Neo hat ihr weder zugestimmt noch abgelehnt.
Er hat sie einfach ignoriert und sich auf den Tee konzentriert.
Clara hat sich nur mit Mühe davon abgehalten, ihn umzubringen.
„Was muss ich tun?“, hat sie noch mal gefragt.
Diesmal hat Neo geantwortet.
„Rette die Königin.“
Er hat noch hinzugefügt:
„Wenn du das machst, werde ich den Todesfluch von dir und deinem Bruder nehmen.“
Wenn Clara den Fluch aufheben würde, könnte die Königin die Rebellion im Alleingang beenden.
Wenn sie Neo jedoch ablehnte …
Clara war es egal, ob sie sterben würde, aber sie wollte nicht, dass Paul mit ihr starb.
Sie musste eine Entscheidung treffen.
Die Rebellion oder ihr Bruder.
Sie biss sich auf die Lippen, bis sie bluteten.
Plötzlich rief Paul sie.
„Schwester, rette mich, bitte. Es tut weh! Es tut so weh, dass ich sterben will!“
Sein Gesicht war voller Tränen, Rotz und Blut.
Er kratzte sich weiter das Gesicht und verschlimmerte seine Verletzungen.
Claras Herz zitterte, als sie diesen erbärmlichen Anblick sah.
„Bist du überhaupt ein Mensch? Wie kannst du das tun und dann ganz normal Tee trinken?“, schrie sie Neo an.
„Ich habe mich nicht selbst getötet.“ Neo stellte die Tasse auf den Tisch. „Warum sollte ich mit jemandem, der mich getötet hat, nachsichtig sein?“
„Er hat nichts getan! Ich habe dich getötet!“
„Und du wirst auch sterben, wenn du den Deal nicht annimmst.“
Clara hielt abrupt den Mund.
Sie konnte es sehen.
Neo war ruhig.
Zu ruhig.
Er war an den Tod gewöhnt.
Andere zu töten war für ihn so selbstverständlich wie atmen.
Er schätzte das Leben nicht.
Trotzdem konnte Clara sich nicht entscheiden.
War es richtig, die Rebellion nur für ihren Bruder und sich selbst aufzugeben?
Nein, das war zu egoistisch.
„Bevor du ablehnst …“
Neo sprach plötzlich.
„Glaub nicht, dass das hier schon das Ende ist.“
„Was meinst du damit …?“
„Denk daran, aus welcher Blutlinie ich stamme.“
„… Monarch des Todes.“
Neo nickte.
„Wenn du mich abweist, werde ich dafür sorgen, dass ihr beide in der Unterwelt für alle Ewigkeit etwas viel Schlimmeres durchmachen müsst.“
Seine Worte trafen sie wie ein Schlag.
Sie wollte sagen, dass das unmöglich sei.
Der Gott des Todes, der Richter des Endes und die Sensenmänner waren unparteiisch.
Aber.
Neo war eine Ausnahme.
Er war der Erbe des Todes und …
Er war wieder zum Leben erwacht, er hatte etwas Unmögliches vollbracht.
Es war sehr wahrscheinlich, dass er in der Lage war, das zu erreichen, was er gerade gesagt hatte.
Clara wollte sich Zeit nehmen und nachdenken, bevor sie antwortete, aber jede Sekunde, die sie mit Nachdenken verschwendete, war eine weitere Sekunde, in der ihr Bruder unvorstellbare Schmerzen erlitt.
„… Ich werde es tun.“
Sie biss sich auf die Lippen.
„Ich werde tun, was du gesagt hast. Also bitte hör auf, meinem Bruder wehzutun.“
„Lass ihn ein paar Minuten in Ruhe. Ich will ihn schreien hören.“
Neo schaute auf die Uhr.
Es waren noch zwei Stunden, bis der Unsterbliche wieder aufgeladen war.
Wenn er Paul gehen ließ, was sollte er dann tun?
Tanzen?
Er hatte einen Grund, mit seiner Antwort Zeit zu schinden, auch wenn er wie ein Psychopath wirkte.
Während die Minuten vergingen, dachte Clara unzählige Male daran, Neo zu töten.
