„Du willst Beweise“, flüsterte er. „Na gut.“
Lioras Finger krallten sich in seinen Gürtel. „Kael …“
Seyrik schnippte mit den Fingern.
Die Runen entzündeten sich.
Ein heftiger Lichtblitz durchflutete die Kabine, hell und unnatürlich, und warf gezackte Schatten an die Wände. Der Boden bebte unter ihren Füßen, als wäre etwas Tiefes in der Erde erwacht.
Kael hatte kaum Zeit zu reagieren, bevor sich die Wände der Hütte nach außen zu dehnen schienen und die Luft sich verzerrte und verdrehte, als würde die Realität selbst unter dem Gewicht dessen, was Seyrik gerade entfesselt hatte, zusammenbrechen.
Ein tiefer, kehliges Geräusch hallte aus der Dunkelheit draußen. Nicht ganz ein Brüllen. Nicht ganz ein Schrei. Aber irgendetwas dazwischen – ein Geräusch, das an Kaels Schädelinnenwand kratzte und seinen Instinkt dazu brachte, wegzulaufen.
Das Erste, was Kael bemerkte, war der Geruch – dick, widerlich und falsch. Wie Blut und verbranntes Fleisch, zu etwas Ekligem vermischt.
Dann kamen die Augen.
In der Dunkelheit hinter dem Türrahmen leuchteten Paare von glänzenden, ekelerregend gelben Augen auf. Sie waren tief am Boden, bewegten sich unnatürlich und wechselten ständig ihre Position. Die Kreaturen schlitterten vorwärts, ihre Umrisse noch immer von den Schatten verdeckt, aber Kael konnte sehen, wie sie sich bewegten – zu flüssig, zu geschmeidig, als würden sie zwischen den Rissen der Realität hindurchgleiten.
Sein Magen krampfte sich zusammen. Das waren keine normalen Tiere.
Liora atmete langsam aus, rollte mit den Schultern und stellte sich vor Kael, zwischen ihn und die herannahenden Schrecken.
„Nun“, murmelte Liora mit leiser, unlesbarer Stimme. „Das ist nicht gut.“
Kael zwang sich, ruhig zu atmen. „Was – was sind das für Wesen?“
Seyrik atmete scharf aus, seine Augen leuchteten vor Freude. „Ein kleiner Vorgeschmack“, flüsterte er. „Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was dahinter liegt. Du solltest dich geehrt fühlen. Du bist der Erste, der das wahre Potenzial sieht.“
Kael umklammerte seinen Dolch fester. „Das ist kein Potenzial“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. „Das ist Verderbnis.“
Seyriks Blick schoss zu ihm, sein Gesichtsausdruck verzerrte sich fast beleidigt. „Korruption?“ Seine Stimme war scharf, als wäre allein schon der Gedanke eine Beleidigung. „Nein. Nein, nein, nein. Du verstehst immer noch nicht. Sie sind frei.“
Die Kreaturen machten einen weiteren Schritt nach vorne.
Und diesmal sah Kael sie deutlich.
Wölfe – aber auch wieder nicht. Ihre Körper waren langgestreckt und zu unnatürlichen Formen verdreht. Ihre Gliedmaßen waren zu dünn, ihre Knochen zeichneten sich unter glatter, geschwärzter Haut ab. Ihre Augen leuchteten unheimlich und pulsierend, ihre Bewegungen waren zu präzise, zu kontrolliert.
Wie Marionetten.
Kael schluckte. „Liora …“
„Ich sehe sie“, flüsterte Liora und zog bereits sein Schwert.
Seyrik hob die Hände, spreizte die Finger weit auseinander, und die Kreaturen zuckten gleichzeitig zusammen. „Du kannst es nicht aufhalten“, flüsterte er. „Du kannst mich nicht aufhalten.“
Und dann ließ er sie los.
__
Die Kreaturen waren keine Wölfe mehr.
Ihre Körper hatten sich zu etwas Groteskem verdreht, etwas, das jeder Natur widersprach.
Ihre Gliedmaßen waren unnatürlich gestreckt, ihre Muskeln wölbten sich unter glattem, geschwärztem Fell, das zu pulsieren schien, als würde etwas Lebendiges darin stecken. Ihre Augen brannten mit violetten Flammen und warfen unheimliche, flackernde Lichtreflexe in die Dunkelheit. Ihre Münder waren zu groß für ihre Schädel und mit gezackten Zähnen gesäumt, die aussahen, als wären sie zerschmettert und auf chaotische, unnatürliche Weise wieder zusammengefügt worden.
Sie knurrten nicht. Sie brüllten nicht. Sie machten keinen Mucks.
Sie bewegten sich lautlos, ihre langen Gliedmaßen trugen sie mit unheimlicher Anmut voran, wie Gespenster, die über den Waldboden glitten. Es gab kein Keuchen, kein schweres Atmen. Nur das Knirschen der Erde unter ihren unnatürlichen Füßen, das Flüstern ihrer verdorbenen Gestalten, die durch die Luft schnitten.
