Yun Lintian verbrachte den ganzen Monat damit, seine göttliche Energie wieder aufzubauen. In dieser Zeit lernte er die beiden Schwestern Mu Zhi und Mu Rong besser kennen. Es stellte sich heraus, dass sie sich ursprünglich der Eisphönix-Sekte angeschlossen hatten, um ihre Eltern zu rächen, die von einem direkten Schüler der Sekte getötet worden waren.
Angetrieben von Rache gelang es Mu Zhi, an die Spitze zu klettern und eine Chance zu finden, ihren Feind zu töten. Am Ende wurde sie an diesen Ort geschickt.
Yun Lintian erfuhr auch, dass es zwei Wahre Götter gab, auf die er achten musste. Die erste war Wan Jingrou, eine ehemalige Lieblingsschülerin der Eiskönigin. Es hieß, dass sie gegen die Regeln ihrer Meisterin verstoßen hatte, indem sie sich verliebt hatte.
Der zweite war Ye Fuxie. Dieser Typ war ein Schüler der Kaiserin der Ewigen Nacht. Er war hierhergekommen, um das Vermächtnis des Eisphönix zu finden. Nach Mu Zhis Worten war er ein skrupelloser Mensch, der jeden nach Belieben töten würde.
Beide schienen sich in der Nähe des Eingangs zur nördlichen Region aufzuhalten. Wenn Yun Lintian dorthin wollte, musste er sich ihnen stellen.
Yun Lintian drehte sich zu Mu Zhi um und sagte: „Ich gehe jetzt.“
Mu Rong, die mit Gui Xiao spielte, erschrak. Das Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand.
Mu Zhi hob die Augenbrauen und fragte: „Bist du sicher, dass ich dich nicht begleiten soll?“
„Es ist zu gefährlich für euch beide“, sagte Yun Lintian mit tiefer Stimme. „Wenn ich einen Weg finde, diesen Ort zu verlassen, werde ich zurückkommen und euch herausholen.“
Mu Zhi starrte ihn eine Weile an und nickte dann langsam. Ihre Finger bewegten sich leicht, als sie Yun Lintian einen Jadestreifen zuwarf. „Das ist eine Karte von diesem Ort“, sagte sie.
Yun Lintian schaute sich die Karte auf dem Jadestreifen an und stellte fest, dass sie von Mu Zhi sorgfältig markiert worden war. Offensichtlich hatte sie im Laufe der Jahre viel Mühe darauf verwendet, diese Karte zu zeichnen.
„Danke“, sagte Yun Lintian und warf Mu Zhi zwei Aufbewahrungsringe zu. „Nimm die.“
Mu Zhi schnappte sich die Ringe und schaute kurz rein. Darin waren verschiedene Ressourcen, genug für sie und Mu Rong, um hier bequem zu leben.
„Danke“, sagte sie. „Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe. Versuch, Wan Jingrou und Ye Fuxie aus dem Weg zu gehen.“
„Das werde ich“, nickte Yun Lintian und machte sich bereit zu gehen.
Gui Xiao neigte den Kopf, um Mu Rong anzusehen, und legte seine Hand auf ihre Handfläche. Darauf erschien ein schwarzgrüner Schildkrötenpanzer.
„Für dich“, sagte Gui Xiao langsam.
Mu Rong hielt den Schildkrötenpanzer fest und sah Gui Xiao widerwillig an. „Pass auf dich auf.“
Gui Xiao nickte und sprang auf Yun Lintians Schulter. Hei Shou kam ebenfalls herbei und legte sich auf Yun Lintians Schulter.
Yun Lintian warf Mu Zhi und Mu Rong einen letzten Blick zu, bevor er aus der Höhle ging und im Schneesturm verschwand.
„Schwester…“, sagte Mu Rong besorgt.
„Keine Sorge. Er ist viel stärker, als du denkst“, sagte Mu Zhi ruhig. „Vergiss nicht, dass er den König der Schneeaffen besiegt hat.“
Mu Rong öffnete den Mund, aber es kam kein Ton raus.
Mu Zhi drehte sich um, schaute auf den Schneesturm draußen und meinte: „Vielleicht können wir hier bald weg.“
***
Yun Lintian trat aus der Höhle heraus, wo ihm der beißende Wind und der wirbelnde Schnee wie alte Freunde entgegenkamen. Er zog seinen dicken Pelzmantel enger um sich und sein Atem bildete in der eisigen Luft frostige Wolken.
