„Nein… nein, nein, nein“, flüsterte er mit brüchiger Stimme. Er krallte sich am Boden fest, seine Finger gruben sich in die Asche, als könnte er die Vergangenheit ausgraben und ändern. Seine Brust hob und senkte sich, jeder Atemzug fiel schwer und unregelmäßig, während sein Blick vor Bildern dieser schicksalhaften Nacht verschwamm.
Er erinnerte sich an den Moment, als er sich endlich dazu gezwungen hatte, sich zu bewegen, wie er in die Flammen gesprungen war und seine Hände verbrannt hatte, als er versuchte, sie aus den Trümmern zu ziehen. Aber es war zu spät gewesen. Seine Frau, seine Tochter – sie waren tot. Er hatte nur ihre verkohlten Überreste gefunden, ihre zerbrechlichen Körper, die durch das gnadenlose Feuer zu unkenntlichen Fragmenten geworden waren. Dieser Anblick hatte ihn gebrochen, eine Wunde, die die Zeit nur begraben, aber nie geheilt hatte.
„Rylan!“ Derrins Stimme durchdrang den Nebel, weit weg und doch scharf, wie ein Leuchtfeuer, das ihn in die Gegenwart zurückholen wollte. Liora nahm es kaum wahr, die Erinnerungen waren zu überwältigend, zu alles verzehrend. Er sah noch immer ihre Gesichter vor sich, hörte ihre Stimmen, spürte die drückende Hitze auf seiner Haut. Die Last seines Versagens erdrückte ihn, die Erkenntnis, dass er machtlos gewesen war, sie zu retten.
Seine zitternden Hände fielen an seine Seiten, seine Finger streiften etwas Festes in der Asche. Er schaute nach unten und fokussierte seinen verschwommenen Blick auf einen kleinen, verkohlten Gegenstand.
Es war ein Holzspielzeug, dessen Kanten verkohlt waren, dessen Form aber unverkennbar war – ein Vogel mit ausgebreiteten Flügeln. Das Lieblingsspielzeug seiner Tochter. Er hatte es mit seinen eigenen Händen für sie geschnitzt, aus dem weichsten Holz, das er finden konnte, und es in leuchtenden Farben bemalt, die sie selbst ausgesucht hatte.
Der Anblick des zerbrochenen und verbrannten Spielzeugs war wie ein Schlag ins Gesicht. Er drückte es an seine Brust, sein Körper bebte vor unterdrücktem Schluchzen, während die ganze Last seiner Trauer auf ihm lastete. „Es tut mir so leid“, brachte er mit erstickter Stimme hervor, die kaum über das Knistern der Feuerreste hinwegzuhören war. „Es tut mir so leid. Ich konnte dich nicht retten.“
Die Welt um ihn herum verschwamm, die Gegenwart verblasste, während die Vergangenheit ihn völlig verschlang. Er stand nicht mehr in den Trümmern seines alten Zuhauses, sondern war zurück in diesem schrecklichen Moment, umgeben von Flammen und Tod. Das Gesicht des Mannes, der das Feuer gelegt hatte, tauchte vor seinem inneren Auge auf, grausam und reuelos, sein Grinsen hatte sich wie ein Brandmal in Lioras Erinnerung eingebrannt. Er hatte diesen Mann gejagt und ihm mit einem Messer aus purer Wut das Leben genommen.
Aber das hatte sie nicht zurückgebracht. Es hatte nicht rückgängig gemacht, was verloren war.