Seyrik stand in der Mitte und beobachtete sie mit einer beunruhigenden Faszination. Seine Augen glänzten im schwachen Licht seiner Runenmagie, die dunkle Energie des Rituals knisterte noch immer in der Luft um ihn herum. Er faltete die Hände, als würde er sein eigenes verdrehtes Meisterwerk bewundern.
„Wunderschön, nicht wahr?“, murmelte er.
Kael hatte kaum Zeit zu reagieren, bevor der erste sich auf ihn stürzte.
Es bewegte sich schneller als alles, was er je gesehen hatte. In einem Moment war es noch ein Schatten am Rand der Lichtung, im nächsten stürzte es auf ihn zu, seine Klauen blitzten im Mondlicht.
Liora reagierte als Erste.
Seine Dolche blitzten, seine Bewegungen waren eine Welle tödlicher Präzision. Er zögerte nicht, er schwankte nicht. Er drehte sich um die erste Kreatur herum, eine Klinge durchtrennte die Sehnen ihres langen Beins, während die andere eine tiefe Linie über ihre Kehle zog. Das Biest brach mitten im Sprung zusammen, zuckte, während schwarzer Nebel aus seinen Wunden sickerte, sein Körper löste sich auf, als hätte es nie wirklich existiert.
Kael atmete kurz und schnell. Er umklammerte seine Klinge fester, deren Gewicht sich plötzlich fremd in seinen Händen anfühlte. Er trat vor und schlug nach einer anderen Kreatur, die sich auf ihn stürzte –
zu langsam.
Sie war bei ihm, bevor sein Schwert sie auch nur berührte. Der Aufprall traf ihn wie ein Rammbock in der Brust und schleuderte ihn rückwärts zu Boden. Sein Rücken schlug hart auf, Schmerz schoss ihm die Wirbelsäule hinauf. Die Welt drehte sich, seine Sicht verschwamm, während seine Lungen nach Luft rangen.
Die Bestie ragte über ihm auf, ihre leeren Augen brannten, ihr groteskes Maul öffnete sich –
Dann wurde alles verschwommen.
Lioras Stiefel traf den Schädel der Kreatur und schleuderte sie mit einem widerlichen Knacken zur Seite.
Kael schnappte nach Luft und rollte sich gerade noch rechtzeitig zur Seite, um zu sehen, wie Liora einen Dolch tief in die ungeschützte Flanke der Kreatur rammte. Die Bestie zuckte, schwarzer Nebel sickerte aus ihrer Wunde wie Tinte, die sich in Wasser auflöst. Doch bevor Kael sich aufrichten konnte, bewegte sich ein weiterer Schatten.
Eine weitere Kreatur kam. Schnell.
Er versuchte, sein Schwert zu heben, aber seine Arme fühlten sich träge an, sein Körper war von dem Schock des Sturzes wie gelähmt.
Ein Stahlblitz – Liora fing ihn ab, bevor er ihn erreichte, und versenkte ihren Dolch in einem brutalen, präzisen Bogen in der Kehle der Kreatur. In dem Moment, als sie zusammenbrach, drehte er sich mit scharfem, wütendem Blick um.
„Konzentrier dich, Kael!“, fauchte Liora und blockte mit fließender Leichtigkeit einen weiteren Schlag ab.
„Du darfst keinen Fehler machen. Du kämpfst oder du stirbst.“
Kael zwang sich aufzustehen und ignorierte den brennenden Schmerz in seinen Rippen. Er atmete stoßweise, Schweiß brannte in seinen Augen. Die Kreaturen umkreisten ihn, unbeeindruckt von den bereits getöteten Artgenossen. Ihre grotesken, langgestreckten Gliedmaßen zuckten unnatürlich, ihre leuchtenden Augen waren auf ihn gerichtet wie hungrige Raubtiere, die auf ihren Befehl warteten.
Er konnte das Rascheln von Blättern hören, das entfernte Knistern von Seyriks dunkler Magie, die die Luft um sie herum verdrehte. Aber was ihn am meisten beunruhigte, waren nicht die Kreaturen oder das bedrückende Gewicht der verdorbenen Energie – es war die Art, wie sie sich bewegten. Zusammen. Synchronisiert. Wie die Spinnen in den Minen.
Nicht natürlich. Nicht instinktiv. Kontrolliert.
Liora schlängelte sich wie ein Sturm aus Klingen durch sie hindurch, seine Bewegungen flüssig und mühelos. Seine Dolche glänzten im trüben Licht, jeder Hieb präzise, jeder Schlag traf die Kreaturen mit gnadenloser Effizienz. Er war berechnend, jeder Schritt bewusst gesetzt, jeder Schlag darauf ausgerichtet, zu zerlegen, außer Gefecht zu setzen oder zu vernichten.
