Die Frau im Sarg musste die Championin sein, die in der Inschrift erwähnt wurde. Aber wer war diese bedrohliche Dunkelheit? Und was hatte sie mit dem Clan des Göttlichen Mondes zu tun, den er kannte? Konnte es sein, dass Hongyue, Yue Hua und die anderen Überreste dieses Clans des Göttlichen Mondes waren?
Unzählige Fragen schwirrten in Yun Lintians Kopf herum und verlangten nach Antworten. Er umklammerte das Fragment an seiner Brust, dessen Wärme ihm ein wenig Trost spendete. Was war die Verbindung zwischen dem Seelenzepter und dem Göttlichen Mondclan?
Summen –
Während Yun Lintian über die Inschrift nachdachte, erschütterte ein leichtes Beben das Labyrinth. Der Boden unter seinen Füßen bebte und die Luft flimmerte seltsam.
Er schaute auf, sein Herz pochte in seiner Brust. Vor der Mondstatue materialisierte sich ein kolossales Tor, dessen Oberfläche in einem überirdischen Licht pulsierte. Das Tor öffnete sich knarrend und gab den Blick auf eine ätherische Landschaft frei, die in Mondlicht getaucht war.
Ohne weiter nachzudenken, trat Yun Lintian durch das riesige Tor und wurde von einer Welle kühler, ätherischer Energie umspült. Der vertraute Anblick des Labyrinths verschwand und wurde durch eine atemberaubende Aussicht ersetzt, die in ein überirdisches silbernes Leuchten getaucht war.
Er befand sich auf einer weiten Ebene, deren Boden in einem perlmuttartigen Schimmer glänzte.
Hoch aufragende Monolithen, aus einem unbekannten, mondsteinähnlichen Material geformt, ragten aus dem Boden empor und streckten sich in Richtung des endlosen, silberweißen Himmels. In der Ferne schimmerte eine majestätische Stadt, deren Architektur an eine längst vergangene Zeit erinnerte.
Das auffälligste Merkmal dieser Mondlandschaft waren jedoch die unzähligen Erdhügel, die die Ebene übersäten.
Jeder Hügel, sorgfältig gepflegt und mit halbmondförmigen Steinen verziert, war ein stilles Zeugnis für diejenigen, die gefallen waren.
Dies war nicht irgendein Friedhof, sondern eine weitläufige Nekropole, eine letzte Ruhestätte, die Helden würdig war. Yun Lintian überkam ein tiefes Gefühl der Ehrfurcht, und das Gewicht der Geschichte lastete schwer auf seinen Schultern.
Er ging weiter, seine Schritte hallten leise auf dem Mondsteinboden wider. Als er sich einem der Hügel näherte, fielen ihm die komplizierten Schnitzereien auf den Halbmondsteinen ins Auge. Sie zeigten Szenen von Kriegern in silbernen Rüstungen, die Halbmondklingen schwangen und gegen monströse Kreaturen mit obsidianfarbener Haut kämpften.
In seinem Kopf machte es klick. Diese Schnitzereien spiegelten die bruchstückhaften Erinnerungen wider, die er von der Chimäre bekommen hatte. Konnte es sein, dass dies die in der Inschrift erwähnte hereinbrechende Dunkelheit war?
Als er seine Erkundung fortsetzte, bemerkte er auf jedem Hügel eine schwache Inschrift, die den Namen und die Taten des gefallenen Kriegers beschrieb. Einige waren erfahrene Veteranen, deren Namen mit dem Respekt ihrer Angehörigen eingraviert waren. Andere waren junge Krieger, deren Opfer von tiefer Trauer geprägt waren.
Mit jeder Inschrift, die er las, spürte Yun Lintian eine wachsende Verbundenheit mit diesen gefallenen Helden. Er sah in den in Stein gemeißelten Geschichten den Mut, die Loyalität und die unerschütterliche Hingabe dieser Krieger an ihren Clan.
„Der Anfang …“
Plötzlich hallte eine leise, ätherische Stimme in seinem Kopf wider und erzählte die Geschichte eines himmlischen Krieges.
Sie erzählte von einer glorreichen, mondbeschienenen Zivilisation, dem Göttlichen Mondclan, den Beschützern des himmlischen Gleichgewichts. Sie erzählte von einem unerbittlichen Feind, den Schattendämonen, Kreaturen aus purer Dunkelheit, die den Himmel in ewige Nacht hüllen wollten.
