Die Rüstung des Skeletts knarrte, als er auf die Ruinen um sie herum deutete. „Er hat mich hier zum Verrotten zurückgelassen. Aber bevor meine Seele sich auflöste, kam meine Meisterin zurück … mit diesem Ding.“ Er zeigte auf den Schädel des Todesgottes, der in seinen Kopf eingebettet war. „Sie hat seine Kraft genutzt, um meinen Geist an mich zu binden, und mir die Aufgabe übertragen, ihn zu bewachen, bis die richtige Person kommt.“
Rens leerer Blick ruhte auf Yun Lintian. „Du.“
Yun Litians goldene Augen funkelten. „Warum ich?“
„Weil du mehrere Urkräfte in dir trägst“, sagte Ren einfach. „Genau wie sie es vorhergesagt hat. Meine Meisterin glaubte, dass nur jemand, der die geteilten Kräfte vereinen kann, den Kreislauf beenden kann.“
Eine schwere Stille legte sich über die Ruinen. Der Wind heulte durch die versteinerten Bäume und trug Flüstern aus der Vergangenheit mit sich.
„Wer ist der Verschlinger?“, fragte Yun Lintian.
Als Ren Yun Litians Frage hörte, umklammerte er seine Sense fester. Die Todesenergie um ihn herum pulsierte unregelmäßig, als würde ihn schon die bloße Erwähnung des Verschlingers beunruhigen.
„Der Verschlinger …“, sagte Ren mit hohler Stimme. „Eine Kreatur, die aus der Leere selbst geboren wurde. Nicht einmal die Urgötter kannten ihren wahren Ursprung.“
Yue Yun verschränkte die Arme. „Wie ist das möglich? Die Urgötter herrschten über die gesamte Schöpfung.“
Ren neigte leicht den Kopf. „Und doch waren selbst sie nicht allwissend. Mein Meister erzählte mir einmal, dass der Verschlinger möglicherweise das Ergebnis eines fehlgeschlagenen Experiments war.“
Lin Yitongs Augen weiteten sich. „Ein Experiment? Von wem?“
Ren zögerte einen Moment, bevor er antwortete. „Mein Meister hat es nie bestätigt, aber … ich glaube, es war der Gott der Zeit, Nian Shi.“
Yun Lintians goldene Augen wurden scharf. „Oh? Warum das?“
„Weil der Verschlinger die Zeit auf eine Weise manipuliert, wie es kein anderes Wesen kann“, erklärte Ren. „Er verschlingt nicht nur Leben, sondern ganze Epochen, Geschichten, ganze Zeitlinien. Diese Art der zeitlichen Zerstörung … trägt die Handschrift von Nian Shi.“
Yun Lintian und die anderen sahen sich schockiert an.
Rens Rüstung knarrte, als er sich aufrichtete. „Der Verschlinger wurde auf beide Seiten losgelassen. Er kannte keine Loyalität – nur Hunger. Ganze Bataillone von Wahren Göttern verschwanden in seinem Sog und wurden aus der Existenz ausgelöscht.“
Ein kalter Wind fegte durch die Ruinen und trug die Echos eines vergessenen Krieges mit sich.
Lin Yitong zitterte. „Wie wurde er aufgehalten?“
„Das wurde er nicht“, sagte Ren grimmig. „Die Urgötter konnten ihn nur unter großen Opfern versiegeln. Mein Meister glaubte, dass Nian Shi dies zugelassen hatte – dass der Verschlinger immer dazu bestimmt war, das Spielfeld neu zu bereinigen.“
„Versiegeln?“ Yun Lintian runzelte leicht die Stirn. „Du hast zuvor die Kette des Verschlingers erwähnt. Was ist das?“
Rens skelettartige Finger zuckten bei Yun Lintians Frage.
Die Todesenergie um ihn herum wurde unruhig und wirbelte wie ein Sturm.
„Die Ketten des Verschlingers …“, flüsterte Ren. „Sie sind nicht nur Fesseln. Sie sind die Verkörperung der Verderbnis – Werkzeuge, um Seelen zu ewigen Gefangenen zu machen.“
„Du hast das am eigenen Leib erfahren, was?“, fragte Yue Yun.
Ein trockenes, humorloses Lachen entrang sich Ren. „Oh, das habe ich.“
Er hob seine gepanzerte Hand, und die Todesenergie verdichtete sich zu einer Vision – einer Erinnerung aus der Vergangenheit.
Die Ruinen um sie herum verblassten und wurden durch ein Schlachtfeld von unvorstellbarer Größe ersetzt. Unzählige Götter kämpften am Himmel, ihr Blut regnete wie blutrote Sterne herab. Und in der Mitte von allem …
Eine wirbelnde Leere.
Ein Wesen aus purer Gier.
Der Verschlinger.
