„Oh, diesmal werde ich sie schlagen“, flüsterte Amberine vor sich hin, ihre Augen funkelten vor Entschlossenheit. Sie konnte fast schon Elaras selbstgefälliges Gesicht vor sich sehen, diese kühle und gelassene Art, die immer zu sagen schien, dass sie einen Schritt voraus war. „Wenn sie nur sehen könnte, wie genial meine Idee ist. Aber nein, Miss Cool und Gelassen musste ja wieder so überheblich sein. Das werden wir noch sehen!“
Die Erinnerung an ihre letzte Begegnung beflügelte sie und trieb ihre Beine an, schneller zu laufen. Sie flitzte die Treppe der Herberge zwei Stufen auf einmal hinauf und wäre in ihrer Eile fast über ihre eigenen Füße gestolpert. Die Holzstufen knarrten unter ihrem Gewicht, aber sie achtete nicht darauf. In ihrem Kopf wirbelten Gedanken herum, eine Idee legte sich auf die nächste, bis sie einen zusammenhängenden Plan bildeten.
Amberine konnte ihre Aufregung kaum zurückhalten; der Moment des Triumphs war zum Greifen nah, und sie war entschlossen, ihn zu ergreifen.
Als sie ihr Zimmer erreichte, schlug sie die Tür hinter sich mit einem lauten Knall zu und machte sich sofort an die Arbeit. Ihr Arbeitsplatz war ein chaotisches Durcheinander aus Schriftrollen, Notizen und magischen Artefakten, die ohne erkennbare Ordnung verstreut lagen. Doch für Amberine war es perfekt.
Sie navigierte mit der Leichtigkeit einer Person, die genau wusste, wo alles war, durch das Durcheinander.
Ihre Hände flogen über das Pergament und zeichneten mit geübter Präzision komplizierte Muster und Symbole.
„Okay, konzentrier dich, Amberine“, sagte sie sich und versuchte, ihren Atem zu beruhigen. „Du schaffst das. Einfach Schritt für Schritt.“
Sie breitete die fünf magischen Kreise auf dem Boden aus, von denen jeder ein anderes Element darstellte: Feuer, Wasser, Erde, Luft und Geist. Sie mussten zu einer harmonischen Einheit verbunden werden, und Amberine war fest entschlossen, dies zu erreichen. Sie begann damit, die Position jedes Kreises anzupassen und sie so auszurichten, dass ihre Energien nahtlos ineinanderfließen konnten.
Ihre Finger folgten den Linien der Kreise, und sie murmelte leise Beschwörungsformeln, während sie jeden einzelnen mit ihrer Mana-Energie erfüllte. Die Luft im Raum schien vor Energie zu summen, als die Kreise schwach zu leuchten begannen. Amberine kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich. Das war der schwierige Teil. Sie musste sicherstellen, dass die Energien nicht aufeinanderprallten, sondern in perfekter Harmonie miteinander verschmolzen.
Sie passte die Runen und Symbole an und nahm kleine, aber wichtige Änderungen vor. Sie konnte spüren, wie die Magie auf ihre Berührungen reagierte, wie ein Lebewesen, das darauf wartete, befreit zu werden. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, aber sie wagte nicht, sie wegzuwischen. Eine falsche Bewegung und der ganze Zauber könnte zusammenbrechen.
„Fast geschafft“, flüsterte sie, ihr Herz pochte in ihrer Brust. „Nur noch ein bisschen.“
Ihre Gedanken schweiften kurz zu Elara. Was würde sie sagen, wenn sie das sehen würde? Wäre sie beeindruckt? Eifersüchtig? Amberine verdrängte diese Gedanken. Sie hatte keine Zeit für Ablenkungen.
Sie musste sich konzentrieren.
Der Feuerkreis reagierte als erster und flammte hell auf. Als nächstes schimmerte der Wasserkreis in einem tiefen Blau, gefolgt vom erdigen Grün des Erdkreis. Der Luftkreis nahm eine sanfte, blassgelbe Leuchtkraft an und schließlich strahlte der Geistkreis in einem lebhaften Violett.
