Er legte seine Handflächen auf den Boden.
Die kalte, rissige Erde bebte unter seiner Berührung, und der erstickende Geruch von Asche erfüllte die Luft.
Die Dunkelheit, die in seinem Schatten verborgen war, blühte auf und wand sich wie ein lebendes Wesen.
Sie kroch an ihm hoch, schwarze Ranken drangen in sein Fleisch ein.
Sie verschlang seine Haut, seine Muskeln und erreichte seine Knochen.
Neo hielt den Mund, obwohl sein Körper vor Schmerz brannte.
Plötzlich hörte er eine vertraute Stimme, die schwach hallte.
Wie lange willst du das noch machen?
Neo reagierte blitzschnell.
Er hob den Kopf und sah, wie sich die Wolken teilten und einen Himmel in Rot- und Violetttönen zum Vorschein kam.
„Zeus …“
Die Worte blieben ihm im Hals stecken, als die Bruchstücke eines zerbrochenen Mondes durch die Wolken fielen.
Zersplitterte Fragmente schwebten herab.
Ihr blasses Leuchten war ebenso schön wie furchterregend.
Tausende riesiger „Meteore“ – Mondstücke – stürzten herab und hinterließen silberne Lichtspuren, während sie den Himmel durchschnitten.
Ein riesiges Stück flog auf ihn zu.
„Scheiße …“
Neos Augen weiteten sich, als das massive Fragment in seiner Nähe einschlug.
Der Aufprall war ohrenbetäubend.
Einen Herzschlag später traf ihn eine mächtige Windböe, die Staub und Trümmer in einem wilden Sturm aufwirbelte.
Der Boden bebte heftig, und unter seinen Füßen bildeten sich spinnennetzartige Risse.
Dann wurde alles schwarz.
[12 Stunden sind seit deinem Tod vergangen.]
[Du wirst zwangsweise wiederbelebt.]
Neo stöhnte, als er wieder zu sich kam.
Sein Körper schmerzte und er fand sich unter einem Berg von Trümmern begraben wieder.
Der Geruch von Steinstaub füllte seine Lungen und würgte ihn.
Als er versuchte aufzustehen, drückten ihn die Trümmer weiter nach unten.
Er wollte gerade die Dunkelheit herbeirufen, um alles um sich herum zu verschlingen, als die gesamte Gegend erneut bebte.
Staub regnete von oben herab.
Es war, als hätte die Schwerkraft aufgehört zu wirken.
Die Trümmer hoben sich schwerelos und stiegen langsam in die Luft.
Erst jetzt bemerkte Neo Beelzebub.
Die riesige Kreatur war verletzt.
Sein gigantischer Schlund stand weit offen und verschlang Stück für Stück die Trümmer, während er verzweifelt nach Neo suchte.
Beelzebubs Körper blutete.
Sein elementares Blut floss aus zahlreichen Wunden in trägen, leuchtenden Strömen.
„Hat er versucht, mich zu beschützen?“, dachte Neo.
Als die Kreatur ihn endlich entdeckte, stieß sie einen angestrengten Schrei aus, in dem selbst in ihrem verwundeten Zustand Erleichterung zu erkennen war.
Aber sie konnte sich nicht länger halten.
Mit einem letzten, schwachen Laut verlor Beelzebub das Bewusstsein und schrumpfte zu einer kleinen Raupe zusammen.
„Danke, dass du mir geholfen hast.“
Neo hob die winzige Gestalt vorsichtig auf und steckte sie in seine Tasche.
„Ruh dich aus und erhol dich.“
Er tätschelte sanft seine Tasche.
Beelzebub stieß einen leisen, schwachen Schrei aus, als wolle er Neo versichern, dass es ihm gut gehen würde, bevor er in einen tiefen Schlaf fiel.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Beelzebub ruhte, sah sich Neo um.
Die Welt war still, bis auf das entfernte Knistern des Feuers und das Flüstern der Asche, die durch die Luft schwebte.
Die einst riesigen Fragmente des Mondes lagen zerbrochen in der öden Landschaft und tauchten alles in ein unheimliches, blasses Licht.
„Ich bin mir sicher, dass das Zeus‘ Stimme war. Wo ist er?“, sagte Neo.
Er sprang auf.
Der Ort war zu einer Katastrophenzone geworden, nachdem einige Teile des Mondes in der Umgebung eingeschlagen waren.