„Nach dem Urkrieg“, fuhr Ren mit hohler Stimme fort, „tauchte der Verschlinger wieder auf. Jemand hatte sein Siegel gebrochen.“
Yun Lintians goldene Augen verengten sich. „Nian Shi.“
Ren nickte. „Höchstwahrscheinlich. Der Verschlinger kam, um mich zu holen – vielleicht, weil ich den Kopf des Todesgottes trug, oder vielleicht einfach, weil ich ihm im Weg stand.“
Die Erinnerung wechselte und zeigte Ren, wie er allein vor der bedrohlichen Gestalt des Verschlingers stand.
„Ich war ihm nicht gewachsen“, gab Ren zu. „Aber mein Meister hatte mir ein letztes Geschenk hinterlassen.“
In der Vision hob Ren seine Hände, und ein smaragdgrünes Licht brach aus seiner Brust hervor – eine Kraft, die mit der Essenz des Lebens selbst brannte. Der Verschlinger wich zurück, als hätte er sich verbrannt, und seine leere Gestalt zuckte vor Schmerz.
„Ein Fragment der Macht des Gottes des Lebens“, flüsterte Lin Yitong voller Ehrfurcht.
Rens skelettartige Schultern sackten zusammen. „Es hat den Verschlinger verwundet, aber nicht genug, um ihn zu töten. Als Vergeltung hat er versucht, mich mit seinen Ketten der Verderbnis zu fesseln.“
Die Vision verdunkelte sich, als pechschwarze Ranken herumsausend Rens Körper umschlangen. Aber dann –
Der Schädel des Todesgottes in seiner Brust pulsierte.
Die Ketten zerbrachen.
„Die Macht des Verschlingers ist groß, aber die Autorität des Todesgottes ist stärker“, erklärte Ren. „Wo der Tod ist, kann es keine Verderbnis geben – nur ein Ende.“
Die Erinnerung verblasste und sie kehrten in die zerstörte Landschaft zurück.
Yun Lintian atmete langsam aus. „Wo ist der Verschlinger jetzt?“
Ren schüttelte seinen Schädel. „Ich weiß es nicht. Aber er sollte sich im Moment nicht im Urchaos befinden. Selbst wenn er befreit ist, braucht er Zeit, um seine volle Kraft wiederzuerlangen.“
Eine düstere Stille legte sich über die Gruppe.
„Wie finden wir ihn?“, fragte Yun Lintian mit gerunzelter Stirn.
Ren lachte leise. „Leichter gesagt als getan. Der Verschlinger existiert außerhalb von Zeit und Raum. Er könnte überall sein – oder zu jeder Zeit.“
Rens skelettartige Gestalt zuckte plötzlich, seine Rüstung knarrte, als er sich umdrehte, um die öde Landschaft um sie herum zu betrachten. Das einst blühende Land des Gottes des Lebens lag nun in Trümmern, seine Essenz durch Jahrhunderte der Todesenergie verdorben.
„Der Auserwählte“, sagte Ren plötzlich mit leiserer Stimme. „Ich habe eine letzte Bitte.“
Yun Lintian sah ihn an. „Sprich.“
Rens leerer Blick blieb auf der geschwärzten Erde haften. „Dieser Ort … war einst das Heiligtum meines Meisters. Ein Land voller Leben und Reinheit. Aber meine Anwesenheit hier hat es vergiftet.“
Seine knochigen Finger ballten sich zu Fäusten. „Ich möchte hier begraben werden … aber nicht bevor dieser Ort gereinigt ist.“
Lin Yitongs Blick wurde weicher. „Du möchtest, dass wir das Land reinigen?“
Ren nickte. „Ihr tragt die Kraft meines Meisters in euch. Nur die Macht des Gottes des Lebens kann wiederherstellen, was verloren gegangen ist.“
Yun Lintian musterte Ren einen langen Moment, bevor er sprach. „In Wahrheit … kann ich noch mehr tun.“
Ren neigte seinen Schädel.
„Deine Seele ist unversehrt“, fuhr Yun Lintian fort. „Mit der Kraft des Gottes des Lebens könnte ich dich zurückbringen. Nicht als Wächter, der an einen Schädel gebunden ist … sondern als lebendes Wesen.“
Stille.
Dann –
Ren lachte. Ein trockenes, raues Lachen, aber es war echt. „Ein freundliches Angebot … aber nein.“
Yun Lintian runzelte die Stirn. „Deine Pflicht ist erfüllt. Du könntest neu anfangen …“
„Meine Zeit ist längst abgelaufen“, unterbrach Ren ihn sanft. „Ich bin schon viel zu lange geblieben. Lass mich ruhen.“
Seine Stimme zitterte nicht. Nur Entschlossenheit war zu hören.
Yun Lintian atmete tief aus. „… Na gut.“