Amberine passte die Verbindungslinien zwischen den Kreisen an, um sicherzustellen, dass die Energien reibungslos von einem zum nächsten flossen.
Sie konnte spüren, wie sich die Magie zu stabilisieren begann und das Summen in der Luft stärker und harmonischer wurde. Amberines Hände bewegten sich mit zunehmender Zuversicht, jede Anpassung brachte sie ihrem Ziel näher. Sie bemerkte kaum, wie die Zeit verging, so vertieft war sie in ihre Arbeit.
Sie überprüfte jede Rune und jedes Symbol noch einmal, um sicherzugehen, dass keine Fehler vorhanden waren. Ihr Blick huschte von einem Kreis zum nächsten, während ihr Verstand die Komplexität des Zaubers durchging.
Sie holte tief Luft und spürte, wie die Last des Augenblicks auf ihr lastete. Jetzt war es soweit. Der Höhepunkt all ihrer harten Arbeit.
Schließlich trat sie zurück, um ihr Werk zu bewundern. Die fünf Kreise waren nun durch zarte Lichtlinien verbunden und bildeten ein einziges, einheitliches Muster. Amberine stockte der Atem. Es war wunderschön, aber es reichte nicht, es nur anzuschauen. Sie musste es in Aktion sehen.
Sie holte tief Luft und leitete mehr von ihrer Mana in den magischen Kreis. Das Leuchten wurde intensiver und die Luft um sie herum schien zu flimmern. Plötzlich verwandelte sich der Raum. Die Wände und die Decke schmolzen dahin und wurden durch eine endlose Weite von Sternen ersetzt. Amberine schnappte nach Luft, ihre Augen weiteten sich vor Staunen.
Sie fühlte sich, als würde sie zwischen den Sternen schweben, schwerelos und frei. Der Anblick war atemberaubend. Meteore zogen über den Himmel und hinterließen leuchtende Spuren. Sternbilder verschoben sich und tanzten, bildeten Muster, die ihr vertraut und doch fremd waren. Die Schönheit des Ganzen war überwältigend, und Amberine kamen die Tränen.
„Das … das ist unglaublich“, flüsterte sie mit kaum hörbarer Stimme. „So etwas habe ich noch nie gesehen.“
Die Sterne schienen im Takt ihres Herzschlags zu pulsieren, und sie hörte ein leises, melodisches Summen, wie himmlische Musik. Es war, als würde das Universum selbst zu ihr singen und sie einladen, Teil seines endlosen Tanzes zu werden. Amberine verspürte ein tiefes Gefühl von Frieden und Zugehörigkeit, als hätte sie ihren Platz im Kosmos gefunden.
Fünf Minuten lang war sie in diesem Wunder versunken, aber es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Sie schwebte zwischen den Sternen und spürte die sanfte Liebkosung der kosmischen Winde. Die Sternbilder setzten ihren Tanz fort und erzählten Geschichten von alten Helden und mythischen Wesen. Amberine streckte die Hand aus, ihre Finger streiften eine Sternengruppe, die daraufhin zu funkeln begann und Lichtwellen durch die Leere sandte.
Die himmlische Musik wurde lauter, ihre Melodie durchdrang ihre Seele. Es war ein Lied von Schöpfung und Zerstörung, von endlosen Zyklen und unendlichen Möglichkeiten. Amberine schloss die Augen, ließ die Musik in sich eindringen und fühlte sich als Teil von etwas viel Größerem als sich selbst.
Sie spürte die Essenz der Elemente in sich – Feuer, Wasser, Erde, Luft und Geist –, die alle mit der kosmischen Symphonie mitschwangen.
Als die Magie endlich nachließ, seufzte Amberine enttäuscht. Sie war noch nicht bereit dafür, dass es schon vorbei war. Sie musste es noch einmal sehen, dieses Gefühl der Ehrfurcht noch einmal erleben.
Mit entschlossenem Blick versorgte sie den magischen Kreis mit mehr von ihrer Mana. Die Sterne und Meteore kehrten zurück, genauso schön und faszinierend wie zuvor. Amberine sah wie gebannt zu, wie sich die Szene wiederholte.