Er hörte aufmerksam zu, sein Herz schlug bei jeder Enthüllung schneller. Er erfuhr von dem tapferen Kampf des Göttlichen Mondclans und ihrer unerschütterlichen Verteidigung gegen die vordringende Dunkelheit.
Er hörte von ihrer Anführerin, einer Frau, die das legendäre Mondzepter schwang, eine Waffe mit unglaublicher Kraft, die von der Essenz des Mondlichts gespeist wurde.
„Das Mondzepter?“, murmelte Yun Lintian verwirrt. „War das nicht im Urkrieg?“
Die Stimme ging weiter, ihr Tonfall voller trauriger Melancholie. Sie erzählte von Lunas ultimativem Opfer, ihrem letzten Kampf gegen die Schatten-Dämonen. Mit ihrem letzten Atemzug entfesselte sie die ganze Kraft des Mondzepter und vertrieb die Dunkelheit für eine Weile, aber das kostete sie das Leben.
Der Nachhall ihrer Stimme verhallte und ließ Yun Lintian benommen zurück. Die bruchstückhaften Erinnerungen, die er zuvor erhalten hatte, fügten sich zu einer zusammenhängenden Erzählung zusammen, die ein Bild von einer heldenhaften Vergangenheit und einem verheerenden Opfer zeichnete.
Yun Lintian stand schweigend da. Seine Augenbrauen waren fest zusammengezogen. Je länger er zuhörte, desto verwirrter wurde er. Warum hatte er das Gefühl, dass der Krieg an einem anderen Ort stattgefunden hatte … in einer völlig anderen Dimension?
Eine kalte Angst nagte an Yun Lintians Eingeweiden. Die Geschichte im Mondfriedhof unterschied sich stark von dem, was er wusste. Er hatte auch keine Ahnung, ob der Göttliche Mondclan hier dem Urmondgott diente. Und die Identität dieser Schattendämonen blieb ein völliges Rätsel.
Vielleicht war es nur ein verzerrtes Fragment einer größeren, viel älteren Geschichte.
Das Fragment auf seiner Brust pulsierte mit einer schwachen Wärme, eine stille Erinnerung an seine Verbindung zu diesem Ort, doch es bot keine Antworten.
Yun Lintian schob diese Zweifel beiseite und begann, durch den Friedhof zu wandern. Die Stille wurde nur durch das leise Flüstern des Windes über den Mondsteinboden unterbrochen. Jede Inschrift, die er las, verstärkte seine Verwirrung. Es gab keinen einzigen Hinweis auf die Urzeit.
Als er den Gipfel eines niedrigen Hügels erreichte, kam die majestätische Stadt in der Ferne vollständig in Sicht. Ihre Türme glitzerten in einem ätherischen Licht, und die Architektur wirkte fast organisch, fließend wie geformtes Mondlicht.
Ein Funken Hoffnung entflammte in Yun Lintian. Vielleicht lagen die Antworten, nach denen er suchte, innerhalb dieser mondbeschienenen Mauern.
Yun Lintian machte sich auf den Weg in die Stadt, sein Geist war voller Fragen.
Als er sich der mondbeschienenen Stadt näherte, überkam ihn ein Gefühl der Ehrfurcht. Die Architektur, die er noch nie gesehen hatte, schien zu schimmern und mit einem inneren Licht zu pulsieren. Es war, als wären die Gebäude selbst von der Essenz des Mondlichts durchdrungen.
Als er die imposanten Stadttore erreichte, die mit Szenen von himmlischen Schlachten und Halbmondmotiven aufwendig verziert waren, zögerte Yun Lintian.
Eine schwache, kaum wahrnehmbare Barriere schimmerte um den Eingang herum. Er war sich nicht sicher, ob sie dazu diente, Menschen fernzuhalten, oder ob sie etwas ganz anderes war.
Zögernd streckte er die Hand aus und berührte die Barriere. Eine Welle kühler Energie durchströmte ihn und gab ihm das Gefühl, leichter zu sein, irgendwie … reiner. Die Barriere schimmerte und löste sich auf und gewährte ihm Zutritt zur Stadt.
Als Yun Lintian durch das mondbeschienene Tor trat, erstarrte sein Gesicht, als er vor sich eine Statue sah.
In der Mitte eines Platzes stand eine prächtige Statue, deren Oberfläche auf Hochglanz poliert war. Sie stellte eine Frau dar, deren Haltung majestätisch und deren Ausdruck entschlossen war.
Die Frau auf der Statue hatte tatsächlich eine verblüffende Ähnlichkeit mit Hongyue!