Tartarus‘ Gestalt wurde zu einem verschwommenen Fleck, der sich auf Neo zubewegte.
Seine Todeslanze zielte auf seinen Schädel.
Neos Sicht verschwamm – nein, sie weitete sich.
In einem Augenblick sah er drei Zukunftsvisionen.
Zwei endeten damit, dass sein Körper zerfetzt und seine Seele vernichtet wurde.
Aber es gab eine – nur eine –, in der er überlebte.
Neo ergriff sie.
Er nutzte All-Shadow, um in diese Zukunft einzutreten.
Die Zeitlinien verdrehten sich und die Zeitelementare gerieten außer Kontrolle.
Neo spürte einen starken Widerstand, der seinen Körper zerriss.
Er erhöhte die Kraft seines All-Shadow auf Maximum und aktivierte ihn weiter.
Die kurze Zeitlinie, die durch seinen Segen entstanden war, verschmolz mit der Hauptzeitlinie und überschrieb sie.
Die Szene um Neo herum veränderte sich abrupt.
Eine große Narbe verlief über seinen Bauch. Sie hatte keine tiefe Wunde hinterlassen.
„Was war das?“, fragte Tartarus mit gerunzelter Stirn und schaute auf seine Hände. „Was hast du gemacht?“
Neo antwortete nicht.
Es fiel ihm schwer, aufrecht zu stehen, und ein pochender Kopfschmerz hämmerte weiter in seinem Kopf.
Die Energie in seinen Blutgefäßen war erschöpft. Es fühlte sich an, als würde Säure durch seine Adern fließen.
Seine Muskeln schrien, seine Lungen brannten und er hatte die Hälfte seiner Energiereserven verloren.
Weltenergie. Energie für seinen Halbgottkern. Unendliche Mana aus dem Mond.
Und trotzdem reichte es nicht.
Er verbrannte seinen Willen, um wieder eine homogene Menge Weltenergie zu erzeugen. Unendliche Mana strömte in seine Reserven.
Aber es war ein langsamer Prozess.
Die Erzeugung von Weltenergie brauchte Zeit, und obwohl das Mana des Mondes theoretisch unendlich war, konnte er pro Sekunde nur eine bestimmte Menge davon aufnehmen.
Tartarus setzte seinen Angriff fort.
Schatten brachen aus dem Boden hervor und nahmen die Form von Rasierklingen an, die aus allen Richtungen auf Neo einschlugen.
Er sah wieder das Ergebnis – jeder Weg führte zu seiner Zerstückelung.
Außer einem.
Neo setzte All-Shadow ein.
Die kurze Zeitlinie verschmolz mit der Hauptzeitlinie, und die Welt um Neo veränderte sich augenblicklich.
Sein Atem ging stoßweise, seine Intentionsvision reichte kaum noch ein paar Meter weit.
Er hatte seine Hand verloren.
Die Segnungen wirbelten um ihn herum und versuchten, seinen Arm zu regenerieren, aber es gab keine Energie, die sie nutzen konnten.
„Ich verstehe. Das ist es also, was du tust“, sagte Tartarus.
Neos Gefahreninstinkt schrie.
Er sah gerade noch, wie sich Tartarus‘ Handfläche öffnete, bevor eine Kugel aus verdichteter Dunkelheit und Tod aus nächster Nähe explodierte.
Es gab keine Zeit zu reagieren.
Keine Zukunft, aus der er wählen konnte.
Die Explosion verschlang ihn.
Ein Schmerz, wie er ihn noch nie zuvor gefühlt hatte, durchzuckte seinen Körper.
Seine Haut barst auf, seine Knochen zerbrachen, seine Seele zitterte am Rande des Zusammenbruchs.
Aber er blieb stehen. Er musste. Er weigerte sich, dort zu fallen.
Ein ohrenbetäubender Knall zeriss das Schlachtfeld. Die Kuppel der Dunkelheit, die Zera und Elizabeth gefangen hielt, zerbrach.
Tartarus‘ Aufmerksamkeit wanderte dorthin.
Neo sah wieder die Zukunft. Der Anblick –
„Nein. Komm nicht raus!“
Tartarus bewegte sich, bevor Neo ihn aufhalten konnte.
Er streckte die Hand aus. Sein Tod verschmolz mit Zeras Leere, und die beiden Elemente verdrehten sich zu etwas anderem.
Chaos.
Tartarus formte das Chaos zu einem Speer aus wirbelnder Zerstörung.
Er schleuderte es direkt auf Elizabeth. Alles passierte in einem Augenblick.
Elizabeths Augen weiteten sich. Sie hob ihre Hand, um die Zeit zurückzudrehen.
