„Das ist… mein Heimatland…“
„Das Yen-Königreich… warst du Teil der königlichen Familie?“
„Mittlerweile bin ich nur noch ein verbanntes Niemand.“
„Ich schätze, du hast in den politischen Kämpfen verloren.“
„…“
„Willst du Rache?“
„Nein … das ist über sechshundert Jahre her, und die meisten Menschen, die damals gelebt haben, sind schon gestorben. Als es passiert ist, war ich damit ziemlich zufrieden, heheh, aber jetzt ist es mir eigentlich egal …“
„Wenn ich richtig liege, lebt der Hauptgegner, der dich vertrieben hat, noch und regiert dieses Land, oder?“
Wu Long lachte leise und der alte Yen riss die Augen auf.
„Ich frage dich noch einmal. Willst du Rache?“
„… Ich… ich will.“
Der alte Yen zögerte zunächst, nickte dann aber.
„Sehr gut, dann wirst du deine Chance bekommen, wenn wir Nie You und seinen Meister besuchen, um die Angelegenheit zu untersuchen.“
Wu Long nickte und ging, während der alte Yen sich emotional verbeugte und sich immer wieder bedankte. Wu Long mochte keine übertriebenen Höflichkeiten, aber er wusste, dass es nicht nur sinnlos wäre, ihm zu sagen, er solle sich nicht bedanken, sondern auch seine Dankbarkeit missachten würde. Deshalb ging er einfach, damit der Mann sich beruhigen und seine Gefühle wieder unter Kontrolle bringen konnte.
Wu Long kehrte zu den schönen Damen zurück und lauschte der Diskussion über den Dao.
„Wu Long, stimmt es, dass die Klingenkaiserin eine Dao-Kultivierende ist?“
Als Gong Cui und ihre ältere Schwester sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatten und keine Außenstehenden mehr da waren, fragte Luo Mingyu mit lebhaftem Interesse in ihren schönen violetten Augen, die vor Aufregung ein wenig glänzten.
„Hahaha, ja, das stimmt. Interessiert dich das?“
„Natürlich, sie ist die Herrscherin eines Landes und außerdem eine Dao-Kultivierende.“
„Das ist gar nicht so ungewöhnlich, weißt du, es ist eher seltener, dass Kultivierende anderer Pfade Herrscher werden.“
Abgesehen von Ye Ling zeigten die anderen himmlischen Schönheiten um Wu Long überraschte Gesichter bei dieser Aussage.
„Redest du von der Welt außerhalb dieser Welt?“,
fragte Wu Mengqi mit Interesse. Wu Long hatte seinen Frauen ausdrücklich gesagt, dass sie ihr früheres Leben nicht erwähnen sollten, aber Wu Longs eigene Veränderung konnte nur erklärt werden, wenn sein früheres Leben offenbart wurde. Genau das wurde ihr gesagt: dass er Erinnerungen an ein früheres Leben zurückgewonnen hatte, in dem er in einer Welt jenseits dieses kleinen, isolierten Ortes gelebt hatte, ohne dass ihre frühere Verbindung erwähnt wurde.
Das Konzept war für sie noch vage, daher interessierte sie das Thema sehr.
„Ja“,
Er nickte lächelnd, als sie von ihm die Bestätigung dessen hörte, was sie von den anderen gehört hatte, was diese Vorstellung in ihrem Kopf festigte.
„Aber … ist es dann nicht einfach, den Thron mit Gewalt zu erobern?“
fragte Hua Ziyan, da es hier allgemein bekannt war, dass in der Welt der Kultivierung Macht alles bedeutete.
„Nicht unbedingt, siehst du, diese Welt ist aufgrund ihrer Isolation immun gegen die bestehenden Machtstrukturen der Außenwelt.
Dort sind die Politik und die Machtverhältnisse viel komplexer, miteinander verflochten und voneinander abhängig.
Hier könnte man vielleicht mit Gewalt ein Land erobern, aber selbst dann müsste man die Zustimmung der „Meister“ der drei Kontinente einholen. Draußen jedoch, wo es Kontrollmechanismen und Organisationen gibt, die über die Länder hinausgehen, auf die sich diese stützen, verliert die eigene Macht bis zu einem gewissen Grad an Bedeutung.
Es gibt überall Ausnahmen und Unregelmäßigkeiten, aber die allgemeine Regel ist stabil“,
erklärte er, während die anderen ihn nachdenklich ansahen.