Aber sie erinnerte sich an seine Warnung und blieb, wo sie war.
Sie war viel stärker als Neo, und trotzdem war sie hilflos.
Clara fühlte sich elend.
Es war 1 Uhr morgens, als Neo sich endlich bewegte.
„Wir müssen die Königin retten, sie hat nur noch wenige Stunden zu leben.“
Er hob Elizabeth hoch und legte sie auf das Bett.
Ihr Körper war heiß und sie atmete kaum noch.
Die Verletzung an seinem Bein schoss ihm bei jeder Bewegung wie ein Stich durch den Körper.
Er hielt jedoch sein Gesicht ausdruckslos, um den Anschein zu wahren, dass er die Kontrolle hatte.
Er stellte einen Stuhl neben das Bett und setzte sich darauf.
„Übertrage ihren Fluch auf mich.“
„Paul … entferne zuerst das Todesmal von ihm.“
Neo schnippte mit den Fingern und Paul hörte auf zu schreien.
Er schäumte aus dem Mund und verlor das Bewusstsein.
„Das Todesmal hat aufgehört, seine Lebenskraft ‚gewaltsam‘ zu verschlingen, sodass er keine Schmerzen mehr spürt. Aber er verliert sie immer noch in rasendem Tempo.“
Neo sah sie mit einem eiskalten Blick an.
„Versuch nicht, irgendwelche dummen Spielchen mit mir zu spielen, wenn du keine dummen Preise gewinnen willst.“
Er warnte sie.
Clara nickte.
„Ich … ich werde mit der Übertragung beginnen.
Du musst zuerst Körperkontakt mit der Königin herstellen.“
Er ergriff Elizabeths Handfläche.
Clara schloss die Augen und konzentrierte sich.
Lila Farbtöne erschienen um sie herum.
Sie drangen in den Körper der Königin ein.
Ein paar Minuten vergingen, aber nichts passierte.
Clara öffnete mit einem Ruck die Augen.
Sie atmete schwer.
„Es funktioniert nicht. Sie gibt den Fluch nicht auf.“
Neos Gesicht verdunkelte sich.
„Versuch es noch einmal.“
Nach Claras neuem Versuch vergingen weitere fünf Minuten.
Es gab keine Veränderung.
Jetzt war Neo klar …
„Sie will sterben.“
Clara erstarrte, als sie ihn hörte.
„Das ist wohl verständlich, nachdem sie mit ansehen musste, wie jemand, den sie großgezogen hat, versucht hat, sie zu töten.“
Obwohl er einen ruhigen Gesichtsausdruck hatte, stieg seine Angst langsam in ihm auf.
Wenn die Königin starb, war er am Arsch.
Es gab noch mehr Rebellen als nur Clara und Paul.
Wenn sie zurückkamen und herausfanden, dass Neo versucht hatte, die Königin zu retten, würden sie ihn nicht gehen lassen.
Clara hörte auf ihn, weil ihr Bruder verflucht war, aber die anderen waren nicht wie sie.
Die Königin zu retten war seine einzige Überlebenschance.
„Verdammt, warum will sie den Fluch nicht aufheben!“
Neo würde einfach sterben und wiederauferstehen, da seine Unsterblichkeit wieder aufgeladen war.
Darüber machte er sich keine Sorgen.
Er hätte sich keine Sorgen machen sollen.
Der Plan war bis zur letzten Phase reibungslos verlaufen.
Die Weigerung der Königin war jedoch ein großes Problem!
„Versuch es noch einmal“, sagte er zu Clara.
Sie versuchten das Ritual mehrmals.
Alle Versuche scheiterten.
Die Zeit des Todes der Königin rückte langsam näher.
Neo runzelte die Stirn.
Was sollte er tun?
Gab es eine Möglichkeit, die Königin zu motivieren?
„Sag ihr, dass du nicht willst, dass sie stirbt, und versuch es noch einmal“, befahl Neo.
Clara hörte auf ihn.
Es änderte sich nichts.
„Sei aufrichtiger in deiner Bitte.“
Wieder hatten ihre Worte keine Wirkung.
