Dravens Nekromant-Klon saß ganz ruhig an seinem polierten Schreibtisch, während sein großes Arbeitszimmer von magischen Laternen sanft beleuchtet wurde, die leise über ihm schwebten. Ihr sanftes, flackerndes Licht warf tanzende Schatten an die Wände und hob die komplizierten Runenzeichnungen hervor, die in die dunklen Holzpaneele eingraviert waren. Unter seinem präzisen Blick lagen Stapel sorgfältig sortierter Forschungsunterlagen, deren Titel im schwachen Licht schimmerten:
„Harmonie zwischen Chaos und Nekromantie: Das Gleichgewicht zwischen gegensätzlichen Kräften“, „Familiäre Ideologien und Magie: Auf den Spuren der Ursprungsattribute in Blutlinien“, „Das Phänomen des Dungeon-Kerns: Mechanismen hinter der Entstehung von Dungeons“ und „Störung und Stabilisierung des Manaflusses: Identifizierung und Behebung von Ungleichgewichten in magischen Systemen“.
Sein Gesichtsausdruck blieb neutral, kalt und berechnend, doch seine Augen brannten mit scharfer Intensität. Im Kopf verfolgte er jedes Argument, jede Nuance, jeden denkbaren Gegenpunkt. Das Symposium war mehr als nur eine wissenschaftliche Versammlung, es war ein Schlachtfeld des Intellekts und des Prestiges. Draven wollte nicht nur teilnehmen, sondern dominieren und jede Herausforderung mit gnadenloser Präzision entkräften.
Seine Finger glitten zu dem Psychokinese-Stift, der ordentlich neben seinen Papieren lag, dessen Spitze perfekt auf die Kante der Dokumente ausgerichtet war. Die akribische Ordnung war nicht nur eine Frage der Gewohnheit – sie war ein wesentlicher Bestandteil seiner mentalen Struktur. Präzision förderte Klarheit, Klarheit führte zum Sieg.
Dann zuckten plötzlich seine Augenbrauen.
Eine plötzliche, erschütternde Leere überflutete seine Brust, als wäre ihm etwas Wesentliches entrissen worden. Es war ein beunruhigendes Gefühl, ähnlich wie der unerwartete Verlust eines wichtigen Körperteils. Sein Kiefer spannte sich unmerklich an, Irritation flammte in ihm auf, doch äußerlich blieb er gelassen.
„Wenn das Original verschwunden ist, kann das nur bedeuten, dass eine weitere verdammte Quest ausgelöst wurde“, murmelte er scharf vor sich hin, wobei seine Irritation in sein ansonsten ruhiges Auftreten sickerte.
Er schloss kurz die Augen und wandte sich schnell nach innen. Es war, als würde er durch ein Netz aus Fäden navigieren, die von seiner Magie sorgfältig gewebt worden waren – jeder Faden stand für einen seiner aktiven Klone. Das Gefühl war fast greifbar: Sein Professor-Klon, der gerade an der Magic Tower University eine Vorlesung hielt, war deutlich zu spüren und hielt einen Vortrag über Manaleitfähigkeit. Auch sein Kampfklon war deutlich zu erkennen, der nach den jüngsten Konflikten pflichtbewusst Truppen befehligte und präzise und methodische Befehle gab.
Beide Verbindungen waren absolut stabil. Keine Störung. Nur der ursprüngliche Körper war verschwunden.
Er öffnete die Augen und kniff sie nachdenklich zusammen. „Dann ist es questspezifisch“, schlussfolgerte Draven kalt, seine Stimme mit leiser Verachtung für die einschränkende Natur solcher Zwänge. Er begann, mit dem Finger rhythmisch auf die polierte Oberfläche des Schreibtisches zu klopfen, ein unbewusstes Metronom, das die unerbittliche Präzision seines Denkprozesses untermalte.
Er grub tiefer, suchte erneut in seinem Inneren und untersuchte jeden Winkel seines Geistes. Seine Erinnerung an vergangene Ereignisse, sein früheres Leben, war vollkommen intakt – jede Lektion, jeder Moment, jede schmerzhafte Erkenntnis war lebhaft in seinem Bewusstsein verankert. Hier gab es keine Lücken. Diese Erinnerungslücke war künstlich, absichtlich durch die Beschränkungen der Quest erzeugt, ein erzwungener blinder Fleck, der ihn über die genauen Bedingungen für die Aktivierung der Quest im Unklaren lassen sollte.
