Das Licht brannte.
Nicht mit Feuer, nicht mit Hitze, nicht mit etwas so Alltäglichem wie Schmerz – es war eine Art Glanz, der alles Sinnvolle auslöschte, der die Realität auf etwas Rohes und Unvollendetes reduzierte. Ich fiel nicht, ich schwebte auch nicht. Ich war einfach nur da, in diesem Moment, der sich unendlich weit ausdehnte.
Dann, wie ein Faden, der aus einem Wandteppich gezogen wird, wurde das Licht dünner und löste sich um mich herum auf. Es folgte eine atemlose Stille, und plötzlich war ich woanders.
Die Welt versank in einem sich verändernden Dunst. Farben verschwammen miteinander – Violett und Kupfer, tiefes Grün, das wie Tinte tropfte, bevor es sich in etwas vorübergehend Vertrautes verwandelte. Die Luft fühlte sich zu dicht an, als würde sie sich meiner Anwesenheit widersetzen. Ich machte einen langsamen Schritt nach vorne, aber der Boden unter mir hatte kein Gewicht, keine Festigkeit. Es war, als würde ich auf Wasser laufen, nur dass das Wasser nicht flüssig war. Es war nichts.
Ich war allein.
Kein Lorik. Keine Grabräuber. Keine Vollstrecker des Rates.
Ein Taschenuniversum. Eine Verzerrung. Ein Ort, der nicht für Lebende bestimmt war.
Mein Verstand schärfte sich und ignorierte das instinktive Unbehagen, nicht verankert zu sein. Dieser Ort hatte Regeln, auch wenn ich sie noch nicht verstanden hatte. Ich musste sie finden, bevor sie mich fanden.
Ein Geräusch – ein Flüstern, fast wie gesprochene Worte, aber nicht ganz – streifte mich. Nicht in meinen Ohren, sondern in meinem Kopf, wie ein Gedanke, der nie meiner gewesen war. Ich drehte mich ruckartig um, aber da war niemand. Nur die endlose, sich verändernde Unwirklichkeit, die sich in alle Richtungen ausdehnte. Formen tauchten auf und lösten sich wieder auf wie halbfertige Erinnerungen – Steinbögen, die nie ganz Gestalt annahmen, Treppen, die ins Nichts führten, Türen, die zwischen offenen Durchgängen und versiegelten Wänden hin und her flackerten.
Die Zeit schien sich zu dehnen. Nicht unterbrochen, nicht eingefroren, nur … ungewiss. Ich griff nach etwas Festem, nach irgendetwas, um Halt zu finden. Aber da war nichts.
Nein. Das stimmte nicht ganz.
Etwas flackerte am Rande meines Blickfeldes – ein Echo, ein Flüstern von etwas, das einmal fest gewesen war. Ich drehte mich um und sah ihn für einen flüchtigen Moment.
Belisarius.
Seine Gestalt schwebte in der Ferne, kaum zu erkennen, als würde die Realität selbst darüber debattieren, ob er existieren sollte. Seine Rüstung war an einigen Stellen zerbrochen, das glänzende Gold von etwas Unsichtbarem zerrissen. Sein Gesichtsausdruck war erstarrt – majestätisch, befehlend, aber unsicher, als wäre er zwischen zwei Momenten gefangen.
Ich machte einen Schritt auf ihn zu. Er bewegte sich. Nicht weg – er verschob sich. Wie ein Gemälde, das über die Leinwand dieser Welt verschmiert worden war, verbog sich seine Silhouette auf eine Weise, die jeglicher Logik widersprach. Er sprach, aber ich hörte keinen Ton. Die Worte wurden verschluckt, bevor sie existieren konnten.
Die Luft um ihn herum flimmerte wie die Hitzeflimmern, die im Sommer über Steine tanzen, aber hier war es kälter. Es war falsch. Es war so falsch, dass es mir in die Knochen fuhr, als würde die Welt selbst sich weigern, anzuerkennen, was ich sah. Seine Lippen bewegten sich erneut. Immer noch kein Ton. Seine Hände, die einst den Griff eines Schwertes umklammert hatten, waren jetzt leer – offen, ausgestreckt.
Sie streckten sich nach mir aus.
Nein.
Nicht nach mir.
Nach etwas, das über mich hinausging.
Ich drehte mich um, meine Bewegungen präzise trotz der seltsamen Schwerelosigkeit dieses Ortes. Und dann sah ich es.
