Lennys Seele schwebte in der endlosen Weite der Leere, einem Ort jenseits der Existenz. Es war weder kalt noch heiß, es war einfach nur *Nichts*. Trotzdem war er schmerzlich wach und nahm jede Sekunde wahr, die sich in die Ewigkeit zog. Sein Körper war weg – er hatte ihn zerstört. Seine einst mächtige Seele, jetzt nur noch ein blasser Schatten ihrer selbst, trieb ziellos umher und zerfiel langsam wie Sand im Wind.
Die Leere verschlang ihn vollständig, und er konnte spüren, wie sie an ihm nagte, Stück für Stück, und seine Seele in Fragmente zerfiel. Die Errungenschaften, die Kämpfe, die Siege, alles war verloren. Er hatte alles geopfert, um Luzifer aufzuhalten. Die Macht des Satan-Systems, die seine Waffe gewesen war, war ihm verloren gegangen. In seiner Trotzhaltung hatte er dem Morgenstern die Chance verwehrt, seine Seele zu verschlingen, und damit sichergestellt, dass Luzifer nie wieder seine volle Stärke erlangen würde.
Aber der Preis war hoch gewesen. Jetzt war Lenny allein. Leer. Er war in jeder Hinsicht *tot*.
Zeit hatte hier keine Bedeutung. Er trieb umher, was ihm wie eine Ewigkeit vorkam, sein Bewusstsein schwankte wie die flackernde Flamme einer erlöschenden Kerze. Seine Erinnerungen waren seine einzige Gesellschaft, aber sie waren nicht freundlich.
Einige waren zu Albträumen verzerrt – quälende Visionen vergangener Fehler und Schrecken, die für einen sterblichen Geist zu groß waren. Aber Lenny? Er war jetzt eher ein Zuschauer, der diese Erinnerungen beobachtete, als gehörten sie jemand anderem, zu leer, um Angst zu empfinden, zu müde, um sich darum zu kümmern.
Und doch, inmitten des Chaos seines verblassenden Verstandes, gab es einen seltsamen Trost, ein Lied, das ihn berührte. Es war leise, fast wie ein Wiegenlied, und es war alles, was ihn an das wenige band, was von ihm übrig war. Die Melodie rührte etwas Tiefes in ihm – eine längst vergessene Erinnerung.
Es war dasselbe Lied, das Lilith, seine leibliche Mutter, ihm einst zugeflüstert hatte, als er noch in ihrem Bauch war. Ihre Stimme, sanft und traurig, floss durch die Leere und erreichte seine zerfetzte Seele wie die Umarmung einer alten Freundin. In diesem Moment erinnerte sich Lenny daran, wer er wirklich war, nicht nur der Krieger, der er geworden war, sondern das Kind, das verlassen worden war, der Sohn der Dunkelheit und des Lichts.
Aber selbst das Lied konnte das Unvermeidliche nicht aufhalten. Seine Seele schrumpfte und löste sich Faden für Faden auf. Seine Beine waren bereits verschwunden, aufgelöst in Nichts, und jetzt blieben nur noch sein Oberkörper und sein Kopf übrig, die schwach in der riesigen Leere flackerten. Er stand am Rande der Vergessenheit, balancierte am Abgrund der Nicht-Existenz.
Gerade als er vollständig verschwinden wollte, bebte die Leere.
In der Ferne erschien ein Licht – zunächst nur ein kleiner Punkt, der jedoch immer größer wurde und die Leere mit seiner Präsenz füllte. Lenny, der kaum noch bei Bewusstsein war, blinzelte in das näher kommende Licht. Es war gigantisch, ein hoch aufragendes Rad, das sich langsam durch die Dunkelheit drehte. Die eine Hälfte strahlte ein blendendes Licht aus, rein und unerbittlich, während die andere Hälfte in tiefer, undurchdringlicher Dunkelheit lag.
Das war keine gewöhnliche Vision. Es war das Rad des Todes und der Wiedergeburt.
Das Rad ragte über ihm auf, seine schiere Größe war atemberaubend, wie eine kosmische Kraft, die seit Anbeginn der Zeit existierte. Während es sich drehte, sprühten Energiebögen aus dem Licht und der Dunkelheit und verschmolzen zu einem ewigen Tanz von Leben und Tod. Seine Kraft war absolut und zog Lenny mit einer unwiderstehlichen Anziehungskraft an, wie die Schwerkraft selbst.