Ein leiser Seufzer entwich seinen Lippen – kein Ausdruck der Erleichterung, sondern der Resignation, gemischt mit wachsender Verärgerung. Er mochte keine Ungewissheit und hasste es, mit unvollständigen Informationen arbeiten zu müssen. Doch die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass manche Kämpfe am besten gewonnen wurden, indem man Ungewissheiten beiseite schob und sich zuerst den unmittelbaren Bedrohungen stellte. Klarheit hatte Priorität.
Er stellte schnell eine mentale Liste der dringendsten Aufgaben zusammen und ordnete sie nach Dringlichkeit und potenzieller Auswirkung. An erster Stelle stand die Grundsatzrede auf dem bevorstehenden Symposium.
Eine wichtige Aufgabe, die er aber locker schaffen konnte. Zweitens die Vorlesungen an der Magic Tower University, die sein Professor-Klon schon super im Griff hatte. Und drittens – er zögerte kurz und runzelte leicht die Stirn – die private Vorlesung für Königin Aurelia. Das war ein Problem. Er schaute kurz auf die Uhr.
Fünf Stunden.
Er seufzte leise und kontrolliert, wobei er nur einen Hauch von Müdigkeit zeigte.
Aurelia war brillant, ein Wunderkind mit einem schier unerschöpflichen Potenzial. Leider verbarg sich hinter ihrer wallenden Mähne ein Temperament, das wilde Sturheit und eine offensichtliche Missachtung strukturierter Anstrengungen vereinte. Ihre Faulheit war nicht nur unbequem, sondern eine bewusste Missachtung aller auferlegten Regeln. Aurelia zu motivieren war weniger eine Frage der Überzeugungskraft als vielmehr eine Herausforderung, die fast unmöglich zu meistern war.
Draven lehnte sich in seinem Stuhl zurück, faltete die Finger zu einer Brücke und kniff die Augen zusammen, während er sorgfältig mögliche Motivationsstrategien analysierte. Aurelias Stolz war gleichzeitig ihre größte Stärke und ihre größte Schwäche. Wenn er ihn geschickt einsetzte, war er ein perfektes Druckmittel. Er musste ihren Intellekt und ihr Talent direkt genug herausfordern, um ihren Stolz zu verletzen, aber subtil genug, um keine offene Rebellion zu provozieren. Dieses empfindliche Gleichgewicht erforderte eine präzise Abstimmung.
Dravens Mundwinkel zuckte leicht nach oben, und ein schwaches, kaltes Lächeln huschte kurz über sein Gesicht.
Nur wenige konnten Aurelia herausfordern, ohne von ihrem feurigen Temperament verbrannt zu werden. Er jedoch war in einer einzigartigen Position – nicht nur, weil er keine Angst vor ihren Ausbrüchen hatte, sondern weil Aurelia, wenn auch widerwillig, seine intellektuelle Überlegenheit anerkannte. Ihre Interaktionen waren weniger die zwischen Professor und Student, sondern eher die zwischen zwei Meistern, die ein Spiel spielten, bei dem es um ihren gegenseitigen Respekt ging.
Mit bedächtiger Anmut erhob er sich und ging zu einem hohen Regal, das mit alten Folianten, sorgfältig gerollten und mit Seidenbändern verschnürten Schriftrollen und ordentlich gestapelten Manuskripten gefüllt war, von denen schwache Spuren von Schutzzaubern ausgingen. Jeder Band wurde bewusst, schnell, aber präzise ausgewählt, um die Vorlesung zu ergänzen. Auf eine Schriftrolle, die sich mit fortgeschrittener Manamanipulation befasste, folgte ein altes Grimoire, das theoretische Verbesserungen in magischen Kreisläufen diskutierte.
Dravens Hände bewegten sich schnell und routiniert, das leise Rascheln der Seiten war das einzige Geräusch, das die schwere Stille durchbrach.
Er legte die ausgewählten Texte auf den Schreibtisch und ordnete sie in einer Reihenfolge an, die sorgfältig darauf ausgelegt war, die Komplexität zu steigern und Aurelias angeborene Neugier zu wecken. Der Vortrag würde einfach beginnen – eine Beleidigung für ihren Stolz – und dann rasch an Komplexität zunehmen, bis er ihrem Intellekt angemessen war. Die Methode war bewährt, wenn auch gelegentlich etwas unberechenbar.