Kael biss die Zähne zusammen. Er musste sich bewegen. Er musste kämpfen. Wenn er zögerte, würde er sterben.
Eine Bestie stürzte sich auf ihn, ihre Klauen glänzten unter den flackernden Resten von Seyriks Zauber. Kael hatte kaum Zeit zu reagieren. Er duckte sich, drehte sich und rammte seinen Dolch nach oben in die Kehle der Kreatur. Seine Muskeln brannten, als er die Klinge tief hineindrückte und spürte, wie das unnatürliche Fleisch unter seinem Griff zitterte.
Die Kreatur zuckte, ihre Gestalt löste sich in schwarzen Nebel auf, als hätte sie nie wirklich existiert.
Kael taumelte zurück und kam kaum zu Atem, bevor eine weitere Kreatur sich auf ihn stürzte. Er rollte sich ab und wich knapp einem Schlag aus, der auf seinen Kopf zielte. Der scharfe Wind des verfehlten Schlags zischte an seinem Ohr vorbei, viel zu nah für sein Wohlbefinden.
Lioras Stimme durchdrang das Chaos wie eine Peitsche. „Bleib auf den Beinen, Junge!“
Kael musste sich das nicht zweimal sagen lassen.
Die Kreaturen drängten vorwärts. Ihre Zahl war noch nicht genug geschrumpft. Seyrik hielt den Zauber immer noch aufrecht und kontrollierte sie wie Marionetten an unsichtbaren Fäden.
Kaels Blick schoss zu ihm hinüber – Seyrik stand inmitten des Gemetzels, seine Hände wirbelten hektisch durch die Luft, Schweiß tropfte von seinem hageren Gesicht. Seine gemurmelten Zaubersprüche klangen fieberhaft und verzweifelt.
Das war nicht nur Macht – das war Besessenheit.
„Nein, nein, nein!“, Seyriks Stimme brach, seine weit aufgerissenen, wilden Augen huschten zwischen Kael und Liora hin und her. „Ihr versteht das nicht! Das ist größer als ihr!“
Der Boden bebte unter ihnen, eine Welle verdorben
Kael fluchte leise. Es waren zu viele.
Liora sah es als Erste. „Kael, mach ihn fertig!“
Seine Stimme zögerte nicht. Es gab keinen Raum für Zweifel.
Kaels Herz pochte in seiner Brust. Er holte tief Luft und rannte los.
Die Welt um ihn herum verschwamm, sein Blick fokussierte sich auf Seyrik und den pulsierenden Zauber zwischen seinen Händen. Die Kreaturen stürzten sich auf ihn, aber Kael hielt nicht an. Er rutschte unter den ausgestreckten Klauen einer Kreatur hindurch, rollte über den feuchten Waldboden und stürmte weiter vorwärts.
Seyriks Finger krallten sich zusammen, die Magie zwischen seinen Handflächen verdichtete sich zu etwas Tödlichem. „Ihr seid nichts! Ihr seid dieser Macht unterlegen!“
Kaels Klinge war schneller.
Er erreichte Seyrik gerade in dem Moment, als der Zauber entfesselt werden sollte, gerade als sich die Lippen des abtrünnigen Magiers zu einem ekstatischen Triumphgrinsen verzogen. Kael schlug zu und durchtrennte die unsichtbaren Fäden, die die Kreaturen an ihn banden.
Einen Moment lang passierte nichts.
Dann brach die Verbindung ab. Setze dein Abenteuer in My Virtual Library Empire fort
Die Kreaturen zuckten, ihre leuchtenden Augen erloschen, ihre monströsen Körper zuckten und lösten sich in dicke, sich windende Schatten auf. Ihre Schmerzensschreie erfüllten die Luft, als sie einer nach dem anderen zusammenbrachen und sich in Nichts auflösten.
Seyrik taumelte zurück, sein Atem ging stoßweise. Er umklammerte seine Brust, als hätte ihn der Verlust der Kontrolle körperlich verletzt. Seine Augen waren wild, seine Lippen verzogen sich zu einem Ausdruck zwischen Hass und Belustigung.
„Ihr versteht das nicht“, zischte er mit einer Stimme, die vor mehr als nur Wut zitterte. „Ich wurde auserwählt.“
Liora trat vor, sein Schwert noch immer im Anschlag, sein Blick kalt. „Wir sind hier fertig.“
Seyriks Gesichtsausdruck verzerrte sich zu etwas Unlesbarem – dann verzog sich sein Mund plötzlich zu einem Lächeln.
Keine Angst. Keine Niederlage.
Etwas anderes.
Kael hatte kaum Zeit, diese Veränderung zu registrieren, bevor Seyrik eine zitternde Hand hob und etwas leise flüsterte. Die Luft um ihn herum flimmerte wie Hitze, die von einem Stein aufsteigt, und dann –
war er weg.
Keine Spur von ihm blieb zurück.
Keine Fußabdrücke. Keine magischen Rückstände.
Nur Stille.
Der Wald verstummte.