Er warf einen Blick zurück zum Höhleneingang, und in seinem Herzen regte sich ein warmer Gefühl für die beiden Schwestern, die ihm Unterschlupf gewährt hatten. Dann wandte er sich mit entschlossenem Blick nach Norden und machte sich auf den Weg.
Der Schneesturm tobte um ihn herum, ein chaotischer Tanz aus Wind und Eis, der ihm die Sicht nahm und ihn bis auf die Knochen auskühlte. Yun Lintian ging weiter, seine Schritte fest und sicher.
Er aktivierte seine Himmelsaugen und durchdrang den blendenden Schnee, um sich in dem tückischen Gelände zurechtzufinden.
Er folgte den alten Pfaden, die Mu Zhi ihm beschrieben hatte, und schlängelte sich durch gefährliche Gletscherspalten und eisbedeckte Täler. Die Reise war beschwerlich, die Kälte unerbittlich.
Roarrr-
Als er tiefer in die nördliche Region vordrang, begegnete er einer Vielzahl von Gottestieren, Kreaturen von immenser Kraft und Wildheit.
Er sah hoch aufragende Eisriesen, deren Körper aus Gletschern geformt waren und deren Augen mit einem eisigen blauen Licht leuchteten. Er erblickte majestätische Schneegrifone, die durch den Schneesturm flogen und mit ihren Flügeln Spuren aus schimmernden Eiskristallen hinterließen.
Er spürte auch die Anwesenheit kolossaler Eiswürmer, die sich unter der gefrorenen Erde eingegraben hatten und deren Bewegungen Erschütterungen verursachten, die den Boden unter seinen Füßen bebten ließen.
Allerdings beachtete ihn keines dieser Wesen. Sie schienen seine Stärke zu spüren und entschieden sich, eine Konfrontation zu vermeiden.
Yun Lintian war dankbar für ihre Gleichgültigkeit, da er keine Lust auf unnötige Kämpfe hatte. Er sparte seine Kräfte für die Herausforderungen, die vor ihm lagen, für die Prüfungen, die ihn am Phönixsee erwarteten.
Er reiste tagelang durch eine eintönige weiße Landschaft, begleitet nur vom Heulen des Windes und dem Knirschen seiner Stiefel auf dem gefrorenen Boden. Er verließ sich auf seinen inneren Kompass und Mu Zhis Karte, um sich zu orientieren, und hielt alle Sinne offen, um jedes Anzeichen von Gefahr zu erkennen.
BOOM!!
Plötzlich gab es eine gewaltige Explosion in der Ferne. Yun Lintian sah zwei Gestalten, die in einen heftigen Kampf verwickelt waren.
Er blieb stehen und kniff die Augen zusammen, während er die kämpfenden Gestalten beobachtete. Zwei mächtige Auren prallten aufeinander, ihre göttliche Energie schlug wie Schockwellen durch die Luft. Der Schneesturm schien sich um sie herum zu biegen, ihr Kampf erzeugte einen Wirbelsturm aus Chaos inmitten der gefrorenen Einöde.
Er erkannte die Gestalten aus Mu Zhis Beschreibungen. Die eine war eine Frau, deren Bewegungen anmutig und doch tödlich waren und deren Angriffe von der eisigen Kraft des Eises durchdrungen waren. Das war Wan Jingrou, die gefallene Schülerin der Eiskönigin.
Der andere war ein Mann mit einer dunklen, bedrohlichen Aura, dessen Angriffe schnell und gnadenlos waren und die Kraft der Schatten und der Dunkelheit in sich trugen. Das war Ye Fuxie, der Schüler der Kaiserin der Ewigen Nacht.
Ihr Kampf war ein Spektakel roher Kraft, ein Zusammenprall gegensätzlicher Kräfte, der die Grundfesten der gefrorenen Einöde erschütterte. Eis und Schatten prallten aufeinander und verursachten Explosionen aus Frost und Dunkelheit, die den Schneesturm in einem unheimlichen Schein erstrahlen ließen.
Die beiden Figuren waren gleich stark, ihre Kräfte glichen sich perfekt aus. Ihr Kampf war ein Patt, ein Tanz des Todes, den keiner gewinnen konnte.
Yun Lintian beobachtete ihren Kampf. Er konnte sehen, dass sie sich trotz der Intensität ihres Kampfes zurückhielten, ihre Angriffe abgemessen waren und ihre wahre Kraft gezügelt wurde …