Der Boden war mit Kratern übersät, leuchtete schwach von der Restwärme und Rauch stieg aus der zerklüfteten Erde auf.
Fragmente von Himmelgestein ragten wie zerklüftete Monolithen hervor, einige davon noch immer von violetter Energie umgeben.
Ihr meteoritenartiger Absturz hatte den Himmel frei gemacht, sodass Neo in den Weltraum blicken konnte.
Die Leere war endlos, eine Leinwand aus Schwärze, übersät mit unzähligen Sternen.
Er konnte mehrere Säulen sehen, die so hoch waren, dass sie bis in den Weltraum reichten.
Sie waren seit dem ersten Tag gewachsen.
Aber er hätte nie gedacht, dass sie so hoch werden würden.
„Ich glaube, ich weiß, wie der Mond gefallen ist.“
Er sah sich um.
Die Trümmer des Mondes wiesen violette Risse auf.
Die Verderbnis der Leere musste ihn zerstört haben, was schließlich zu dieser katastrophalen Katastrophe geführt hatte.
Neos Gedanken wurden unterbrochen, als er einen goldenen Blitz im Osten herabkommen sah.
Er zerteilte den Himmel mit einem ohrenbetäubenden Donnerschlag und erhellte für einen Moment die zerstörte Landschaft.
„Er lebt?“
Neo bewegte sich schnell.
Seine Schritte waren leicht und eifrig, er wirbelte Staub auf, als er auf die Quelle des Blitzes zulief.
Der Wind heulte um ihn herum und trug den Geruch von verbranntem Stein und Asche mit sich.
Als er sich dem Gebiet näherte, bemerkte Neo etwas.
Seine Affinität zum Tod reagierte anders als sonst.
Er konnte an dem Ort, auf den er zusteuerte, keine „lebende Person“ spüren.
Neo runzelte die Stirn.
Er beschleunigte seine Schritte und bewegte sich so schnell, dass hinter ihm nur noch Nachbilder zu sehen waren.
Der Boden bebte bei jedem Schritt, doch er fühlte sich schwerelos.
Gerade als er die Quelle der ständigen Blitze erreichte, fand er „Zeus“.
„…“
Ein kopfloser Leichnam kämpfte gegen die Maden, als wäre er von einem rachsüchtigen Geist besessen.
Es war unverkennbar eine Leiche.
Der Hals wies gezackte, zerrissene Spuren auf, als hätte eine Made sich festgebissen und den Kopf abgebissen.
Der einst mächtige Zeus war tot.
Doch sein Körper kämpfte weiter.
Seine Leiche, vielleicht gesteuert von Muskelgedächtnis oder dem letzten Willen von Zeus, kämpfte weiter.
Goldene Blitze schossen aus seinen Händen und trafen die Maden wiederholt.
Doch die Maden blieben unversehrt.
Ihre sich windenden Körper wurden von den Angriffen kaum beeindruckt.
Neo rührte sich nicht.
Er war wie gelähmt von dem Anblick, der sich ihm bot.
Stunden vergingen, während er dastand und den Kampf der Leiche beobachtete, obwohl sie den Maden nichts anhaben konnte.
Sie beschwor Blitze herauf, um die Maden immer wieder anzugreifen.
Obwohl die Angriffe nutzlos waren, konnten die Maden die Leiche auch nicht zerstören.
Ihre Zähne konnten ihre makellose Haut nicht durchbeißen, egal wie wild sie daran nagten.
Sie stießen ohrenbetäubende Schreie aus, hohe Klagelaute, die über das öde Schlachtfeld hallten.
Bald bebte der Boden.
Risse breiteten sich über das öde Schlachtfeld aus, als drei gigantische Säulen aus der Erde emporragten und eine unheimliche Aura ausstrahlten.
Hunderte von Augen blinzelten an ihrer Oberfläche auf und richteten sich alle auf Zeus‘ kämpfende Leiche.
Sie starrten ihn unbeweglich an und versuchten, ihn mit einer unnatürlichen Kraft zu verderben.
Aber nichts passierte.
„Verrückter Bastard.“
Neo wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
Zeus war zwar getötet worden, aber er war nicht besiegt.
Als Neo ihn ansah, überkamen ihn seltsame Gefühle.
Wertschätzung. Respekt. Stolz. Trauer.
Der Ausdruck in Neos Blick veränderte sich.