Eine Kraft. Einen Schatten. Eine Präsenz, die von jenseits der Ränder dieser fragmentierten Welt beobachtete. Es hatte keine Form, keine, die ich verstehen konnte, aber ich konnte es spüren – wie einen Puls, der unter der Haut der Realität lief. Etwas Altes. Etwas Gewaltiges. Etwas, das nicht hierher gehörte.
Oder vielleicht etwas, das schon immer hier gewesen war und aus den unsichtbaren Ecken der Existenz beobachtete.
Ich streckte meine arkanen Sinne aus und durchdrang das Gewebe dieses Raumes. Die Energie hier verhielt sich nicht wie Magie in der realen Welt. Sie reagierte mehr auf Gedanken als auf Handlungen, mehr auf Absichten als auf Beschwörungsformeln.
Dann verstand ich.
Das war nicht nur eine zufällige Verzerrung, ein Nebeneffekt der Grabeswächter oder der Einmischung des Rates. Das war die Tapisserie selbst – lebendig, sich verändernd, reagierend. Und ich war hineingezogen worden.
Oder vielleicht hatte ich mich selbst hineingezogen.
So oder so, jetzt erkannte sie mich.
Ich konzentrierte mich und zwang die Instabilität, sich meinem Willen zu beugen, mir etwas Greifbares zu geben. Eine Struktur. Einen Halt.
Die Welt bebte, und für einen Augenblick wurden die Umrisse schärfer. Der sich verschiebende Nebel verwandelte sich in etwas, das einem großen Korridor ähnelte, dessen Wände mit Porträts bedeckt waren, die ineinanderflossen. Einige stammten aus meiner Vergangenheit. Einige aus meiner Zukunft. Einige waren nie real gewesen.
Ein Bild flackerte zwischen drei verschiedenen Versionen von sich selbst hin und her:
Ein jüngeres Ich, das in der Bibliothek des Turms steht, bei Kerzenlicht alte Bücher durchblättert, die Finger mit Tinte verschmiert, die Augen konzentriert und kalt.
Eine andere Version, älter, in dunkle Roben gehüllt, steht auf einem Schlachtfeld, vor mir liegen die Leichen von Magiern und Kriegern.
Und die dritte Version von mir, die nie existiert hatte, saß auf einem Thron aus Silber und Obsidian, die Krone des Magisteriums auf meiner Stirn.
Der Wandteppich versuchte, mich zu verstehen, genauso wie ich versuchte, ihn zu verstehen.
Aber dort – hinter den sich verändernden Echos – tauchte etwas auf. Eine Präsenz. Beobachtend. Lenkend.
Nicht die Grawächter. Nicht der Rat.
Etwas Älteres.
Das Gewicht seines Bewusstseins drückte auf mich, als würde die Realität selbst sich vorbeugen, um mich zu beobachten, meinen Wert zu messen und zu entscheiden, ob ich hierher gehörte.
Ich zuckte nicht zusammen.
Ich hatte mein Leben damit verbracht, Kräfte zu meistern, die andere fürchteten. Ich hatte Magie meinem Willen unterworfen, Menschen allein mit meinen Worten gebrochen, Schlachtfelder und Gerichtssäle gleichermaßen durchpflügt. Ich kniete nicht vor unsichtbaren Mächten nieder.
Wenn es mich messen wollte, würde es mich scharf finden. Wenn es mich brechen wollte, würde es scheitern.
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Der Korridor bebte, die Illusion von Stabilität zerbrach erneut. Die Porträts verzerrten sich und verwandelten sich in groteske Karikaturen ihrer selbst. Die Augen meines jüngeren Ichs schmolzen zu schwarzen Leeren. Die Schlachtfeldversion von mir verwandelte sich in etwas Monströses, Schatten wanden sich dort, wo eigentlich Fleisch sein sollte. Die gekrönte Version zerfiel zu Staub, der Thron stürzte in den Abgrund darunter.
Eine Prüfung.
Oder eine Warnung.
Ich biss die Zähne zusammen und stemmte mich gegen die zerstörerische Kraft. Wenn ich hier überleben wollte, musste ich die Kontrolle behalten. Ich brauchte einen Halt.
Die Porträts setzten sich wieder zusammen. Die Wände stabilisierten sich. Der Boden unter mir verfestigte sich.
Ich zwang meine Präsenz in diese Welt und grub meinen Willen wie Krallen in Fleisch. Die Luft leistete Widerstand, aber ich ließ mich nicht aufhalten.