„Es ist meine Schuld“, flüsterte er, seine Stimme zitterte unter der Last des Geständnisses. „Es ist alles meine Schuld. Ohne mich … wären sie noch hier.“
Derrin näherte sich vorsichtig, sein Gesicht voller Sorge, als er sich neben Liora hockte. „Rylan“, sagte er leise, seine Stimme ruhig, aber mit einem Anflug von Dringlichkeit. „Du musst das loslassen. Du trägst eine Last, die nicht deine ist.“
Aber Liora schüttelte heftig den Kopf, sein Griff um das Spielzeug wurde fester, während Tränen über sein rußverschmiertes Gesicht liefen. „Ich kann nicht“, sagte er mit brüchiger Stimme. „Ich kann es nicht loslassen. Ich habe sie im Stich gelassen. Ich hätte stärker sein müssen, schneller … besser.“
Derrin legte eine Hand auf Lioras Schulter, seine Berührung war fest, aber sanft.
„Du kannst dich nicht für etwas bestrafen, das du nicht kontrollieren konntest“, sagte er mit leiser, eindringlicher Stimme. „Du hast alles getan, was du konntest. Du hast sie geliebt. Das ist alles, was zählt.“
Liora sah zu ihm auf, seine Augen voller Schmerz. „Und es war nicht genug.“ Seine Stimme brach, rau und kehlig, als er sich aus Derrins Griff löste. „Es ist nie genug.“
Bevor Derrin antworten konnte, sprang Liora auf, seine Bewegungen waren plötzlich und hektisch. Er drehte sich um und rannte los, getrieben von einer Verzweiflung, die er nicht unterdrücken konnte. Die Straßen von The Hollow verschwammen um ihn herum, während er rannte, seine Sicht von Tränen verschleiert. Er wusste nicht, wohin er lief – er wusste nur, dass er weg musste. Weg vom Feuer, den Erinnerungen, der Schuld. Weg von allem.
„Rylan! Warte!“, schrie Derrin hinter ihm, aber Liora blieb nicht stehen. Er konnte nicht. Seine Füße schlugen auf das unebene Kopfsteinpflaster, sein Atem ging stoßweise, während er sich durch enge Gassen und dunkle Straßen schlängelte. Die Vergangenheit verfolgte ihn, unerbittlich und gnadenlos, jeder Schritt hallte wider von den Schreien derer, die er verloren hatte.
Die Stadt verschwand hinter ihm und wurde von der stillen Weite eines Hügels ersetzt, von dem aus man das ferne Leuchten von The Hollow sehen konnte. Liora taumelte zu Boden, seine Beine gaben unter ihm nach, als Erschöpfung und Trauer ihn überwältigten. Die Sterne über ihm waren schwach, ihr Licht wurde von dem Rauchschleier diffus, der wie ein unwillkommener Gast in der Luft hing. Jeder Atemzug fiel ihm schwer, der beißende Geruch von Asche und verbranntem Holz lag noch immer schwer in seiner Lunge.
Seine Hände zitterten, als er das verkohlte Holzspielzeug an seine Brust drückte, dessen einst glatte und bunt bemalte Oberfläche nun verzogen und geschwärzt war. Es hatte das Feuer überstanden, genau wie er, aber nicht ohne Narben. Seine Stimme war nur noch ein gebrochenes Flüstern, das kaum über das Geräusch seines eigenen unregelmäßigen Atems hinwegzuhören war. „Bitte … vergib mir“, sagte er, die Worte brachen unter der Last seiner Reue. „Bitte …“
Die Welt um ihn herum schien zu verschwimmen, das entfernte Summen von The Hollow verschwand in einer bedrückenden Stille. Seine Gedanken drehten sich im Kreis und verwickelten sich in einen Knäuel aus Verzweiflung und Selbstvorwürfen. Er war wieder in den Flammen, die Erinnerungen umschlangen ihn wie Ketten und zogen ihn in die Tiefen seiner Schuld.
Er konnte ihre Gesichter noch immer so deutlich sehen. Das sanfte Lächeln seiner Frau, das immer von einer stillen Stärke geprägt war, war jetzt vor Angst verzerrt, als das Feuer sie umschloss. Das Lachen seiner Tochter, so rein und voller Leben, war jetzt von ihren Schreien ersetzt, als Rauch und Hitze ihr den Atem raubten. Diese Momente, diese Fragmente eines Lebens, das er nie wieder zurückbekommen würde, waren alles, was ihm geblieben war.
