Yun Lintian lächelte nicht. Er passte seinen Griff an, sein Speer summte vor unterdrückter Energie.
Das reichte noch nicht.
Er musste noch weiter gehen.
Mit einem scharfen Ausatmen entfesselte Yun Lintian seine ganze körperliche Kraft. Seine Muskeln spannten sich an, seine Sehnen spannten sich, als er über seine Grenzen hinausging.
Sein nächster Schlag war nur noch eine verschwommene Bewegung.
Hei Yues Augenbrauen hoben sich. Sie blockte, aber die Wucht schleuderte sie zum ersten Mal zurück.
Tante Liu erstarrte.
Hei Yue starrte auf ihre Füße, dann auf Yun Lintian. Ihr Lächeln wurde gefährlich.
„So ist es besser!“
Sie schoss wie ein schwarzer Blitz nach vorne.
Yun Lintian begegnete ihr frontal.
Klang! Klang! Klang!
Ihr Kampf wurde zu einem Sturm aus Stahl und Schatten. Die Welt um sie herum verschwamm – der Raum zerbrach.
Yun Lintians Arme schmerzten, aber er hörte nicht auf.
Hei Yue auch nicht.
Ihr Lachen hallte durch das Chaos, hell und beschwingt. „Du bist unglaublich! Niemand außer Vater kann so mit mir mithalten!“
Vater?
Dieses Wort bestätigte Yun Litians Vermutung.
Dieses Mädchen – Hei Yue – war die Tochter des Gottes der Dunkelheit.
Das bedeutete, dass sie noch gefährlicher war, als er gedacht hatte.
Aber im Moment spielte das keine Rolle.
Alles, was zählte, war der Kampf.
Yun Litians Speer wurde zu einer Verlängerung seines Willens. Er hörte auf zu denken, hörte auf zu analysieren – er bewegte sich einfach.
Hei Yue hielt mit ihm Schritt, ihr Schwert schlängelte sich wie flüssige Dunkelheit durch die Luft.
Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wurde sie herausgefordert.
Und sie liebte es.
Ihr Kampf erreichte seinen Höhepunkt.
Hei Yue drehte sich und schwang ihr Schwert in Richtung seiner Rippen. Yun Lintian wich aus und schlug mit seinem Speer nach oben –
Klang!
Eine Schockwelle explodierte und schleuderte sie auseinander.
Yun Lintian stabilisierte sich und schüttelte leicht die Taubheit aus seinem Arm.
Hei Yue drehte sich anmutig und landete federleicht. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen strahlten.
„Das hat Spaß gemacht!“, erklärte sie.
Yun Lintian starrte Hei Yue aufmerksam an. Der Kampf zuvor hatte ausschließlich auf ihrer körperlichen Verfassung beruht. Die Tatsache, dass Hei Yue es mit seiner rohen Kraft aufnehmen konnte, bewies, dass ihre körperliche Verfassung außergewöhnlich war.
Schließlich musste man wissen, dass Yun Lintians Körper durch die Blutlinien der göttlichen Bestien wie dem Ur-Azur-Drachen und dem Weißen Tigergott um ein Vielfaches verstärkt war.
Hei Yue wirbelte spielerisch ihr silbernes Schwert herum, dessen Klinge vor unterdrückter Kraft summte. Ihre dunkelblauen Augen glänzten vor Aufregung, als sie die Spitze auf Yun Lintian richtete.
„Noch nicht fertig!“, verkündete sie, wobei ihr spielerischer Tonfall etwas Schärferes an sich hatte. „Das war nur zum Aufwärmen. Jetzt …“
Der silberne Schwert veränderte sich plötzlich.
Eine wirbelnde dunkle Aura brach aus der Klinge hervor und verschlang das Licht um sie herum. Die Luft selbst schien zu zittern, als Hei Yues göttliche Energie anschwoll – ein riesiger, endloser Ozean der Dunkelheit, der sogar Tante Liu unwillkürlich einen Schritt zurückweichen ließ.
Yun Lintian umklammerte den Weißen Drachenspeer fester.
Sie meint es ernst.
Das war nicht nur die Kraft einer Wahren Göttin. Das war etwas darüber hinaus.
Hei Yue grinste. „Oh, und noch etwas – halt dich nicht mehr zurück. Ich weiß, dass du vorhin gegen Tante Liu kaum zwanzig Prozent deiner Kraft eingesetzt hast.“
Tante Lius Augen weiteten sich. „Was?“
Ihr Blick schoss zu Yun Lintian, Schock und Wut kämpften in ihrem Gesicht. Zwanzig Prozent? Gegen sie? Eine wahre Göttin auf dem Höhepunkt ihrer Macht? Unmöglich!
Doch die Art, wie Hei Yue es sagte – so beiläufig, so sicher – ließ keinen Zweifel zu.
Tante Lius Finger zuckten in Richtung ihres Schwertes. Wenn dieser Mann wirklich mit ihr gespielt hatte … dann war er weitaus gefährlicher, als sie gedacht hatte. Sie musste ihn bei der ersten Gelegenheit ausschalten.
