Lenny saß über den Leichen der Zwillings-Zentauren, seine Augen funkelten neugierig und interessiert.
Die Menge schaute nervös zu, nicht sicher, was als Nächstes passieren würde. Mit einer Handbewegung materialisierten sich seine chirurgischen Instrumente und glänzten bedrohlich im schwachen Licht der Unterebene.
Lennys Werkzeuge schwebten um ihn herum, jedes einzelne bewegte sich mit einer Präzision und Zielstrebigkeit, die auf ein tiefes Verständnis der Anatomie hindeuteten. Vorsichtig setzte er den ersten Schnitt in Deckner’s Oberkörper und schälte mühelos Muskel- und Fleischschichten ab. Blut tropfte heraus, aber Lenny’s Kontrolle über seine eigenen Zellen ermöglichte es ihm, den Blutfluss fast sofort zu stillen und den Bereich sauber und sichtbar zu halten.
Während er arbeitete, staunte er über die einzigartige Anatomie des Zentauren. In früheren Kämpfen hatte er bereits einen kleinen Einblick erhalten, aber jetzt konnte er alles genau erkunden.
Das war etwas, dem er einfach nicht widerstehen konnte.
Normalerweise hätte er so detaillierte Arbeit nicht in der Öffentlichkeit gemacht.
Aber Deckner hatte seinen Semi-Arkanen-Doman mit einem einzigen Schlag zerstört und ihm damit klar gemacht, dass er in bestimmten Bereichen Defizite hatte.
Das musste er dringend ändern.
Obwohl der Bogen dabei eine große Rolle spielte, untersuchte Lenny den Körper der Zwillinge, da Deckner die Kraft für den Bogen geliefert hatte.
Lennyu wollte wissen, warum und wie der Bogen die Kraft einer niedrigeren Ebene nutzen konnte, um eine Semi-Arkane-Domäne zu zerstören. Schließlich war dies eine Fähigkeit, die nur diejenigen auf dem Gipfel der Großen Dämonenebene beherrschten.
Währenddessen hatten Naamah und Lamastu ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet.
In anderen Teilen der Unterebene hatten die Kämpfe längst begonnen, aber ihre Aufmerksamkeit galt nur ihm.
„Er plant, jetzt eine Erkenntnis zu erlangen? Mitten in einem Kampf auf Leben und Tod?“, fragte Lamastu laut und sprach damit allen aus der Seele.
Aber Lenny kümmerte das nicht, er setzte seine Arbeit fort.
Er war jemand, der jede Gelegenheit zum Wachstum nutzte.
Vorsichtig entfernte er Haut und Muskeln, um das menschliche Herz freizulegen. Es schlug schwach und versuchte trotz der erlittenen Verletzungen noch, am Leben zu bleiben.
„Interessant“, murmelte Lenny mit leiser, faszinierter Stimme. Seine Hände bewegten sich geschickt und legten das komplizierte Netz aus Venen und Arterien frei. Er folgte mit den Fingern dem Blutfluss und spürte, wie der Puls des Lebens langsam schwächer wurde.
Als Nächstes ging er zum Körper des Pferdes über. Mit einem weiteren präzisen Schnitt legte er das zweite Herz frei, das in der Brusthöhle lag. Dieses Herz war anders, größer und pulsierte mit einem schwachen, ätherischen Leuchten. Lenny kniff die Augen zusammen, als er die magische Energie beobachtete, die von ihm ausging.
„Also hier kommt die Magie her“, flüsterte er vor sich hin. Er streckte einen Fortsatz seines eigenen Blutes in das Herz und spürte, wie die Kraft floss. Es war ein unglaubliches Gefühl, als würde er die Essenz der Magie selbst berühren. Er konnte die Energiemuster sehen, wie sie sich mit den physischen und spirituellen Aspekten des Körpers des Zentauren verflochten.
