein Teufel unter Teufeln, spürte, wie sein Geist von der Wucht des Schreis erdrückt wurde.
„Was … war das?“, fragte er, seine Stimme kaum hörbar über seinem rasenden Herzschlag.
Athena seufzte tief, als wäre der Schall unvermeidlich gewesen.
„Das“, sagte sie mit ruhiger, aber entschlossener Stimme, „war der schmerzhafte Schrei einer Primärwelt, die ihr Leben verloren hat.“
Morandas Körper versteifte sich, als seine Augen vor Entsetzen weit aufgerissen waren. „Du … du hast sie zerstört?“, flüsterte er mit zitternder Stimme, ungläubig. „Hast du gerade eine der neun Primärwelten zerstört, die vom Einen über allem gesegnet wurden?“
Athena zuckte nicht mit der Wimper. Sie nickte, ihr Gesicht ohne Reue, ihre strahlenden Augen leuchteten immer noch schwach.
Die Erkenntnis traf Moranda wie ein Schlag. Seine Knie gaben fast nach, als er einen Schritt zurücktrat. „Du … wolltest die Ebene nie, oder?“, fragte er, seine Stimme eine Mischung aus Schock und Vorwurf.
Athena drehte ihren Kopf zu ihm, ihr Gesichtsausdruck unlesbar. „Nein. Das Flugzeug war nie der Preis.“
Morandas Gedanken rasten. Die Teile des Puzzles fügten sich langsam zusammen. „Es war … eine Falle“, sagte er langsam, seine Stimme voller beginnender Erkenntnis. „Die gefallenen Engel …“
„… sind weg“, unterbrach Athena ihn. Ihre Stimme klang sachlich, als würde sie etwas so Einfaches wie das Wetter beschreiben. „Die Seele einer Primärwelt hat göttliche Macht. Die Art von Macht, die sogar göttlichen Wesen den wahren Tod bringt … schade. Der Morgenstern war nicht wegen der Primärwelt gekommen. Ich habe wohl seine Machtgier überschätzt.“ Sie biss sich auf die Zunge.
Moranda stand wie erstarrt da, seine Gedanken kreisten.
Das Ausmaß ihrer Tat, ihre Dreistigkeit, waren unfassbar.
Die gefallenen Engel waren in eine Falle gelockt worden, ihre Hybris und ihr Ehrgeiz hatten sie in einen Untergang geführt, dem sie nicht entkommen konnten. Die Seele der Ebene war als Waffe eingesetzt worden, ihre Zerstörung bedeutete das Ende ihrer Existenz.
Aber Athena war nicht einmal hinter ihnen her gewesen, sondern hinter ihrem Meister. Und sie bedauerte sogar, dass sie Lucifer Morningstar nicht töten konnte.
Die Übernahme dieses Flugzeugs war harte Arbeit für die Teufel gewesen. Morsnda hatte die 665 Teufel, die die Kelchträger waren, gegen die königliche Familie der Völlerei um dieses Flugzeug angeführt.
Sie hatten lange geplant und sogar arkane Dämonen, die Fürstentümer waren, besiegt. Aber natürlich fehlte die Macht, die wirklich zählte. Andererseits spielte das keine Rolle, da sie gewonnen hatten.
Jeder wusste, wie wertvoll eine Primär-Ebene war. Und er hatte gedacht, dass die Höllenmutter sich damit krönen wollte. Aber er hatte ihre Boshaftigkeit unterschätzt.
Was Moranda nicht wusste, war, dass das alles Athenas Plan war.
Athena wandte sich ab und ging mit bedächtigen Schritten tiefer in die Hölle hinein. „Komm, Moranda. Es gibt noch viel zu tun“, sagte sie mit ihrer gewohnt ruhigen Stimme.
Moranda zögerte und starrte auf die Stelle, an der sie gestanden hatte. Das Gewicht ihrer Taten – und deren Folgen – lastete schwer in der Luft. Was auch immer Athena vorhatte, es war noch lange nicht vorbei. Er schluckte schwer. Diese Frau hatte sich in den letzten hundert Jahren wirklich verändert.
Er folgte ihr in die höllischen Tiefen.