Alle hinter Jian Xu waren total erschrocken, als sie das sahen. Für sie war Jian Xu unbesiegbar. Selbst ihr Palastherr musste vorsichtig sein, wenn er ihm gegenüberstand. Wie konnte Yun Lintian ihn mit einem einzigen Schlag besiegen?
„Puff!“ Jian Xu spuckte eine Menge Blut aus.
Er starrte Yun Lintian und das Schwert in dessen Hand an. „Ohne einen Träger ist ein Schwert nichts weiter als ein Stück Metall. Willst du damit sagen, dass ich verloren habe, weil dein Schwert besser ist als meines? Ha! Ich habe mehr als dreitausend Jahre lang trainiert. Das ist das erste Mal, dass ich so eine lächerliche Aussage höre!“
Yun Lintian schüttelte leicht den Kopf. „Natürlich geht es nicht nur um das Schwert, sondern auch um das Verständnis seines Weges.“
„Lächerlich!“ Jian Xu war wütend. „Du behauptest, mein Verständnis des Weges des Schwertes sei schlechter als deins? Hahaha! Bring mich nicht zum Lachen.“
Yun Lintian sagte nichts weiter. Er hob sein Schwert zum Himmel und seine Aura beruhigte sich allmählich.
Ein goldener Glanz erschien auf der Klinge und verwandelte sich in einen dicken Strahl, der in den Himmel schoss und alle schwarzen Wolken zerstreute.
Als Jian Xu das sah, setzte sein Herz einen Schlag aus. Er hatte noch nie in seinem Leben eine so furchterregende Schwertabsicht gesehen.
„Öffnet eure Augen und schaut genau hin“, sagte Yun Lintian mit ruhiger Stimme, die alle aus ihrer Trance weckte.
Als er den Satz beendet hatte, schwang Yun Lintian das Schwert nach unten. Der goldene Glanz teilte den Himmel augenblicklich in zwei Hälften, während die mächtige Schwertabsicht mit gewaltiger Wucht herabfiel.
„Ich glaube es nicht!“, brüllte Jian Xu, und seine Aura schwoll an und breitete sich bis zur Tausende Kilometer entfernten Himmlischen Schwertgöttlichen Stadt aus.
Als er seinen Griff um sein Schwert festigte, umgab sofort eine mächtige Schwertabsicht den gesamten Gipfel. Die Schwertabsicht war erfüllt von einer tyrannischen Blitzkraft, die jeden mit einer einzigen Berührung sofort töten konnte.
Als Shen Liqiu diese Szene sah, beschwor er schnell die Pagode herbei und brachte Yun Qianxue, Linlin, Qingqing und Jian Feng hinein. Sonst wären sie zweifellos unter dem herannahenden Aufprall der beiden gewaltigen Schwertabsichten gestorben.
Angesichts der vollen Kraft von Jian Xu blieb Yun Lintian unerschütterlich und schwang das Schwert weiter nach unten.
Der goldene Glanz, der der Klinge folgte, zerbrach sofort Jian Xus neu gebildete Donner-Schwert-Absicht und sprengte sie auseinander.
Jian Xus Gesicht verzerrte sich zu einer entsetzten Grimasse, als er diese Szene sah. Sein Herz, sein Verstand und seine Seele wurden augenblicklich von überwältigender Angst erfüllt. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er Angst bis ins Mark.
Ohne weiter nachzudenken, hob er sein Schwert und schwang es mit aller Kraft nach oben, um Yun Litians Angriff abzuwehren. Selbst wenn er ihn nicht vollständig abwehren konnte, musste er zumindest seine Kraft um einiges verringern.
Mit einem lauten Knall zerbarst die umgebende Luft, als könne sie der Wucht nicht standhalten, gefolgt von einem knackenden Metallgeräusch, das durch den Himmelsdurchbohrenden Gipfel hallte.
„Nein!“, schrie Jian Xu entsetzt, als er sah, wie das Himmels-Schwert beim Aufprall auf Yun Lintians Schwert in zwei Hälften zerbrach.
Der goldene Glanz folgte ihm und verschlang Jian Xu vollständig.
In diesem Moment ertönte eine ohrenbetäubende Explosion, gefolgt von einem blendenden goldenen Glanz, der alles in sein Licht tauchte.
