?1866 Im Visier
Nachdem er die Stadt verlassen hatte, machte sich Yun Lintian auf den Weg nach Osten in Richtung Hauptstadt.
Die Gegend wurde immer öder und die Temperatur sank rapide. Yun Lintian hielt ständig Ausschau nach etwas, konnte aber nichts entdecken außer endlosem, ausgetrocknetem Land.
„Man sagt, die Unterwelt sei glühend heiß, aber eigentlich ist es hier eher wie in einer Wüste“, murmelte Yun Lintian vor sich hin.
Das rote Leuchten am Himmel schien der Erde darunter keine Wärme zu spenden. Je weiter Yun Lintian ging, desto kälter wurde es.
„Hm?“ Yun Lintian blickte in die Ferne und sah einen Sandsturm auf sich zukommen. Allerdings handelte es sich nicht um einen gewöhnlichen Sandsturm, sondern um einen, der mit seltsamen grauen Objekten gefüllt war.
Yun Lintian erinnerte sich sofort an eine Information, die Zhao Ming ihm zuvor gegeben hatte. „Ein Nethersturm?“
Der Nethersturm war eine Naturkatastrophe, die regelmäßig in der Unterwelt auftrat. Wenn man nicht aufpasste, konnte er einem das Leben kosten.
Zhao Ming hatte Yun Lintian geraten, sich entweder ein Versteck zu suchen oder eine Schutzformation aufzubauen, wenn er einem solchen Sturm begegnete. Andernfalls könnte er weggeweht werden und in eine schlimme Situation geraten.
Yun Lintian sah sich um, konnte aber nichts finden, womit er sich schützen konnte. Er winkte mit der Hand und hüllte sich und Gui Xuan in schwarze Kleidung. Gleichzeitig stampfte er mit dem Fuß auf den Boden und beschwor eine Erdwand, die ihn umgab.
Yun Lintian duckte sich innerhalb der Wand und wartete auf den Sturm.
Bang!
Sobald der Sturm auf die Wand traf, war Yun Lintians Sicht sofort von grauen Partikeln erfüllt, sodass er nichts mehr um sich herum sehen konnte.
Außerdem stellte Yun Lintian fest, dass seine spirituelle Wahrnehmung stark unterdrückt war. Er konnte sie nicht weiter als zehn Kilometer ausdehnen. Das zeigte, wie furchterregend der Nethersturm war.
In diesem Moment streckte Gui Xuan seinen Kopf aus Yun Lintians Brust und hob den Kopf, um den Sturm zu betrachten. „Nicht … Freund.“
Yun Lintian runzelte leicht die Stirn und folgte dann Gui Xuans Blick. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ sein Herz fast stehen bleiben. Es war ein riesiges menschliches Gesicht, das zur Hälfte so verwest war, dass man Eiter und Blut herausfließen sehen konnte.
„Was für eine Überraschung. Hier sind zwei kleine Geister“, sagte der Mann. Seine Stimme war kalt und unheimlich, sodass Yun Lintian erschauerte.
Plötzlich tauchte eine riesige Skeletthand aus dem Sturm auf und streckte sich nach Yun Lintian aus.
Yun Lintian fasste sich wieder. Seine Aura schwoll sofort an, als er einen Schlag gegen die herannahende Hand ausführte.
BOOM!
Die Skeletthand wurde sofort in Stücke gerissen.
„Ein Gott!? Unmöglich! Wie hast du es geschafft, hier aufzutauchen?“, hallte die Stimme des Mannes durch die Luft. Sie klang ein wenig ängstlich.
Yun Lintian sprang aus der Erdwand und zog sich mehrere hundert Meter zurück.
Doch als er sich wieder bewegen wollte, war der riesige Geist bereits in dem Sturm verschwunden. So sehr er auch suchte, er konnte nichts finden.
Einen Moment später ließ der Sturm nach und legte sich vollständig.
Yun Lintian sah sich schnell um, konnte aber nichts entdecken.
„Was zum Teufel war das?“, murmelte Yun Lintian vor sich hin. Obwohl er ein erfahrener Praktizierender war, hätte ihm diese Art von Schreck fast das Herz stehen bleiben lassen.
Zum Glück war der riesige Geist nicht besonders mächtig. Er war nur auf dem Niveau eines Gottkönigs.