Der Korridor wurde klarer, sein Chaos wurde durch die bloße Gewissheit meiner Existenz an Ort und Stelle festgehalten.
Und dann, für einen kurzen Moment, schwankte die Präsenz. Als hätte ich etwas getan, was ich nicht hätte tun sollen. Als hätte sie nicht damit gerechnet, dass ich mich wehren würde.
Ich hatte nicht vor, aufzuhören.
_____
Die Welt außerhalb des Hauses Valemore war in Stille versunken.
Dann, mit einem scharfen Knacken, kehrte die Realität zurück.
Der Innenhof war eine Ruine. Magie brannte noch immer in der Luft, Restenergie flackerte in sterbenden Glutresten. Der Gestank von verbrannter Erde und versengtem Fleisch hing in jeder Brise, und die zerklüfteten Überreste einst stolzer Säulen lagen verstreut wie die Knochen eines alten, geschlachteten Tieres.
Die Leichen der Gefallenen – Ratsvollstrecker und Grubenwächter gleichermaßen – lagen über die zerbrochenen Steine verstreut, einige völlig regungslos, andere sich vor Schmerzen windend, ihre Stöhnen ein beunruhigender Chor in der angespannten Stille. Zerbrochene Waffen und verbogene Rüstungsteile fingen das Mondlicht ein und glänzten wie Raubtieraugen in der Dunkelheit.
In der Nähe des ramponierten Torbogens, aus dem die letzte Welle gekommen war, hing noch ein schwacher violetter Schleier in der Luft, als wollten Teile der Ruptur nicht ganz verschwinden. Jeder, der für Magie empfänglich war, spürte den Druck in seinem Schädel, einen dumpfen Schmerz, der darauf hindeutete, dass der Teppich zerrissen war. Dass die Welt für einen Moment sich selbst vergessen hatte.
Die Mitglieder des Bergungsteams, die noch auf den Beinen waren, warfen sich nervöse Blicke zu, ihre Formation war chaotisch, eher ein Überlebensreflex als eine Strategie. Sie hatten nicht mit einem magischen Angriff dieser Größenordnung gerechnet – und schon gar nicht mit einem, der Draven in ein unbekanntes Reich schleudern würde.
Die Grabeswächter standen in kleineren Gruppen, waren zwar weniger zahlreich, strahlten aber dennoch eine tödliche Ruhe aus. Ihre dunklen Umhänge waren zerfetzt, und viele hielten sich an ihren blutigen Wunden fest, aber ihre Augen brannten vor unerschütterlicher Entschlossenheit.
In der Mitte lag Lorik zusammengesunken in der Nähe des nun stabilen (oder vielleicht nur teilweise verschlossenen) Spaltes.
Der Boden dort war in unebene Krater gesprengt, der Stein darunter verkohlt. Die wirbelnden Energien der Spalte hatten sich zu einem schwachen Schimmer gelegt, der unter anderen Umständen schön gewesen wäre – wie eine schwache Aurora, die sich über den Hof zog. Doch für jeden, der die Schwere des Geschehenen verstand, war es eine Warnung: Das Gewebe war noch lange nicht geheilt, und die Grenze zwischen den Welten blieb brüchig.
Loriks Atem ging flach.
Schmutz und Asche verschmierten sein Gesicht, und der schwache Geruch von Ozon haftete an seiner Robe. Das Zeichen in seiner Hand war verblasst, sein einst so starker Glanz war nun auf gelegentliches Flackern reduziert, und jeder Impuls war schwächer als der vorherige, als wäre auch es von den katastrophalen Energien, die vor wenigen Augenblicken freigesetzt worden waren, erschöpft worden. Er war nicht tot, aber er war so nah am Abgrund, dass er es genauso gut hätte sein können.
Eine Grawächterin trat vor, ihre Klinge noch immer gezückt. Ihre Robe, dunkel wie die Nacht, klebte an ihrem schlanken Körper, und trotz ihrer Verletzungen bewegte sie sich mit der Selbstsicherheit eines Raubtiers. Zwei weitere Grawächter humpelten hinter ihr her, ihre Gesichter unter den Kapuzen grimmig. Einer hielt sich den Unterarm, dessen Stoff mit Blut getränkt war, während der andere bei jedem Schritt keuchte. Keiner von ihnen schien bereit, den Kampf aufzugeben.
„Wir nehmen ihn mit“, sagte die Frau, und ihre Stimme zerschnitt die Stille wie ein Rasiermesser. „Das Artefakt gehört uns. Die Stätte ist kompromittiert.“