Lei Qian war Bai Meiyue gegenüber ganz offen. Wenn sie was sagte, hatte er nur einen Gedanken: ihr zuzuhören, anstatt mit ihr zu streiten. Da sie gesagt hatte, dass er nichts hinter ihrem Rücken machen sollte, hörte er einfach still zu.
Stattdessen sah er Bai Meiyue an und reichte ihr die Schüssel Suppe, die er mitgebracht hatte. Er sagte zu ihr: „Hier, trink das. Du solltest gut essen und besser schlafen.“
Bai Meiyue sah die große Schüssel Suppe in seinen Händen und war sprachlos. Glaubte er etwa, sie könne diese große Schüssel alleine trinken? Ihre Blase würde sie umbringen! Wollte dieser Mann sich rächen?
Obwohl Bai Meiyue etwas verärgert war, hielt sie sich zurück und trank die Suppe aus der Schüssel.
Sie wusste sehr gut, dass sie diesen Mann nur täuschen konnte, weil seine Augen mit einer Augenbinde bedeckt waren: Bai Meiyue könnte mich niemals anlügen. Aber wenn diese Augenbinde entfernt würde, würde dieser Mann ihre Lügen sicherlich aufdecken. Da das der Fall war, musste sie vorsichtig mit ihm sein.
Das Letzte, was sie wollte, war, dass er die Wahrheit über ihre Schwangerschaft herausfand.
Jedenfalls würde ihr Bauch in ein paar Monaten sichtbar werden. Wenn Lei Qian bis dahin nicht weg war, würde er die Lügen, die sie vor ihm aufgebaut hatte, durchschauen.
Bai Meiyue sagte nichts und trank still die Suppe. Natürlich war Shen Zhen nicht so dumm, etwas zu sagen.
Stattdessen warf Shen Zhen einen Blick auf die beiden und als sie sah, dass alles in Ordnung war, verabschiedete sie sich. Sobald sie gegangen war, drehte sich Lei Qian zu Bai Meiyue um und sagte zu ihr: „Iss das Fleisch. Ich habe es die ganze Nacht lang geschmort, jetzt ist es richtig zart und saftig. Es wird dir bestimmt schmecken.“
Bai Meiyue nahm die Essstäbchen aus der ungeduldigen Hand von Lei Qian und probierte ein kleines Stück vom Fleisch. Nach dem ersten Bissen leuchteten ihre Augen auf, und man konnte an ihrem Blick sehen, dass sie mit dem Essen sehr zufrieden war.
Als Lei Qian sah, dass Bai Meiyue zufrieden war, konnte er sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen.
„Was guckst du so?“, fragte Bai Meiyue, als sie spürte, dass der Mann sie anstarrte. Sie hob den Kopf von der Schüssel, leckte sich die Lippen und sagte: „Hast du nichts Besseres zu tun?“
Warum starrte dieser Mann sie an?
Lei Qian streckte die Hand aus und wischte ihr mit dem Daumen über die Lippen. Er sagte zu ihr: „Wenn es um dich geht, habe ich alle Zeit der Welt.“
Bai Meiyue verdrehte die Augen über seine kitschigen Sprüche. Sie aß den Rest der Suppe und sagte zu ihm: „Danke.“ Obwohl sie gemischte Gefühle gegenüber Lei Qian hatte, wollte Bai Meiyue ihre Manieren nicht vergessen.
„Nicht nötig, nicht nötig“, winkte Lei Qian ab und sagte: „Ich freue mich, dass es dir geschmeckt hat.
Wenn du möchtest, kann ich dir jeden Tag Suppe kochen.“ Lei Qian wusste nicht, dass Bai Meiyue wegen ihrer Schwangerschaft in letzter Zeit nicht gut aß. Er dachte nur, dass sie zu dünn war und wollte ihr etwas Gutes zu essen geben, das sie satt machte und ihr etwas Fleisch auf die Knochen brachte.
Bai Meiyue wollte instinktiv ablehnen, aber als sie spürte, dass sich ihr Sohn beruhigte, konnte sie nicht anders, als ihre Entscheidung zu ändern. Sie konnte nicht verstehen, warum der kleine Cai ihr das antat. Sie war diejenige, die ihn in ihrem Bauch getragen hatte, und trotzdem bevorzugte er seinen Vater gegenüber ihr.
Das war ein bisschen zu unfair.
War ihr Sohn ein kleiner Handlanger seines Vaters? Warum verteidigte er seinen Vater so?
Bai Meiyue seufzte unglücklich. Die Dinge waren wirklich nicht so einfach, wie sie gedacht hatte.
In diesem Moment gab es einen lauten Tumult, gefolgt von einem Aufschrei.
Bai Meiyue stand auf, als sie die Stimmen von draußen hörte, und trat aus dem Zimmer; Lei Qian folgte ihr auf dem Fuße.
Als die beiden nach draußen traten, sahen sie, wie Tong Huan auf den Mann zustürmte, der auf dem Boden kniete. Als Bai Meiyue sah, wie die Frau auf den Schläger losging, der von Xiao Wu festgehalten wurde, weiteten sich ihre Augen vor Überraschung. Denn sie hatte Tong Huan noch nie so wütend gesehen.
Sie eilte sofort die Treppe hinunter, ging zu ihren Brüdern und fragte: „Was ist los?
Warum steht ihr alle hier rum?“ Sollten sie Tong Huan nicht aufhalten?
„Bestie! Bestie!“, schrie Tong Huan, während sie den Mann auf dem Boden verprügelte, gerade als Bai Jixuan sich umdrehte, Bai Meiyue ansah und antwortete: „Dieser Mann hat zusammen mit anderen die Adoptiveltern von Frau Tong getötet.“
Als Bai Meiyue seine Antwort hörte, verstand sie mehr oder weniger die Situation.
Was sie jedoch nicht verstand, war, wie dieser Mann hierher gekommen war. Sie hob den Kopf und sah Xiao Wu an, der sich an die Nase fasste und schuldbewusst antwortete: „Dieser Mann ist dir gefolgt, Chef. Ich habe ihn dabei erwischt, als du die Jinglin-Straße verlassen hast. Ich hatte keine andere Wahl, als ihn zu verfolgen, und so habe ich ihn gefasst.“
Als Bai Meiyue seine Worte hörte, runzelte sie die Stirn und sah den Mann an. „Wer ist er?“
„Er ist der Stellvertreter von Murong Yue, das hat er mir gesagt“, antwortete Xiao Wu prompt.
Als er fertig gesprochen hatte, schob er den Mann vor Bai Meiyue.
Der Mann taumelte und fiel vor Bai Meiyue zu Boden. Er hob den Kopf, sah Bai Meiyue an und sagte: „Ich werde dir nichts sagen.“
Er dachte, Bai Meiyue würde ihn um Antworten anflehen und ihm damit sein Leben verlängern, aber die Frau verzog nur eine Lippe, grinste den Mann höhnisch an und sagte dann mit eiskalter Stimme: „Wann habe ich gesagt, dass ich will, dass du meine Fragen beantwortest?“