Sein Blick verweilte einen Moment lang auf einer Pergamentrolle, auf der mit Mana aufgeladene Schwerttechniken beschrieben waren, und er überlegte, welche körperlichen Aspekte er in die heutige Lektion einbauen könnte. Aurelia war eine hervorragende Kämpferin; vielleicht würde sich ein doppelter Ansatz, der Theorie und Praxis miteinander verband, als am effektivsten erweisen. Er passte seine Strategie noch einmal im Kopf an und fügte subtile Provokationen hinzu, um sicherzustellen, dass ihre Motivation nicht nachließ.
Für einen Moment hielt er inne, und ein flüchtiges Gefühl der Unsicherheit überkam ihn – nicht wegen Aurelia, sondern wegen des verschwundenen Originals. Quests waren von Natur aus unvorhersehbar. Er mochte Unvorhersehbarkeit nicht, mochte es nicht, dass der ursprüngliche Körper irgendwo eingeschlossen war, wo er keinen Zugriff darauf hatte. Doch Unsicherheit anzuerkennen, war an sich schon ein strategischer Schachzug. Akzeptieren, anpassen, weitermachen.
Sein Blick kehrte zu den Materialien vor ihm zurück, seine Augen wurden wieder kalt und entschlossen. Er hatte keine Geduld für fruchtlose Spekulationen. Die unmittelbaren Aufgaben erforderten seine ganze Aufmerksamkeit – alles andere war nur Ablenkung. Mit gnadenloser Effizienz nahm er die Vorbereitung seiner Materialien wieder auf und nahm kleinere Anpassungen vor, um jedes Detail zu perfektionieren.
Fünf Stunden.
Draven überlegte kurz, wie er zum Palast kommen würde und was ihn unterwegs stören könnte. Die Wachen, die ihn normalerweise aus einer Mischung aus Respekt und unterschwelliger Angst genau beobachteten, waren kein Problem. Sie kannten seine Autorität. Schwieriger könnten die Minister werden, die immer darauf aus waren, ihn in belanglose Intrigen am Hof zu verwickeln. Er plante schnell eine Route, um unnötige Begegnungen zu vermeiden – Schnelligkeit und Effizienz waren entscheidend.
Ein kurzes Gefühl der Zufriedenheit stieg in ihm auf, als er die Vorbereitungen für seinen Vortrag abschloss. Alle Papiere, Schriftrollen und Zauberbücher lagen ordentlich auf seinem Schreibtisch, jeder Teil seiner Strategie war sorgfältig ausgearbeitet. Seine Methoden waren vielleicht hart, aber zweifellos effektiv. Aurelia, trotz all ihrer Leidenschaft und Rebellion, schätzte und respektierte Effektivität über alles.
Dravens Blick fiel erneut auf den psychokinetischen Stift. Er schwebte sanft in seine Hand, seine schlanke Form lag angenehm und vertraut in seiner Hand. Er spürte eine subtile Resonanz, eine leise Bestätigung, dass er bereit war. Seine Vorbereitungen waren abgeschlossen.
Er lehnte sich leicht zurück und atmete noch einmal tief durch. Sein Gesichtsausdruck war ruhig, entschlossen und ohne jeden Zweifel. Das Chaos, das die Quest durch die Übernahme seines ursprünglichen Körpers ausgelöst hatte, konnte warten.
Im Moment zählte nur das Hier und Jetzt. Er hatte sich gründlich vorbereitet; Aurelia würde genau wie berechnet reagieren.
Draven stand sanft von seinem Stuhl auf und strich mit geübten Bewegungen nicht vorhandene Falten aus seiner Robe. Eine kleine Korrektur an seinem Kragen, ein kurzer Blick, um sicherzustellen, dass er nichts übersehen hatte, und seine Vorbereitungen waren abgeschlossen. Jede Sekunde, jeder Atemzug, jede Bewegung war genau geplant.
Er warf einen letzten, prüfenden Blick auf die ordentlich angeordneten Unterlagen und vergewisserte sich noch einmal, dass alles bereit war. Das Symposium würde ein Triumph werden, die Vorlesungen an der Universität würden reibungslos verlaufen. Was Königin Aurelia betraf – er gestattete sich ein kaum merkliches, selbstbewusstes Lächeln –, sie würde die heutige Lektion sowohl ärgerlich als auch unwiderstehlich spannend finden.
Er warf noch einmal einen kurzen Blick auf seine Uhr, deren leises Ticken in dem stillen Arbeitszimmer widerhallte.
Fünf Stunden.