Lamastu drehte sich zu Naamah um, ihre Stimme kalt und ruhig: „Ist es bereit?“
Naamahs Lippen verzogen sich zu einem eiskalten Lächeln. „Es ist bereit.“
Ohne zu zögern trat Naamah vor, ihre blinden Augen leuchteten mit einem unheimlichen dunklen Licht. Die Luft um sie herum schien zu wogen, als würde die Realität selbst sich ihrem Willen beugen.
Runen, uralte und mächtige Zeichen, strömten aus ihrer Haut wie lebende Ströme von Magie, obwohl sie keine waren. Sie verdrehten sich und wirbelten auf, stiegen in die Luft und bildeten komplizierte Muster, die von einer bösartigen Kraft summten. Ihre Stimme hallte über das Schlachtfeld, voll und befehlend, als würde sie einen Zauberspruch aus den tiefsten Abgründen rezitieren.
Ihre Worte waren nicht für sterbliche Ohren bestimmt – sie hallten in den Grundfesten der Welt wider. So war die Macht einer Person, die vom Baum der Erkenntnis genährt worden war.
Und dann passierte es: Eine Welle der Dunkelheit überflutete das Schlachtfeld. Es war nicht nur ein Mangel an Licht – es war etwas viel Schlimmeres. Jeder Mann, jede Frau, jeder Dämon und jedes Tier spürte es. Es war, als wären ihre Seelen von Naamahs Zauber berührt worden.
Ihre Augen weiteten sich, ihre Sicht verschwand, aber es war keine Blindheit, wie sie sie kannten. Nicht einmal so harmlos wie das, was Lenny zuvor widerfahren war.
Es war etwas viel Tiefgreifenderes – eine Blindheit, die tief in ihr Innerstes drang und den Kern ihrer Existenz vergiftete.
Dies war das blendende Gesetz des Nichtlebens.
Einer nach dem anderen brachen alle auf dem Schlachtfeld zusammen – Krieger, Monster, Dämonen und Kreaturen der Hölle.
Ihre Seelen waren von einer unheilbaren Blindheit befallen, die nicht nur zum Verlust des Augenlichts führte, sondern zum Verlust des Lebens selbst. Ihre Körper fielen wie Marionetten mit durchtrennten Fäden zu Boden und zerfielen, als der Tod sie alle holte. Ihre Augen waren zwar offen, aber leer, sie sahen nichts, und auch ihre Seelen waren erblindet, ausgelöscht in einer dunklen Leere ewiger Vergessenheit.
Es herrschte Stille, als hätte die Welt selbst den Atem angehalten.
Doch kurz bevor der tödliche Zauber seine volle Wirkung entfaltete, bemerkte Lenny eine Veränderung in der Luft und spürte, wie die Realität um ihn herum dichter wurde, als Naamahs Kraft ihren Höhepunkt erreichte. Seine Instinkte schrien ihn an, kombiniert mit den wütenden Warnsignalen des Satan-Systems, die ihn zum Handeln drängten.
Ohne zu zögern sprang er in die Luft und packte die nächste Verbündete – Tomato, die Teufelin – gerade als die Runen den letzten Teil des Zaubers entzündeten.
Mit einer fließenden Bewegung beschwor Lenny sein halb-arkanes Reich, *Bloodhouse*. Blutrote Energie explodierte aus ihm heraus und bildete eine Barriere um ihn und Tomato. Das Reich flackerte zum Leben, eine verdrehte Struktur aus wirbelndem Blut und Tod, die sie vor der bevorstehenden Welle der Zerstörung schützte.
Das Reich schloss sich, gerade als der Zauber beendet war.
Innerhalb von „Bloodhouse“ konnte Lenny den Druck von Naamahs Gesetz spüren, das versuchte, durchzudringen und an seiner Domäne zu zerren, aber seine Kraft hielt stand.
Das Gefühl von Blindheit und Tod schlich sich an den Rändern seines Bewusstseins heran, aber es konnte die Sicherheit seines blutgetränkten Reiches nicht durchdringen. Lenny biss die Zähne zusammen, Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, während er darum kämpfte, die Integrität der Domäne aufrechtzuerhalten.
Dieser hier war stark. Er konnte erkennen, dass er sehr lange vorbereitet worden war, nicht nur Tage, sondern mindestens ein paar Jahre. Nein, sogar noch länger. Er war so stark, dass dieser Zauber wahrscheinlich Hunderte von Jahren vorbereitet worden war.
