Bai Meiyues Augen flackerten, als sie Lei Yans Stimme hörte. Ihr Sohn war schon von klein auf sehr schlau; auch wenn er als Kind noch nicht alles klar sagen konnte, hatte er ein super Gedächtnis. Er erinnerte sich sogar an die kleinsten Dinge, die ihm oder um ihn herum passiert waren.
Sie hob ihre Hände und legte sie auf ihren Bauch.
Sicherlich hatte er die schlimmen Dinge vergessen, die seine Mutter getan hatte, oder? Bai Meiyue hoffte, dass ihr Sohn sich im Gegensatz zu ihr an nichts erinnern würde. Nicht ihretwegen, sondern um seinetwillen; sie wollte nicht, dass der kleine Cai Cai sich an den Schmerz erinnerte, den er vor seinem Tod durchleiden musste.
So ein kleines Kind. Wie viel Angst er gehabt haben musste. Es wäre besser für ihn, wenn er diese Erinnerungen nicht hatte.
„Du musst mich nicht loben“, sagte Qian, reichte die Karte an den Rest des Teams weiter und fügte hinzu: „In der Welt, wie sie jetzt ist, interessiert sich niemand für Intelligenz. Was zählt, ist Stärke.“
Shen Zhen warf einen Blick auf den Mann, der wie ein sanftmütiger Gauner wirkte, und wandte sich dann an Bai Meiyue. „Warum wirkt er so aufgebracht?“, fragte sie.
„Er ist seit seiner Kindheit schwach. Stärke ist seine Achillesferse“, antwortete Bai Meiyue mit ruhigem Blick. Es war nicht so, dass Lei Qian schwach war, aber er war seit seiner Kindheit schön wie eine Frau gewesen. Deshalb beneidete er die großen und stämmigen Männer sehr.
Lei Qian hob den Kopf und sah Bai Meiyue an, als er ihre Worte hörte.
Er gab zwar zu, dass es die Wahrheit war, aber sie musste das doch nicht vor allen Leuten sagen. Oder?
Bai Meiyue ignorierte den Blick des Mannes einfach. Sie stand vom Stuhl auf und wollte gerade in die kleine Küche der Herberge gehen, um sich, Shen Zhen, Jiang Haidai und ihrem Sohn eine Schüssel Fischsuppe zu „kochen“, als jemand an die Tür klopfte.
Sie hob den Kopf und sah den Mann, der gestern mit Shen Zhen zusammen gewesen war, mit einer Tüte Äpfel in der Hand vor der Tür stehen. Sie wusste nicht, woher er die Tüte hatte, aber als Bai Meiyue die glänzenden roten Äpfel sah, konnte sie plötzlich nicht mehr wegsehen.
Sie hoffte, dass ihre Mutter die Samen der Äpfel, die sie gegessen hatten, ausgesät hatte, damit sie zu Hause auch ein paar schöne Äpfel bekommen würde. Was die Wachstumszeit anging … da ihre Mutter dafür zuständig war, sollte das kein großes Problem sein.
Als Lei Qian sah, wie Bai Meiyue auf die Äpfel in Zhou Hongbeis Händen starrte, presste er die Lippen zusammen und zog die Frau zurück. Mit mürrischer Stimme flüsterte er: „Warum guckst du ihn so an? Wenn du Äpfel essen willst, bringe ich dir welche.“
Als er das sagte, merkte er selbst nicht, wie sehr seine Stimme vor Zärtlichkeit triefte.
Bai Meiyue hörte seine Worte und spottete. Sie stieß dem Mann, der sie von hinten festhielt, mit dem Ellbogen in die Brust und flüsterte zurück: „Soll ich dir etwa Äpfel suchen?“
Sie konnte sie selbst suchen.
Dann drehte sich Bai Meiyue zu Zhou Hongbei um und fragte ihn: „Was ist los, Herr Zhou?“
„Bist du die Verantwortliche für das Team?“, fragte der Mann, ohne direkt auf den Punkt zu kommen, sondern stellte erst mal eine Frage.
Bai Meiyue runzelte die Stirn, als sie seine Frage hörte. Sie wollte gerade auf Lei Qian zeigen, als der Mann seine Hand hob, auf Bai Meiyue zeigte und sagte: „Sie ist die Verantwortliche für das Team.“
Bai, die keine Verantwortung übernehmen wollte, Meiyue: „…“
Sie war sprachlos.
Früher, als sie die Verantwortung übernehmen wollte, schoben alle sie in die hintere Reihe; jetzt, wo sie sich zurücklehnen und entspannen wollte, wurde sie in die erste Reihe geschoben.
Genervt und hilflos drehte sie sich zu dem Mann vor ihr um, nickte ihm zu und sagte: „Ich habe hier das Sagen, was hast du zu sagen?“
Lu Yin wachte auf und eilte in den Raum, in dem sich alle versammelt hatten. Sie hörte Lei Qian sagen, dass Bai Meiyue das Sagen habe, und ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich. Es war, als hätte Bai Meiyue ihr die Position weggenommen, die ihr zustand.
Dacheng ging es nicht besser.
Das Einzige, was er hasste, war, einer Frau zu folgen. In der Vergangenheit war er Lei Qian hinterhergelaufen, in der Hoffnung, dass er ihn akzeptieren würde, und jetzt sagte ihm dieser Mann, dass Bai Meiyue die Verantwortung für das Team hatte? Wie konnte er da nicht verärgert sein?
Er sagte jedoch nichts.
Stattdessen hörte er still der Diskussion zu, die sich vor ihm abspielte. Er wollte sehen, was mit Lei Qian los war.
Wie konnte er die Position des Teamleiters an Bai Meiyue abgeben?
Bai Meiyue hingegen hatte keine Ahnung, was in den Köpfen dieser beiden Männer vorging. Wenn sie es gewusst hätte, hätte sie einfach mit den Augen gerollt und sie gebeten, sich in die Irrenanstalt einzuschließen.
Sie starrte Zhou Hongbei an und fragte mit ruhiger Stimme: „Was gibt’s?“
Sobald sie fertig gesprochen hatte, senkte der Mann den Kopf, verbeugte sich um 90 Grad und sagte zu Bai Meiyue: „Dr. Shen hat mir erzählt, dass du bereit bist, den Kindern und Neugeborenen zu helfen, die im Krankenhaus festsitzen. Als Chefarzt unseres Krankenhauses möchte ich dir dafür danken.“
Zhou Hongbei verschwendete keine Zeit und kam direkt zur Sache. Nachdem sich die Welt verändert hatte und alles, was er kannte, nicht mehr da war, hatte Zhou Hongbei nichts mehr; sogar seine Familie war zu Zombies geworden. Alles, was er noch hatte, war –