„Aber … warum Dao-Kultivierende?“,
fragte Shen Min, die bereits in ihrer wahren Gestalt war, da die Gong-Schwestern nicht in der Nähe waren. Sie war jemand, der sich bis zu einem gewissen Grad gegen die Herrscher ihres eigenen Landes gestellt hatte, daher war ihr die Bedeutung ihrer individuellen Macht sehr wichtig.
„Dao-Kultivierende gehörten zu den ersten Kultivierenden, die auftauchten. Da sie über das Dao nachdachten, erreichten sie Höhen, die Sterbliche nicht erreichen konnten, und lebten länger, was ihnen ermöglichte, eine Machtbasis aufzubauen, die später immer stabiler wurde.
Es gab eine kurze Zeit, in der die Martial-Kultivierenden fast mit Gewalt die Macht übernommen hätten, aber sie stießen schnell an Grenzen, die die Hilfe der Dao-Kultivierenden erforderten. Natürlich gab es auch diejenigen, die beschlossen, sie einzuschränken und sie zur Mithilfe bei ihrer Kultivierung zu zwingen, aber diese Bemühungen waren vergeblich, da es immer Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten gab. Die Welt war nie ein Monolith der Meinung.
Ein großer Teil der Kampfkunst-Kultivierenden entschied sich dafür, mit den Dao-Kultivierenden zusammenzuarbeiten oder ihnen zu dienen, um sich für ihre Hilfe zu revanchieren.
Als Wu Long kurz die Ursprünge der Machtstruktur der Außenwelt schilderte, ging ihnen ein Licht auf.
„Also kamen die, die mitgemacht oder geholfen haben, natürlich schneller voran, weil die Dao-Kultivierenden ihnen gerne geholfen haben …“
sagte Luo Mingyu, und Wu Long nickte lächelnd.
„Genau, am Ende wurden die, die die Dao-Kultivierenden eingesperrt hatten, von denen, die ihnen geholfen hatten, vernichtet, weil sie als Bedrohung für die Ordnung der Dao-Kultivierenden angesehen wurden.“
„Also haben die Dao-Kultivierenden ihre eigene Ordnung aufgebaut?“,
fragte Wei Lan, die nun ungefähr verstand, wie die Politik der Außenwelt funktionierte, und Wu Long nickte erneut. Es machte Sinn, dass nach solchen Unruhen und Bedrohungen jeder Herrscher, der versuchte, Dao-Kultivierende einzusperren und sie mit Gewalt zu ihrer Kultivierung zu zwingen, als Gesetzloser angesehen wurde und nicht nur er selbst, sondern das gesamte Land oder die gesamte Organisation des Täters ausgelöscht wurde.
„Aber es ist auch logisch, denn um ein Land angemessen regieren zu können, muss man Intellekt haben, aber es ist nicht unbedingt erforderlich, ein großer Krieger zu sein.
Man kann ein großes Talent für die Regierungsführung haben, aber kein Talent für die Kultivierung, daher ist die Dao-Kultivierung, die das Kultivierungstalent des Praktizierenden weitgehend ignoriert, die perfekte Wahl“,
sagte Wu Long mit einem Achselzucken.
„Warum hast du nicht mit diesem Grund angefangen?“,
fragte Wei Lan, als sie eine versteckte Bedeutung in der Reihenfolge seiner Argumentation bemerkte. Der zweite Grund war schließlich viel natürlicher.
„Hehe, du denkst immer noch zu leichtfertig über die Gier und Begierden der Menschen, Lan’er.
Der zweite Grund mag natürlich sein, aber derjenige, der dafür spricht, dass Herrscher Dao-Kultivierende sein sollten, ist der erste. Denn in dieser Welt wird nur auf Vernunft gehört, wenn sie durch Macht gestützt wird.
Schau dir nur diese kleine Welt als Beispiel an: Sobald die bestehenden Machtstrukturen und Ordnungen zusammenbrachen, versank sie in der Herrschaft der Gewalt. Selbst Nie Xiwang, die Kaiserin dieses Landes, kann nur auf ihrem Thron sitzen, weil sie das Gleichgewicht des Dao praktiziert und über genügend Macht verfügt, um ihren Anspruch auf den Thron zu verteidigen.“
Wu Long lachte leise, denn es war typisch für Wei Lan, zu denken, dass eine vernünftige Erklärung wichtiger sei als die durchgesetzte Ordnung, weil sie so rechtschaffen war. Rechtschaffene Menschen konnten die Bösen oft nicht einmal ansatzweise verstehen, da dies für sie einfach unbegreiflich war.