Als er schließlich die Domäne aufgab und die schützende Energie zerstreute, bot sich ihm ein Bild der völligen Verwüstung.
Überall um ihn herum lagen Leichen auf dem Boden. Was einst ein chaotisches Schlachtfeld voller Leben gewesen war – ob Menschen, Dämonen oder Bestien – war jetzt eine Ödnis der Toten. Der Gestank des Todes war erstickend. Er warf einen Blick auf Tomato, die immer noch in seinem Griff war, ihr Körper angespannt, aber unverletzt. Sie blinzelte, ihre scharfen Augen suchten die Zerstörung ab, ihr Gesichtsausdruck war hart wie Stein.
Aber was Lenny am meisten schockierte, war der Anblick von Cena, der Großen Dämonin, die einst an seiner Seite gestanden hatte. Cena, mit all ihrer Kraft und Macht, hatte dem Blendenden Gesetz nicht entkommen können. Ihr lebloser Körper lag ausgestreckt auf dem blutgetränkten Boden. Ihre einst mächtige Präsenz war zu einer kalten Hülle geworden.
Lennys Herz pochte. Das war nicht nur ein Kampf, das war eine Hinrichtung. Freunde und Feinde waren gleichermaßen gefallen. Selbst die mächtigen Dämonen-Kommandanten unter den Frauen, die Legionen befehligt hatten, waren nichts vor Naamahs furchterregendem Gesetz und ihrem unparteiischen Urteil, Werkzeuge, die entsorgt worden waren.
Die Macht, die Naamah entfesselt hatte, war nicht einfach nur der Tod – es war etwas viel Schrecklicheres.
Blindheit, die die Existenz auslöschte. Es war, als wäre das Konzept des Lebens selbst aus der Welt getilgt worden und hätte nur Leere und Stille hinterlassen.
Lennys Augen verdunkelten sich, als er die Szene überblickte, während sein Verstand noch versuchte, das Ausmaß des Geschehens zu begreifen.
Dies war eine Kraft, die sich dem Leben selbst widersetzte, ein kaltes, unaufhaltsames Gesetz, das alles Existierende vernichten konnte.
Er atmete langsam und bedächtig, während er das ganze Ausmaß der Zerstörung um sich herum in sich aufnahm. Er hatte nur überlebt, weil die semi-arcane Domäne eine Taschendimension in einer Ebene war. Das bedeutete, dass er und Tomato für diese wenigen Sekunden diesen Ort verlassen hatten und nicht mehr an dessen Regeln gebunden waren. Aber es würde offensichtlich noch mehr kommen.
Lenny stand inmitten des Gemetzels, sein Atem beruhigte sich, als sein Blick zu den beiden Schwestern wanderte.
Naamahs leises Kichern durchbrach plötzlich die Stille und hallte unheilvoll in der leblosen Weite wider.
„Du hast überlebt“, sagte sie mit fast spielerischem Tonfall, während ihre blinden Augen immer noch mit diesem unheimlichen dunklen Licht glänzten. „Das zeigt, dass du kein gewöhnlicher Mensch bist.“
Ihre Hand leuchtete, während sie sprach, und Lennys Blick folgte der Lichtquelle. In ihrer Hand hielt sie etwas erschreckend Vertrautes – eine leuchtende Masse aus wirbelnder Energie. Als Lenny genauer hinsah, erkannte er, dass es sich um keine gewöhnliche Kraft handelte. Das wirbelnde Licht war durchdrungen von der Essenz allen Lebens, das auf dem Schlachtfeld ausgelöscht worden war, angezogen wie Treibstoff für eine unnatürliche Kraft.
Lennys Augen verengten sich. Er erkannte das kränklich grün-schwarze Leuchten – er hatte es schon einmal gesehen. Eine Seite. Sein Herz schlug schneller, als die Erinnerung zurückkam. Nachdem er diese anstrengende Nacht mit den Schwestern verbracht hatte, hatte er in Naamahs Zimmer eine Seite entdeckt. Sie stammte aus dem Buch des Todes, diesem Relikt von unvorstellbarer Macht.
Diese Seite hielt Naamah jetzt in der Hand, leuchtend vom Leben all derer, die um sie herum umgekommen waren. Sie hatte jeden Atemzug, jede Seele, alles Leben selbst in sich aufgenommen.