Aber das Chaos hatte ihr Element infiziert. Ihre Kraft versagte.
Der Speer durchbohrte ihre Brust. Das Chaos explodierte in ihrem Körper und verschlang sie.
Ihr Körper begann sich aufzulösen und wurde aus der Existenz ausgelöscht.
„Elizabeth!“
Neos Schrei hallte über das Schlachtfeld.
Elizabeth hustete Blut.
Anstatt erneut zu versuchen, die Zeit zurückzudrehen, sah sie ihn mit schmerzerfüllten, aber ruhigen Augen an.
Sie lächelte und öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
Doch bevor sie ein Wort herausbrachte, verschwand sie.
Neo erstarrte für einen Moment, bevor sein Kampfinstinkt einsetzte.
Er benutzte Shadow, um den Fluss der Zeit nachzuahmen und die Zeit zurückzudrehen.
Allerdings fehlte ihm die Energie dafür.
Seine Nerven brannten und er fühlte sich, als würden Tausende von glühenden Nadeln in seine Haut gestochen.
Er begann, sich selbst zu verschlingen, um den nachgeahmten Fluss der Zeit aufrechtzuerhalten, und als ihm das gelang, weigerten sich die nachgeahmten Zeitelementare, ihm zu helfen.
Er zwang seine Gedanken in ihre Köpfe und beugte ihren Willen, aber jeder Moment, den er verschwendete, bedeutete, dass er mehr Energie aufwenden musste, um in der Zeit zurückzugehen – Energie, die er nicht hatte.
Zera bewegte sich.
Bevor Tartarus seinen Vorteil ausnutzen konnte, entfesselte Zera ihre Welt innerhalb des Dunkelheitsheiligtums und ließ sie explodieren.
Eine gewaltige Explosion der Leere brach aus ihr hervor und riss das Heiligtum der Dunkelheit auseinander.
Die Realität zerbrach und die Albtraumwelt flackerte wieder auf, zerbrochen und beschädigt.
Tartarus schnalzte mit der Zunge, unbeeindruckt von der Zerstörung. Seine Dunkelheit schoss nach vorne.
Zera zögerte nicht.
Sie verbrannte ihren Kern.
Leere flammte heftig auf und ein strahlender Abgrund verschlang ihre Gestalt.
Sie hielt sich nicht mehr zurück und sparte keine Energie mehr. Ein Teil der Albtraumwelt, der bereits durch frühere Kämpfe beschädigt war, wurde in einem Augenblick ausgelöscht.
Eine Öffnung.
Sie wandte sich Neo zu. Ihre Hand verwandelte sich in eine riesige, deformierte Fleischmasse.
Sie traf Neo wie ein Lastwagen und schleuderte ihn durch die Öffnung aus der Albtraumwelt.
Neo stürzte durch den endlosen Abgrund. Das winzige schwarze Loch war zerbrochen und gab den Blick auf Tyrs Albtraumwelt frei.
„Mach dir keine Sorgen um Elizabeth und mich. Wir sind Hexen. Wir werden wiedergeboren.“
Zeras Stimme hallte in seinem Kopf wider.
„Konzentrier dich also darauf, dich selbst zu schützen.“
Die Risse in der Albtraumwelt begannen sich von selbst zu reparieren.
Das Letzte, was Neo sah, war, wie die Dunkelheit des Tartarus anschwoll und Zeras Körper mit einem einzigen Biss zur Hälfte verschlang.
Dann – nichts mehr.
Neo war verschwunden.
Tartarus stand allein da. Sein Blick war auf die Risse in der Albtraumwelt gerichtet, durch die Neo entkommen war.
Zum ersten Mal verzog er das Gesicht.
„Er ist entkommen.“
Er hob die Hand und manifestierte seinen Fluss der Zeit.
In diesem Moment begann die verbleibende Hälfte von Zeras Leiche ein zischendes Geräusch von sich zu geben.
Sie verwandelte sich in eine deformierte Fleischmasse, die jeder Logik widersprach. Die Realität verzerrte sich um sie herum, und schon der bloße Anblick würde ein Wesen niedrigen Ranges töten.
Die deformierte Fleischmasse wuchs endlos an.
Die Leere, die von der Leiche ausging, verzerrte den Fluss der Zeit und machte es ihm unmöglich, zurückzukehren.
Tartarus‘ Lippen verzogen sich.
Je länger er brauchte, desto schwieriger würde es werden, zurückzukehren.
„Na gut, diesmal hast du gewonnen.“
Er ließ den Fluss der Zeit los und konzentrierte sich darauf, die endlose deformierte Fleischmasse daran zu hindern, Tyrs Albtraumwelt und damit auch Tartarus‘ Körper – eine der Säulen – zu zerstören.