Yun Lintian ignorierte Tante Lius mörderischen Blick. Er war voll auf Hei Yue konzentriert.
Der verspielte Glanz in ihren Augen war verschwunden.
„Bereit?“, fragte sie.
Dann machte sie einen Schritt.
So schnell!
Das war der einzige Gedanke in Yun Litians Kopf, als Hei Yues Schwert auf seine Kehle zuschoss.
Selbst mit seinen geschärften Sinnen konnte er den Angriff kaum rechtzeitig registrieren. Sein Körper reagierte instinktiv – der Weiße Drachenspeer blitzte auf, um den Schlag abzuwehren.
KLANG!
Der Aufprall schleuderte ihn rückwärts durch die Leere, seine Arme waren von der Wucht taub.
Hei Yue gab ihm keine Sekunde Zeit, sich zu erholen.
Sie flackerte – verschwand – und tauchte über ihm wieder auf, ihr dunkel verhülltes Schwert senkte sich wie eine Guillotine.
Yun Lintian drehte sich in der Luft und wich knapp aus, als die Klinge eine Spalte in den Raum riss, wo gerade noch sein Kopf gewesen war.
Hei Yue war noch schneller als zuvor. Er wusste, dass er so nicht mithalten konnte.
Hei Yue landete leichtfüßig im Nichts, ihr Schwert bereits zu einem weiteren Schlag geschwungen. „Komm schon, Yun Lintian! Zeig mir deine wahre Stärke!“
Yun Lintian kniff die Augen zusammen.
Summen –
Plötzlich entfesselte Yun Lintian die Blutlinie des Weißen Tigergottes. Kraft explodierte in seinen Adern.
Goldweiße Energie brach aus Yun Litians Körper hervor und formte hinter ihm das Phantom eines riesigen weißen Tigers. Seine Muskeln schwollen an, seine Sinne schärften sich bis zu einem übermenschlichen Grad – und vor allem stieg seine Geschwindigkeit sprunghaft an.
Als Hei Yue das nächste Mal zustürmte, war er bereit.
Ihre Klingen prallten in einer Funkenfontäne aufeinander, aber diesmal wich Yun Lintian nicht von der Stelle.
Hei Yues Augen leuchteten auf. „Jetzt geht’s ran!“
Sie griff erneut an, ihr Schwert war ein schwarzer Streifen in der Leere.
Yun Lintian begegnete ihr frontal.
KLANG! KLANG! KLANG!
Ihr Kampf wurde zu einem verschwommenen Wirbel aus Bewegungen – zwei Streifen aus Licht und Dunkelheit, die in der endlosen Schwärze aufeinanderprallten. Jeder Aufprall sandte Schockwellen durch das Reich der Ewigen Dunkelheit und verzerrte den Raum selbst.
Tante Liu konnte nur zusehen, ihr Gesicht war blass.
Sie hatte noch nie jemanden gesehen, der mit Hei Yues Geschwindigkeit mithalten konnte. Nicht einmal die Elitekrieger des Gottes der Dunkelheit konnten mit der jungen Herrin mithalten, wenn sie ernst machte.
Doch diese Fremde … schaffte es.
Yun Litians Geist war unheimlich ruhig.
Die Blutlinie des Weißen Tigergottes hatte seine Reflexe bis an ihre absoluten Grenzen gesteigert. Jede Bewegung, jede Veränderung in Hei Yues Haltung, jedes Flackern ihres Schwertes – er sah alles.
Aber es reichte immer noch nicht.
Hei Yue war nicht nur schnell. Ihre Schwertkunst war makellos. Jeder Angriff ging fließend in den nächsten über, ohne verschwendete Bewegungen, ohne Lücken.
Und ihre dunkle Energie …
Yun Lintian wich nur knapp einem Hieb aus, der ihn in zwei Hälften geteilt hätte. Die Restenergie des verfehlten Schlags riss hinter ihm einen Raumriss auf.
So konnte es nicht weitergehen.
Er musste seine Taktik ändern.
Als Hei Yue erneut zustürmte, bewegte sich Yun Lintian plötzlich.
Der Raum selbst verbog sich um ihn herum.
In einem Moment stand er noch vor Hei Yue. Im nächsten war er hinter ihr und richtete den Weißen Drachenspeer auf ihren Rücken.
Hei Yue lachte.
Ohne sich auch nur umzudrehen, schlug sie mit ihrem Schwert nach hinten – klang! – und blockierte seinen Speer mit unmöglicher Präzision.
„Netter Versuch!“, neckte sie ihn und drehte sich um, um ihm einen Tritt zu versetzen, der ihn durch die Luft schleuderte.
Yun Lintian drehte sich in der Luft und kam rutschend zum Stehen. Seine Brust schmerzte von dem Aufprall, aber er ignorierte es.
Hei Yue war nicht nur stark. Sie war erfahren.
Das bedeutete …
Er musste noch weiter gehen!