Naamahs Lächeln wurde breiter, als sie sich leicht zu ihrer Schwester umdrehte. „Du bist dran, Schwester“, sagte sie mit einer Stimme, die vor Zufriedenheit triefte.
Lamastu nickte wortlos und trat vor. In ihrer Hand hielt sie ihren smaragdgrünen Stab hoch, dessen grüner Kristall an der Spitze intensiv leuchtete. Lennys Augen folgten der Bewegung und beobachteten gespannt, wie sie ihn zum Himmel hob. Die Spannung in der Luft verdichtete sich, als sie den Stab auf den Boden schlug.
In dem Moment, als der Kristall zerbrach, passierte etwas Unglaubliches.
Lamastus Körper begann sich zu verändern und zu verzerren.
Ihre zuvor schlanke, feminine Gestalt verwandelte sich in etwas Monströses. Muskeln wölbten sich unter ihrer Haut, schwollen an und dehnten sich aus, während ihr Kleid an den Nähten zerriss. Ihre schlanke Gestalt verwandelte sich, ihre Oberschenkel wurden dick und kraftvoll, ihre Arme schwollen an, bis sie wie die Gliedmaßen einer Bestie aussahen. Der Stoff ihres Kleides fiel in Fetzen von ihr, während ihr Rücken breiter wurde und grotesk hervortretende Adern über ihre Haut pulsierten und vor roher, überirdischer Energie strotzten.
Unter ihrer Haut konnte Lenny dunkle Runen sehen, die sich wie fließende Flüsse aus Magie bewegten und vor Leben und Tod pulsierten. Ihr einst menschlicher Körper war jetzt etwas viel Furchterregenderes – eine hoch aufragende Masse aus Muskeln und unheiliger Kraft, von Adern durchzogen und monströs, aber dennoch unverkennbar Lamastu. Ihre Verwandlung war abgeschlossen, und sie hob den Kopf und fixierte Lenny mit ihren jetzt wilden Augen.
Wenn Naamahs Gesetze mit Blindheit verbunden waren, dann war Lamastu Stärke, und deshalb war sie zuvor in der Lage gewesen, Steal so zu schlagen, wie sie es getan hatte.
Dies war das Gesetz der MUSKELN.
„Gib mir die Kugel … oder stirb“, knurrte sie mit rauer, befehlender Stimme.
Lenny runzelte die Stirn, die Schwere der Situation lastete auf ihm wie ein Gewicht. Instinktiv spannten sich seine Muskeln an. Die Kugel, von der sie sprach, befand sich in einer Tasche an seiner Seite.
„Nein“, antwortete er, das Wort glitt wie eine Klinge von seinen Lippen und durchschnitten die angespannte Atmosphäre.
In einem Augenblick veränderte sich die Luft um ihn herum. Lamastu bewegte sich mit einer Geschwindigkeit, die ihrer Größe widersprach – bevor Lenny richtig reagieren konnte, war sie schon über ihm. Ihre massive Faust schlug mit der Wucht eines Donnerschlags auf ihn ein. Lenny schaffte es gerade noch, seinen Arm zur Abwehr hochzureißen, aber der Aufprall war verheerend.
Der Schlag traf ihn wie ein Vorschlaghammer. Er spürte, wie die Knochen in seinem Arm mit einem widerlichen Knacken zerbrachen, und das Geräusch hallte in seinem ganzen Körper wider. Schmerz durchzuckte ihn, weißglühend und blendend, und vor Schock verschwamm seine Sicht für einen Moment. Die Wucht des Schlags schleuderte ihn nach hinten, seine Füße berührten kaum noch den Boden, als er durch die Luft flog.
Sein Körper schlug auf den Boden auf und rutschte über das blutgetränkte Schlachtfeld.
Er rang nach Luft und biss die Zähne zusammen, um den Schmerz zu ertragen, der jetzt gnadenlos in seinem gebrochenen Arm pochte. Aber selbst durch den Schleier der Qual konnte er Lamastu sehen, die hoch über ihm stand und wie ein dunkler Titan über ihm aufragte.
Sie war nicht nur schnell – sie war unaufhaltsam. Und dann kam eine Tracht Prügel, als wollte sie den Saft aus einer Schüssel Trauben schlagen.