Als Athena sich dem Teich näherte, spürte sie den bedrückenden Blick des Cerberus, obwohl seine Augen halb geschlossen waren und er ihre Anwesenheit scheinbar nicht bemerkte.
Das hoch aufragende Tier mit seinen drei massiven Köpfen betrachtete sie wie eine Ameise, unbedeutend und seiner Aufmerksamkeit kaum würdig. Doch als sie näher kam, öffnete sich träge eines seiner riesigen Augen, aus dem ein tiefer, höllischer Glanz strahlte. Der Cerberus bewegte sich leicht, seine kolossale Gestalt raschelte, während er die winzige Gestalt betrachtete, die sich dem versiegelten Teich näherte.
Bevor sie ihr Höllenbaby, das jetzt A47 hieß, zurückließ, wandte sich Athena an Virgil, ihre Stimme klang unsicher. „Ist es möglich, durch die Ritzen im Skelettsiegel zu schlüpfen?“
Virgil schüttelte den Kopf, sein Gesichtsausdruck war ernst. „Nein, das Siegel ist undurchdringlich. Die einzige Möglichkeit, Lilith zu befreien, besteht darin, das Abortierte Blut mit dem Blut eines Lebenden zu verunreinigen.
Ein einziger Tropfen deines Blutes in diesem Teich, und Lilith wird frei sein.“
Athena warf einen Blick auf den Cerberus, dessen massive Kiefer sie im Handumdrehen zerquetschen konnten und dessen Körper eine lebende Festung war, die den Teich mit einer fast beiläufigen Bedrohung bewachte. Sie kannte das Risiko, aber sie war entschlossen, zu gewinnen. Sie ließ ihr Höllenbaby zurück, dessen traurige Augen ihr folgten, während sie sich auf das vorbereitete, was kommen würde.
Als sie sich dem Teich näherte, öffnete der Cerberus langsam ein weiteres Auge und betrachtete sie mit mildem Interesse. Für das Biest war sie nur ein Insekt, aber die Tatsache, dass sie sich einem so verbotenen Ort näherte, löste seinen Angriffstrieb aus. Athena wusste, dass dies passieren würde, und sie bereitete sich vor, während ihre Kräfte in ihr wuchsen.
Es hatte keinen Sinn, sich jetzt noch zurückzuhalten. Mit einem wilden Schrei entfesselte sie ihre Kraft, und goldene Flammen schossen aus ihrem Körper und formten in der Luft einen feurigen Phönix. Die Flammen tanzten um sie herum und bildeten eine strahlende, lodernde Aura aus goldenem Licht. Sie stürmte auf den Cerberus zu, ihre Entschlossenheit unerschütterlich.
Aber der Cerberus, der gerade erst aus seinem Schlummer erwacht war, öffnete einfach eines seiner riesigen Mäuler und stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus. Es war nicht einmal eine volle Kraftanstrengung, eher ein Gähnen, aber die Wucht der Schallwelle war verheerend.
Der Boden bebte, als der Schrei durch die Luft hallte, und Athena wurde zurückgeschleudert und hunderte von Metern vom Teich weggeworfen.
Als sich der Staub legte, schwebte Virgil auf sie zu, sein Gesichtsausdruck eine Mischung aus Besorgnis und Resignation. Von Athena war nur noch ein Skelett übrig, ein verkohlter Überrest dessen, was sie einmal gewesen war, an dessen Knochen noch Fleischreste klebten. Das Brüllen des Cerberus hatte ausgereicht, um sie in diesen Zustand zu versetzen.
Athena war tot.
Zumindest schien es so.
Plötzlich erschienen goldene Runen auf ihrer Leiche, die in einem ätherischen Licht leuchteten. Die Runen breiteten sich über die Skelettüberreste aus, und dann, ohne Vorwarnung, ging ihr Körper in goldenen Flammen auf. Die Flammen verschlangen das Skelett und brannten heftig, aber statt zu Asche zu werden, passierte etwas Wunderbares.
Aus dem Inferno heraus nahm Athena wieder Gestalt an, ihr Körper formte sich neu, während die Flammen um sie herum tanzten. Sie war wiedergeboren und erhob sich wie der mythische Phönix aus der Asche.
Athena drängte sich durch die Asche, ihr Körper war vollständig wiederhergestellt, ihre Augen brannten vor neuer Entschlossenheit. Sie stand auf, die goldenen Runen flackerten noch immer auf ihrer Haut und zeugten von der Kraft des Phönix in ihr.
Virgil schaute voller Ehrfurcht zu, mit einer Mischung aus Überraschung und Bewunderung im Gesicht. „Es scheint, als würde eine direkte Herangehensweise nicht funktionieren“, meinte er in fast vorwurfsvollem Ton.
Aber Athena lächelte immer noch und wischte sich die Asche von den Händen. „Ich bin noch nicht fertig“, sagte sie mit entschlossener Stimme. Das Feuer in ihr war nicht erloschen, im Gegenteil, es brannte jetzt sogar noch heller.