Wu Long bewunderte sie sehr dafür, dass sie so reinherzig bleiben konnte, obwohl die Welt zu solchen Menschen nicht so freundlich war. Manche würden es Naivität nennen, aber Wu Long sah darin die Schönheit ihrer Seele. Selbst jetzt konnte er sehen, dass sie sich durch seine Worte etwas unwohl fühlte, und kicherte, als er ihre Wange streichelte.
Wei Lan errötete, da sie öffentliche Liebesbekundungen nicht gewohnt war, auch wenn sie zum Kreis der Frauen von Wu Long gehörte, doch ihr Herz schlug dennoch schneller und sie verspürte ein warmes, wohliges Gefühl.
„…! Ähm!… Was ist mit Alchemisten?“
Als sie die lächelnden Gesichter um sich herum bemerkte, räusperte sich Wei Lan und stellte mit noch immer rosigen Wangen eine Anschlussfrage.
„Du meinst, dass sie potenziell in derselben Lage sind wie Dao-Kultivierende? Du hast Recht, als sie zum ersten Mal auftauchten, wurden sie als Bedrohung für die von den Dao-Kultivierenden aufgebaute Machtstruktur angesehen, da sie den Menschen halfen, über ihre natürlichen Begabungen hinaus zu kultivieren.
Aber wie immer gab es einen Unterschied in der Herangehensweise, und die Seite, die sich entschied, die Alchemisten zu akzeptieren, gewann, sodass sie einen ähnlich hohen Status in der Welt der Kultivierung erlangten wie die Dao-Kultivierenden, wenn auch immer noch etwas niedriger.“
Wu Long nickte zu dieser logischen Frage und fuhr mit seiner Erklärung fort.
„Aber ist diese Weltordnung nicht instabil? Könnte nicht ein mächtiger Martial Cultivator sie auf den Kopf stellen?“
fragte Shen Min als Nächstes.
„Nun, das ist eine gewaltige Aufgabe.
Stell dir einen Weg im Schnee vor. Wenn eine Pferdekutsche durch den Schnee fährt, hinterlässt sie eine Spur, wo das Pferd gefahren ist, und zwei Rillen von den Rädern.
Die zweite Kutsche kann leicht abweichen, folgt aber dem gleichen Weg.
Dann fällt neuer Schnee und bedeckt den alten, aber die Stellen, an denen die Kutschen gefahren sind, sind immer noch tiefer, sodass die nächsten Kutschen ebenfalls auf dem bereits vorhandenen Weg fahren.
Und so geht es immer weiter, der Schnee fällt und wird immer fester, bis man eines Tages nicht mehr von diesem Weg abkommen kann, weil die Räder in zwei tiefen Rinnen mit festem Eis auf beiden Seiten stecken und das Pferd in einem schmalen Pfad zwischen dem tiefen Eis feststeckt.
Die Welt ist im Grunde genommen dasselbe: Wenn sie einmal eine bestimmte Richtung eingeschlagen hat, ist es sehr schwer, sie zu ändern, und die folgenden Generationen dieser Ordnung festigen sie immer weiter.
Die Welt der Kultivierung ist seit jeher in dieser Ordnung verankert. Stell dir nur vor, wie viele Strukturen es gibt, die sie festigen. Und mehr noch, sie ist bereits tief in den Köpfen der Menschen verankert“,
sagte Wu Long mit nachdenklichem Blick.
„Aber …“
fügte er hinzu, und Ye Ling sah ihn überrascht an, da sie keinen Gegenargument erwartet hatte. Sie wusste sehr gut, wie tief die Ordnung, von der Wu Long sprach, im Leben der Sieben Grenzenlosen Welten verwurzelt war.
„… vielleicht müssen wir in gewisser Weise diese sehr gewaltige Aufgabe übernehmen, wer weiß?“
Dann lachte er leise, und Ye Lings Augen weiteten sich.
„Du …!“
Er lächelte nur über ihren erstaunten Ausruf, und in ihren Augen zeigte sich Besorgnis, da sie nun begriff, dass Wu Long nach seiner Rückkehr etwas sehr Ehrgeiziges und unglaublich Gefährliches vorhatte.