Eine Weile später zerstreute sich der goldene Glanz und verschwand, und auf dem Boden, wo Jian Xu zuvor gestanden hatte, war ein tiefer, langer Krater zu sehen. Von seinem Körper war jedoch nichts zu sehen.
In der Ferne starrten die zweihundert Leute wie betäubt auf die Szene, als hätten sie ihren Verstand verloren. Sie trauten ihren Augen nicht. Der Held ihrer Generation, Jian Xu, war einfach so gestorben!
Yun Lintian atmete tief aus.
Auf seinem blassen Gesicht waren Schweißtropfen zu sehen. Er hatte seine gesamte innere Energie in diesen Angriff gesteckt. Zweifellos war es unpraktisch, diese Kraft in einem echten Kampf einzusetzen, es sei denn, es gab nur einen einzigen Gegner.
Gleichzeitig wurde ihm klar, wie furchterregend das Himmelsdurchbohrende Schwert und seine überragende Kunst waren. Er fühlte sich, als hätte er gerade ein Schweinemesser benutzt, um ein Huhn zu schlachten. Es war einfach übertrieben.
„Puff!“ Yun Lintian hustete plötzlich Blut und sein ganzer Körper versteifte sich.
„Wer hat dir erlaubt, zehn Prozent der Kraft des Schwertes einzusetzen?“, hallte Hongyues Stimme in seinem Kopf. „Um ihn zu besiegen, kannst du ihn langsam zermürben, bis er erschöpft ist. Es ist überhaupt nicht nötig, einen großen Angriff zu starten.“
Yun Lintian wischte sich das Blut aus dem Mundwinkel und antwortete mit einem bitteren Lächeln. „Ich wollte wissen, wie stark dieses Schwert ist. Ich hätte nicht gedacht, dass ich nicht einmal mehr als zehn Prozent seiner Kraft entfesseln kann, nachdem ich meine gesamte innere Energie verbraucht habe … Es scheint nicht für diese Welt geeignet zu sein.“
„Offensichtlich.“ Hongyue verdrehte die Augen.
„Geht es dir gut?“ Yun Qianxue tauchte neben Yun Lintian auf und leitete schnell ihre innere Energie zu ihm, um seine Verletzung zu lindern. Ihre Augen waren voller Sorge.
„Du bist zu stark, Ehemann!“ Shen Liqiu sah Yun Lintian bewundernd an. Wie erwartet von dem Mann, den sie persönlich ausgewählt hatte.
Währenddessen starrte Jian Feng benommen auf den tiefen Krater im Boden. Keine Worte konnten seine momentanen Gefühle beschreiben.
Jian Xu war für ihn wie ein unüberwindbarer Berg, aber Yun Lintian hatte ihn mit einem einzigen Schlag getötet. Obwohl er sich der außergewöhnlichen Begabung von Yun Lintian bewusst war, konnte er es in dieser kurzen Zeit nicht akzeptieren.
„Mach dir keine Gedanken darüber. Mit der Himmelsdurchbohrenden Schwertkunst ist diese kleine Welt nicht mehr groß genug für dich. Das Göttliche Reich sollte dein Ziel sein, nicht er.“ Qing Xiaoting war unbemerkt an Jian Fengs Seite getreten und klopfte ihm sanft auf die Schulter.
Jian Feng beruhigte sich und sagte: „Ich verstehe, Meister.“
„Gut.“ Qing Xiaoting nickte lächelnd.
„Ach, ich bin zu spät gekommen.“ Ein Seufzer ertönte von oben, als Jian Han mit einem weißhaarigen alten Mann erschien.
Er blickte mit einem gemischten Gefühl auf die Stelle, an der Jian Xu verschwunden war. Schließlich waren die beiden seit ihrer Kindheit zusammen aufgewachsen.
„Ich habe den Palastherrn gesehen.“ Die zweihundert Leute verneigten sich eilig vor dem weißhaarigen alten Mann neben Jian Han.
Der alte Mann warf einen Blick auf das Schwert in Yun Lintians Hand und dann auf Qing Xiaoting. „Wie lautet deine Entscheidung, Vorfahr?“
Seine Worte trafen alle wie ein Blitzschlag und ließen sie wie versteinert an Ort und Stelle stehen.
