„Das war er. Und was soll die Frage, ich bin auch stark. Ich war der Rivale deines Vaters.“
„Also war er ein Gott der Stufe 5 wie du?“, hakte Neo nach und kniff die Augen zusammen.
„… als wir jung waren, hat er mich vielleicht ein bisschen übertroffen“, gab Bael widerwillig zu und wandte seinen Blick ab.
„Wie viel ist ‚ein bisschen‘?“
„…“
„Großherzog Bael, wie viel ist ‚ein bisschen‘?“
„Ein bisschen ist ein bisschen“, antwortete Bael schroff.
Neo starrte Bael mit ausdruckslosem Gesicht an.
Bael rutschte auf seinem Stuhl hin und her und hustete.
Er winkte abweisend mit der Hand und wechselte schnell das Thema.
„Ich habe von diesem Insekt von deiner Schattenprüfung gehört.“
Eine plötzliche Bewegung erregte Neos Aufmerksamkeit, als Velkaria hinter dem Möbelstück hervorschaute.
„Mein Name ist Velkaria.“
„Was?“ Bael warf ihr einen finsteren Blick zu.
„Entschuldige die Störung. Bitte setzt euer Gespräch fort.“
Velkaria schrie auf, als Baels scharfer Blick sie durchbohrte.
Sie duckte sich sofort weiter hinter das Möbelstück.
„Was ist mit meiner Schattenprüfung?“, fragte Neo.
Bael starrte ihn einige Sekunden lang an, bevor er aufstand.
Ohne ein Wort zu sagen, trat er näher an Neo heran und tätschelte ihm zu dessen großer Überraschung sanft den Kopf.
„Gut gemacht. Ich bin stolz auf dich“, sagte Bael.
Neos Gesichtsausdruck erstarrte vor Unglauben.
„Was machst du da?“
„Ich lobe dich. Das ist eine meiner Aufgaben als dein Beschützer“, antwortete Bael mit einem Grinsen, als wäre seine Antwort selbstverständlich.
„Ein Beschützer, den ich zum ersten Mal sehe und der mich vor wenigen Sekunden fast umgebracht hätte? Hat sich die Definition von Beschützer geändert, während ich weg war?“
„Dieser kleine …“ Baels Grinsen verschwand.
Er holte tief Luft, seufzte und schüttelte leicht frustriert den Kopf.
Die Spannung zwischen ihnen war gebrochen, und die Atmosphäre schien leichter zu sein.
„Ich konnte den Palast nicht verlassen. Meine Aufgabe ist es, den Kern der Welt zu beschützen. Selbst ein einziger Moment der Unachtsamkeit kann zur Zerstörung des Weltkerns führen“, erklärte Bael.
„Selbst ein einziger Moment?“ Neo hob eine Augenbraue.
„Ja. Es gibt Äußere Götter, Monster, die in der Unterwelt lauern, Kultisten, Feinde aus anderen Welten. Man kann nie wissen, wer sich wann hierher teleportieren könnte.“
Bael blickte auf die leere Weite vor dem Fenster.
„Deshalb konnte ich den Palast niemals verlassen.“
„Ich verstehe …“, murmelte Neo.
Er spürte, dass Bael nicht weiter auf dieses Thema eingehen wollte, aber es gab Dinge, die Neo wissen musste.
„Wo sind Mama und Papa?“
Bael erstarrte.
Er hatte gehofft, Neo würde diese Frage nicht stellen.
Bael drehte sich um und ging langsam zu dem Stuhl in der hinteren Ecke des Raumes.
Er setzte sich, lehnte sich zurück und starrte an die Decke, als würde er dort nach Antworten suchen.
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Stille.
Die Momente zogen sich in die Länge. Schließlich sprach Bael.
„Sie sind vor ein paar Jahren in der Welt der Lebenden gestorben und jetzt wiedergeboren worden.“
„Und warum sind sie wiedergeboren worden?“
Bael senkte den Kopf und sah Neo direkt in die Augen.
„Das verfluchte Blut deiner Familie.“ Er machte eine Pause, bevor er hinzufügte: „Der Tod würde euch vier niemals ruhen lassen.“
„Wo sind sie jetzt?“
„Ich weiß es nicht.“
Bael schüttelte den Kopf.
Sein übliches Grinsen war verschwunden und hatte einem ernsten Ausdruck Platz gemacht.
„Was ist der Fluch meiner Blutlinie?“, fragte Neo. Er hatte nicht vor, aufzuhören, bis er die Antworten gefunden hatte, auf die er seit Ewigkeiten gewartet hatte.
„Die ursprünglichen vier: Eure Eltern und ihr beiden Brüder werdet jedes Mal wiedergeboren, wenn ihr sterbt“, sagte Bael.
„Deine Eltern sind immer zusammen.
Ob ihr beiden Brüder mit ihnen zusammen seid, ist jedoch Zufall.
Meistens werdet ihr beide zufällig wiedergeboren.“
Bael hielt inne und presste die Lippen zusammen, als würde er überlegen, ob er weiterreden sollte.