Als das Rad näher kam, konnte Lenny seine immense Kraft spüren, die ihn anzog und seine Seele in seinen Kern saugte. Er hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren. Seine Augen flatterten vor Erschöpfung, und er nahm die komplizierten Muster des riesigen Rades, das sich vor ihm drehte, kaum noch wahr. Licht und Schatten verwoben sich wie Schicksalsfäden, und er fühlte, wie er in das Zentrum des Rades gezogen wurde.
Mit einem letzten Atemzug schloss Lenny die Augen und ergab sich dem Unvermeidlichen.
Das Letzte, was er sah, bevor die Dunkelheit ihn umhüllte, war das strahlende Licht des Rades, das ihn vollständig einhüllte. Für einen kurzen Moment spürte er die Wärme der Wiedergeburt in seiner Seele, dann verblasste alles, als sein Bewusstsein in den Schlaf glitt.
Die Leere wurde wieder still, aber irgendwo, tief im Gewebe des Kosmos, drehte sich das Rad weiter, und Lennys Geschichte war noch lange nicht zu Ende …
………….
Als Lenny das nächste Mal die Augen öffnete, war alles neblig. Er sah alles verschwommen und sein Körper fühlte sich schwer, schwach und verletzlich an, als wäre es nicht sein eigener. Er versuchte sich zu bewegen, aber seine Gliedmaßen gehorchten ihm nicht, und Wellen der Erschöpfung ließen ihn immer wieder einschlafen. Aber selbst durch den Nebel seines Bewusstseins konnte er sie hören – Stimmen. Zuerst ganz leise, wie Flüstern, das im Nebel verhallte.
Es waren Männer und Frauen, die sprachen, ihre Stimmen klangen warm und fröhlich. Worte drangen in sein Bewusstsein.
„Herzlichen Glückwunsch an das Paar“, sagte eine Stimme leise.
„Schau mal, wie schön er ist!“, fügte eine andere liebevoll hinzu.
Lennys Gedanken waren durcheinander, er versuchte verzweifelt, zu begreifen, was vor sich ging. Er konnte nicht klar sehen, sein Geist schwebte zwischen der Realität und einem überwältigenden Gefühl der Verwirrung.
Doch inmitten des Nebels regte sich ein Funken Instinkt in ihm. Etwas Tiefes, Ursprüngliches – Vertrautes. Mit einer Anstrengung, die sich anfühlte, als würde er aus seinem Innersten schöpfen, rief er Kräfte aus seinem Inneren hervor, so wie er es schon unzählige Male zuvor getan hatte.
Plötzlich wurde sein Blick klar. Der Nebel lichtete sich und er blickte zu einer Frau auf, die ihn sanft in ihren Armen wiegte.
Sie stillte ihn, bot ihm ihre Brust an, und er spürte, wie die warme Milch in ihn floss. Sein Körper … er war klein. Winzig sogar. Mit einem Ruck wurde ihm klar, dass er ein Baby war. Sein Herz pochte vor Verwirrung. Die Frau sah ihn mit sanften, liebevollen Augen an, und neben ihr stand ein Mann – eine Gestalt, die Lenny in panische Angst versetzte.
Der Mann hatte eine lange Narbe, die über eine Seite seines Gesichts verlief und sein Auge kreuzte, das für immer blind war. Lennys Atem stockte. Sein Puls beschleunigte sich, und er konnte kaum glauben, was er sah. Er kannte dieses Gesicht. Er kannte diese Narbe. Es war Luca, sein eigener Sohn, der da stand.
Panik überkam ihn. Die Erkenntnis traf ihn wie eine Flutwelle – er war wiedergeboren worden.
Er war nicht nur wiedergeboren, sondern als Kind seines eigenen Sohnes zurückgekommen. Die Frau, die ihn stillte und ihn so sanft hielt, war Allison – seine Schwiegertochter und auch seine Frau in einer anderen Zeitlinie, bevor er die Zeit zurückgedreht hatte.
Sein Verstand schrie vor Schock, aber sein kindlicher Körper war zu schwach, um zu reagieren, sich zu bewegen oder zu sprechen.
Lenny hatte dem Tod ins Auge gesehen, der Leere, dem Rad der Wiedergeburt, aber nie in all seinen Begegnungen mit dem Schicksal hätte er sich das vorstellen können – ein verdrehtes, ironisches Schicksal. Er war der Sohn von Luca geworden, genau der Sohn, den er mit seinen eigenen Händen getötet hatte.
Das Schicksal spielte wirklich mit ihm…
(Anmerkung des Autors: Das Ende eines weiteren Bandes)