Lenny drang tiefer ein und untersuchte die Nervenenden und die Verbindungen zwischen den beiden Herzen. Er bemerkte, dass das menschliche Herz für die Aufrechterhaltung des Lebens zuständig war, während das Pferdeherz die Quelle der Magie war und diese im ganzen Körper verteilte. Das Zusammenspiel zwischen den beiden war ein empfindliches Gleichgewicht, das es dem Zentaur ermöglichte, immense Kräfte zu entfesseln.
Das war ganz anders als beim Herzen eines Dämons, das ein zweites Herz hinter dem ersten hatte, das für den Fluss der Magie zuständig war. Und bei niedrigeren Dämonen erledigte ein Herz beide Aufgaben.
Das war wirklich faszinierend. Durch die Aufteilung der Arbeit konnte der Zentaur mehr Kraft erzeugen, als seinem tatsächlichen Rang oder sogar seinem Reich entsprach.
Seine Hände bewegten sich mit chirurgischer Präzision, sezierten die Nerven und verfolgten sie bis zu ihrem Ursprung zurück. Er konnte sehen, wie die magische Energie durch die Nerven floss und Kraft und Geschwindigkeit steigerte. Der Körper des Zentauren war ein Wunderwerk der Evolution, darauf ausgelegt, Magie auf eine Weise zu kanalisieren und zu nutzen, wie es nur wenige andere Wesen konnten.
Während er arbeitete, versank Lenny in tiefer Konzentration. Die Welt um ihn herum verschwand, und alles, was existierte, war der komplizierte Tanz des Lebens und der Magie unter seinen Händen. Er befand sich in einem Zustand unvorstellbaren Verständnisses und begriff, wie nur wenige es jemals konnten. Sein Geist schwirrte voller Möglichkeiten, wie er dieses Wissen nutzen könnte, um seine eigene Macht zu vergrößern.
Trotz der grausamen Natur seiner Arbeit hatte sie eine seltsame Schönheit. Die Präzision, das Verständnis, die Verbindung zu etwas Größerem. Lenny sezierte nicht einfach nur einen Körper, er deckte die Geheimnisse des Lebens und der Magie auf und erweiterte die Grenzen dessen, was er wusste und was er werden konnte.
Die Zuschauer schauten mit einer Mischung aus Entsetzen und Ehrfurcht zu und konnten ihre Augen nicht abwenden. Sie konnten die Bedeutung von Lennys Tat spüren, auch wenn sie sie nicht ganz verstanden. Das war mehr als nur eine Sezierung, es war ein Blick in das Wesen des Lebens.
Schließlich stand Lenny auf, die Hände blutverschmiert, aber mit Augen, die vor neuem Wissen strahlten. Er hatte das Innere des Körpers des Zentauren gesehen, seine Geheimnisse verstanden und war nun bereit, dieses Wissen zu seinem Vorteil zu nutzen. Er blickte zu der Menge auf, und ein langsames Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Lenny winkte mit der Hand und schickte die Leichen von Deckner und seiner Schwester in sein Lager.
Es stimmte, dass er weitermachen wollte, schließlich mochte niemand, der seine Arbeit genoss, aus seiner Konzentration gerissen werden, aber eine dringende Angelegenheit beschäftigte ihn.
Lenny wandte sich in eine bestimmte Richtung. Er sprach leise. „Wenn du so lange gewartet hast, kann das nur bedeuten, dass du auch einen Zustand der Erkenntnis erreicht hast, während du mir bei der Arbeit zugesehen hast, oder etwa nicht?“
In dem Moment, als er das sagte, tauchte langsam eine Gestalt aus dem Berg auf. Es war der Dämonenfrosch, der während des Wettbewerbs neben ihm gestanden hatte.
Als Lenny ihn sah, runzelte er die Stirn. „Netter Versuch! Jetzt zeig mir dein wahres Gesicht … Jäger!“
(Anmerkung des Autors: Auf diesen Kampf habt ihr lange gewartet, oder? Schickt bitte Goldene Tickets, um für das Buch zu stimmen.)