Sie wiederholte den Vorgang und verspürte jedes Mal dieselbe Begeisterung und Faszination.
Beim dritten Mal fielen ihr neue Details auf – die subtilen Verschiebungen der Sternbilder, die unterschiedlichen Spuren der Meteore. Es war, als würde das Universum ihr mit jeder Wiederholung mehr von seinen Geheimnissen offenbaren. Amberine fühlte sich tief mit dem Kosmos verbunden, und ihr Geist weitete sich angesichts der Möglichkeiten, die ihr dieses neu gewonnene Wissen eröffnete.
Sie stellte sich vor, wie sie die Kraft der Sterne nutzte, um ihre Zaubersprüche zu verstärken und Wunder zu vollbringen, die jede Vorstellungskraft überstiegen. Sie sah schon vor sich, wie sie diese Erfahrung mit anderen teilen und ihnen die Schönheit und Erhabenheit des Universums zeigen würde. Dieser Gedanke erfüllte sie mit einem Gefühl von Sinnhaftigkeit und Aufregung.
Als die Sterne wieder um sie herum tanzten, begann Amberine darüber nachzudenken, wie sie diese Magie einsetzen könnte. Könnte sie damit Portale zu anderen Welten erschaffen? Könnte sie eine Quelle unbegrenzter Energie sein? Das Potenzial schien grenzenlos, und ihre Gedanken rasten. Jedes Mal, wenn sie den Kreis reaktivierte, fühlte sie sich mehr mit den kosmischen Energien verbunden und ihr Verständnis vertiefte sich.
Sie fragte sich, ob sie den Zauber verfeinern und noch mächtiger und stabiler machen könnte. Vielleicht könnte sie andere Elemente integrieren und einen magischen Knotenpunkt schaffen, der aus dem Gewebe der Realität selbst schöpfte. Die Möglichkeiten waren endlos, und Amberine verspürte eine Welle der Entschlossenheit, jeden Weg zu erkunden.
Für einen kurzen Moment erlaubte sie sich, sich Elaras Reaktion vorzustellen.
Der Gedanke an die Verwunderung ihrer Rivalin zauberte ein kleines, zufriedenes Lächeln auf ihre Lippen. Amberine wusste, dass sie etwas wirklich Außergewöhnliches entdeckt hatte, etwas, das sie von anderen abheben würde. Sie verspürte ein neues Selbstbewusstsein und neuen Tatendrang.
Doch gerade als sie den Kreis zum vierten Mal aktivieren wollte, durchbrach eine Stimme die Stille.
„HÖR AUF, DIESEN MAGISCHEN KREIS ZU ZEICHNEN UND BEACHT MICH, DU IDIOTIN!“
Amberine zuckte zusammen, ihre Konzentration war dahin. Sie wirbelte herum, ihr Herz raste, und sah eine kleine Gestalt in der Luft schweben. Es war ein winziger Geist, nicht größer als 30 Zentimeter, dessen Körper vollständig aus Flammen bestand. Seine Augen glühten wie Glut, und sein Gesichtsausdruck war verärgert.
„WEM SAGST DU DA IDIOT?!“, erwiderte Amberine, deren Überraschung schnell in Empörung umschlug.
Der Feuergeist schnaubte und eine Rauchwolke entwich aus seiner Nase. „Nun, wenn du mich früher bemerkt hättest, müsste ich nicht schreien, oder?“
Amberines Augen weiteten sich, als sie den Anblick vor sich wahrnahm. Der Geist war anders als alles, was sie je gesehen hatte. Seine Flammen flackerten und tanzten und warfen ein warmes, goldenes Licht, das den Raum erfüllte. Trotz seiner geringen Größe strahlte er eine Aura der Macht und Autorität aus.
„W-w-w-wer bist du?!“, stammelte Amberine, während ihr Verstand versuchte, die plötzliche Wendung der Ereignisse zu verarbeiten.
Der Geist verschränkte seine winzigen Arme und schnaubte. „Ich bin Ignis, ein Feuergeist. Und du, junge Magierin, hast noch viel zu lernen.“