Schließlich fügte er hinzu:
„Je enger die Verwandtschaft zwischen euch vier Wiedergeborenen ist, desto schlimmer wird der Tod der Wiedergeborenen sein.“
Er warf Neo einen Blick zu.
„In eurem aktuellen Leben wart ihr alle vier eine Familie, deshalb …“
Baels Stimme verstummte.
Neo verstand sofort, was er meinte.
Die Tragödie von Void Window #8477 war wegen des Fluchs passiert.
Es war total still im Raum, während Neo ein paar Momente brauchte, um Baels Worte zu verdauen.
„Ist Dad nicht der Gott, der mit dem Tod, dem Leben nach dem Tod und der Unterwelt in Verbindung gebracht wird?
„Warum sind wir so verflucht?“, fragte Neo.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Bael. „Das letzte Mal, als ich Hades gesehen habe, war, als er ging und sagte, er wolle einen kurzen Urlaub machen. Er verschwand für Jahrhunderte.
„Seine Reinkarnation kehrte Tausende von Jahren später zurück, als er im Sterben lag.
Er erzählte mir von dem Fluch, dass ich an seiner Stelle den Weltkern beschützen und die Nachricht von seinem Fluch geheim halten müsse.
Der Rest ist Geschichte.“
Neo runzelte die Stirn.
Er traute Bael nicht, nicht nach dem ersten Eindruck, den er hinterlassen hatte.
„Wie kann ich deinen Worten glauben?“
„Wenn du nicht willst, musst du nicht. Niemand zwingt dich.“
Neo schnalzte frustriert mit der Zunge.
„Warum …“
„Stellst du mir nicht zu viele Fragen?“ Bael unterbrach ihn, stand auf und streckte sich träge.
Neo starrte ihn an.
„Wohin gehst du?“
„Schlafen. Ich bin müde“, antwortete Bael und gähnte laut, während er sich zur Tür wandte.
Neo sah Bael nach, als er den Raum verließ.
Als er allein war, konnte Neo seine Gedanken nicht abschalten.
„Verfluchte Blutlinie.“
„Die gleichen Worte habe ich in der Schattenprüfung gehört, und jetzt hat Bael sie wieder gesagt.“
Er runzelte die Stirn, während er versuchte, alles zusammenzufügen.
„Wenigstens weiß ich jetzt, dass Dad, Mom und Henry wie ich immer wiedergeboren werden.“
„Aber warum haben sie mir das verheimlicht?“
„Alle in der Unterwelt denken, dass Dad im Palast ruht.“
Es dauerte nicht lange, bis ihm der Grund dafür klar wurde.
„In der Unterwelt gibt es unzählige Monster, die extrem mächtig sind, ganz zu schweigen von den Seelen, die in die Welt der Lebenden zurückkehren wollen.“
„Der Grund, warum niemand aus der Reihe tanzt, ist, dass sie alle Angst vor Dad haben.“
„Aber in dem Moment, in dem sie merken, dass Dad nicht mehr da ist, um sie aufzuhalten, würden sie wild werden.“
Neo legte sich zurück auf das Bett.
Sein Rücken sank in die weiche Matratze, während seine Gedanken kreisten.
Selbst auf Luminera wusste Neo, dass die Erhabenen Halbgötter die Unterwelt betreten würden, um ihr Volk zu „retten“, wenn sie Hades nicht fürchteten.
Zwar gab es dort die Sensenmänner.
Aber es gab nur 81 Sensenmänner.
Selbst wenn man die Vorgänger der aktuellen Sensenmänner mitzählte, wären es bestenfalls etwa 100.
Das reichte nicht aus, um das Chaos zu verhindern, das ausbrechen würde, wenn die Menschen herausfänden, dass der Gott der Unterwelt nicht mehr da war.
„Verdammt“, murmelte Neo und sank tiefer in das Bett.
In diesem Moment erschien ein Bildschirm vor seinen Augen.
[Quest: Familie]
[Finde die aktuellen Reinkarnationen deiner Eltern und bring sie nach Hause.]
[Belohnung: Albtraum-Element, Levelaufstieg {Empathische Verbindung} x 2]
Neo hob überrascht die Augenbrauen.
Die Quest hatte keine Bedingungen, bei deren Nichteinhaltung sie fehlschlagen würde.
„Eine Quest namens Familie, bei der man Albtraum-Elemente als Belohnung bekommt“, murmelte Neo bitter vor sich hin.
„Das wird schwierig.“
Die Reinkarnationen zu finden, war nicht einfach.
Menschen konnten auch über Zeit hinweg wiedergeboren werden.
Das hatte Veldora ihm erklärt, als sie auf dem Weg zum Palast des Monarchen waren.
Neo konnte im Jahr 1860 sterben und seine Reinkarnation würde 1660 oder zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Vergangenheit oder Zukunft geboren werden.
„Warum muss alles so kompliziert sein?“,
stöhnte Neo und massierte sich die Schläfen.
Er stand auf, hob Obitus hoch und verließ den Raum.