Athena stand aufrecht da, ihr Körper war zwar ramponiert, aber unnachgiebig, als sie sich erneut dem Cerberus stellte. Die goldenen Flammen des Phönix flackerten um sie herum, ein Symbol für ihre unerbittliche Entschlossenheit. Sie stürzte sich auf den monströsen Wächter, ihr Herz pochte in ihrer Brust, denn sie wusste genau, was sie erwartete. Immer wieder griff sie an, nur um auf immer brutalere und einfallsreichere Weise den Tod zu finden.
Der Cerberus, der zunächst gleichgültig gewesen war, hatte nun alle drei seiner massiven Köpfe geweckt und auf sie gerichtet. Er war fasziniert von ihrer Widerstandsfähigkeit, ihrer Weigerung, tot zu bleiben. Jedes Mal, wenn sie fiel, verzehrten die goldenen Flammen sie, und sie erhob sich wieder, ihr Körper unversehrt, aber ihr Geist ein wenig müder.
Mit jedem Tod wurde der Cerberus erfinderischer. Er spießte sie mit Stacheln auf, die aus dem Boden schossen, durchbohrte sie mit gezackten Steinen und versetzte ihr mit schwarzen Blitzen, die wie Lebewesen durch die Luft zischten, Stromschläge. Ein anderes Mal spuckte einer seiner Köpfe einen Strom von Gift, der ihr Fleisch augenblicklich zum Schmelzen brachte und nur ihre Knochen zurückließ, bevor die Flammen sie wieder zum Leben erweckten.
Das verzerrte Grinsen auf den drei Gesichtern der Bestie zeugte von einer perversen Freude. In dieser monotonen, höllischen Welt war Athena zu ihrer Unterhaltung geworden, zu einem Spielzeug, das sich nicht zerstören ließ. Der Cerberus genoss ihre Qualen, fand Freude an ihrem Leiden und dachte sich immer neue Wege aus, um ihr Leben zu beenden. Der einst gefürchtete Wächter sah in ihr nun ein unbesiegbares Spielzeug, das er ohne Folgen endlos zerreißen konnte.
Aber für Athena forderte der Kreislauf seinen Tribut. Jedes Mal, wenn sie starb, fiel es ihr schwerer, sich wieder aufzurappeln. Die Flammen des Phönix waren stark, aber die Dunkelheit, die sie in den Momenten zwischen Leben und Tod umhüllte, wurde immer größer.
Sie spürte, wie unsichtbare Hände nach ihr griffen, versuchten, sie in die Leere zu ziehen, sie zurückzuhalten, sie tot zu halten. Jede Wiederauferstehung war ein Kampf für sich, ein Kampf gegen Kräfte, die ihre Seele für immer für sich beanspruchen wollten. Doch die Flammen führten sie hinaus und zogen sie zurück in das Reich der Lebenden, egal wie sehr es wehtat.
Und wehtat es. Der Schmerz war nicht nur körperlich, sondern auch seelisch und spirituell. Jedes Mal, wenn sie starb, verlor sie einen Teil von sich selbst. Die Anstrengung, zurückzukehren, wurde immer qualvoller, die Flammen brannten heller, aber auch kälter, als würden auch sie von dem endlosen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt zermürbt. Athena spürte, wie ihr Verstand an den Rändern zerfaserte, wie die ständige Qual begann, sie zu zermürben. Und doch weigerte sie sich, aufzugeben.
Während eines dieser unerbittlichen Angriffe, als der Cerberus sich bereit machte, einen weiteren tödlichen Schlag zu versetzen, änderte sich etwas. Gerade als die Bestie sich nach vorne warf, um sie zu zerreißen, erstarrte sie. Ein Grollen hallte durch die Kammer, ein tiefer, unheilvoller Klang, der durch den Boden, auf dem sie standen, widerhallte.
Der Cerberus hielt inne und drehte seine Köpfe in Richtung der Störung. Hinter ihm brodelte die blutige Lache – das Meer aus abgetriebenem Blut – heftig, die Oberfläche sprudelte und schäumte wie ein Kessel, der kurz vor dem Ausbruch stand. Der Cerberus knurrte, weil er spürte, dass etwas nicht stimmte. Er drehte sich zu der Lache um und kniff die Augen zusammen, als er etwas sah, womit er nicht gerechnet hatte.
Dort, am Rand der Lache, stand eine kleinere Version von Athena. Diese Gestalt war jedoch nicht vollständig, sondern deformiert und verdreht, als wäre sie aus dem Blut geformt worden, das die Lache füllte. Ihr Körper war eine groteske Nachahmung von Athenas Körper, mit fehlenden oder missgebildeten Teilen, aber die Ähnlichkeit war unverkennbar. Diese kleinere Athena war ein Produkt von Athenas Zellen.
Sie war ein Duplikat.
Der Cerberus knurrte und wandte seine Aufmerksamkeit kurz von der echten Athena ab. Damit hatte er nicht gerechnet. Der Pool, der so lange still gewesen war, war jetzt eine brodelnde, chaotische Masse, als würde er auf die Anwesenheit dieses verdrehten Doppelgängers reagieren. Die Runen auf dem Skelettsiegel leuchteten heller, als würden sie auf die Störung reagieren, und die Luft um den Pool knisterte vor dunkler und chaotischer Magie.