Yun Lintian atmete tief aus und schüttelte den Kopf. Dieses gruselige Gesicht würde ihn wahrscheinlich noch ein paar Tage verfolgen.
„Deshalb mag ich keine Horrorfilme.“ Yun Lintian schüttelte den Kopf und sah sich noch mal um, um die Richtung zu bestimmen, bevor er seine Reise fortsetzte.
In der Ferne tauchte der riesige Geist aus dem Nethersturm auf und blickte in die Richtung, in die Yun Lintian ging.
„Mein Herr, ich bin auf einen niederen Gott gestoßen“, sagte der riesige Geist. „Ja. Er geht nach Osten.“
***
**
*
Yun Lintian hatte keine Ahnung, dass er gerade von dem riesigen Geist verfolgt wurde. Nachdem er drei weitere Tage gelaufen war, entdeckte Yun Lintian ein kleines Geisterdorf, in dem er sich ausruhen konnte.
Das Dorf, in dem er sich befand, war nicht mit der Wandernden Geisterstadt zu vergleichen, aber es war voller Geister. Die Einheimischen hier schenkten Neuankömmlingen keine große Beachtung, da regelmäßig viele Leute kamen und gingen.
Yun Lintians Ankunft erregte keine Aufmerksamkeit. Er erkundigte sich und mietete mit selbstgemachten „Geistermünzen“ ein unbewohntes Haus.
Nachdem er eine Schutzformation errichtet hatte, schloss Yun Lintian die Augen und beschwor das Tor zum Jenseits.
Das Tor in Yun Litians Gedanken bebte leicht und tauchte dann neben ihm auf.
Yun Lintian war begeistert. Er konnte tatsächlich aus der Unterwelt in das Land jenseits des Himmels gelangen!
Ohne zu zögern, trug Yun Lintian Gui Xuan und ging durch das Tor.
Als Yun Lintian im Land jenseits des Himmels erschien, tauchten Lin Yitong, Jin Huian und Zhang Yu sofort vor ihm auf.
„Ich weiß“, sagte Lin Yitong sanft. Wie sie schon erwähnt hatte, war das Tor zum Land jenseits des Himmels aus einem Teil des mächtigsten räumlichen wahren Gottes gebaut worden. Es konnte aus der Unterwelt geöffnet werden.
Jin Huian runzelte die Stirn, als sie den grauen Staub auf Yun Lintians Kleidung sah. „Was ist passiert?“
Yun Lintian zog die schwarzen Kleider aus und ließ Gui Xuan frei.
Zhang Yu trat sofort vor, um nach Gui Xuan zu sehen. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass er unverletzt war, nahm sie ihn eilig mit, als hätte sie Angst, Yun Lintian würde ihn entführen.
Yun Lintian ignorierte sie und konzentrierte sich auf Jin Huian. „Vor drei Tagen bin ich auf den Nethersturm gestoßen.“
Er hielt einen Moment inne und fuhr dann fort: „Nun, die Unterwelt ist unserer Welt überraschend ähnlich …“
Yun Lintian erzählte weiter von der Unterwelt, von der er von Zhao Ming erfahren hatte, sowie von seinen Erlebnissen der letzten drei Tage.
„Es gibt echte Götter?“, fragte Lin Yitong und hob leicht die Augenbrauen.
„Ich bin mir nicht sicher. Ich muss das erst überprüfen. Im Moment bin ich auf dem Weg in die Hauptstadt, um mehr herauszufinden“, antwortete Yun Lintian.
Jin Huian war enttäuscht. Sie wollte unbedingt mehr über Meister Bais Situation erfahren.
„Lass mich mal nachsehen“, sagte Jin Huian, als sie durch das Tor ging. Doch im nächsten Moment stieß sie sofort auf eine unsichtbare Barriere.
Jin Huian runzelte die Stirn und sah Yun Lintian fragend an.
Yun Lintian zog die Augenbrauen zusammen. „Ich habe nichts gemacht.“
Lin Yitong ging zum Tor und streckte die Hand aus. Auch sie wurde von der unsichtbaren Barriere aufgehalten.
„Das ist die Grenze des Reiches. Wir können hier nicht rein, es sei denn, wir benutzen den offiziellen Eingang“, sagte sie sanft.