Er drückte das Spielzeug fester, die Kanten gruben sich in seine Handflächen, ein kleiner Schmerz, der sich inmitten des Chaos in seinem Kopf fast beruhigend anfühlte. Er flüsterte ihren Namen, den Namen seiner Frau, die Silben brachen auseinander, als sie seine Lippen verließen. „Anna … Es tut mir leid. Es tut mir so leid.“
Für einen flüchtigen Moment glaubte er, ihre Stimme zu hören – sanft, beruhigend, so wie sie ihm früher in den stillen Momenten vor dem Einschlafen Schlaflieder gesummt hatte. Aber das Geräusch verschwand so schnell, wie es gekommen war, und wurde vom leisen Rauschen des Windes im Gras ersetzt. Er blickte auf, seine Sicht von Tränen verschleiert, und suchte in den Sternen nach etwas – irgendetwas –, das ihm Trost spenden könnte. Aber der Himmel blieb gleichgültig, sein schwaches Licht kalt und fern.
Eine Stimme durchbrach die Stille, leise, aber deutlich. „Hey, alles in Ordnung?“
Liora zuckte zusammen und drehte den Kopf in Richtung der Stimme. Seine Sicht verschwamm, seine Augen strengten sich an, um scharf zu sehen. Zuerst glaubte er, jemanden zu erkennen – eine Gestalt aus längst vergangenen Tagen, jemanden, der ihn einst vor dem Abgrund gerettet hatte. Der Gedanke ließ einen Funken Hoffnung in seiner Brust aufkeimen, zerbrechlich und schwach.
Er flüsterte ihren Namen, der kaum über seine Lippen kam, seine Stimme zitterte vor Sehnsucht und Unglauben. Für einen flüchtigen Moment schien die Gestalt vor ihm dieselbe zu sein – schwarzes Haar, das in vertrauten Wellen fiel, dasselbe sanfte Lächeln, das ihm einst Trost gespendet hatte, derselbe Ausdruck der Ruhe, der ihn in seinen dunkelsten Momenten Halt gegeben hatte.
Die Illusion packte ihn und zog ihn in eine Flut von Erinnerungen, die wie ein reißender Strom zum Leben erwachten. Er sah Bilder einer gemeinsamen Reise, lebhaft und bittersüß – einen gewundenen Pfad durch uralte Wälder, das Lachen von Kameraden, das von den Wänden der Schlucht widerhallte, die stille Kameradschaft der Nächte unter dem Sternenhimmel. Er erinnerte sich an den Nervenkitzel der gemeinsam gekämpften Schlachten, an die gemeinsamen Triumphe, an die Wärme des Lagerfeuers, als sie von ihren Träumen und Lasten sprachen.
Es war mehr als nur Freundschaft; es war ein Band, das durch Prüfungen und Triumphe geschmiedet worden war, eine Bedeutung, die er zu verstehen geglaubt hatte, aber erst jetzt wirklich begriff.
Das Gesicht des Mannes kristallisierte sich in seinem Geist heraus, und die Stimme, die ihn einst beruhigt hatte, hallte durch das Chaos seiner Gedanken:
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„Wenn du ihn jemals triffst, vertraue ich ihn dir an.“
Die Erinnerung an diese Worte holte ihn zurück und gab ihm Halt, obwohl seine Gefühle zu entgleiten drohten. Er hielt den Atem an, das Gewicht dieses Augenblicks war zu schwer, um es zu verarbeiten. Für einen Moment war er sich sicher, dass er es war – der dort stand und wartete, als hätte sich nichts verändert.
Doch dann zerbrach die Illusion. Seine Sicht klärte sich, und das schwache Licht enthüllte das Gesicht vor ihm, das nicht das war, das er so sehnsüchtig erwartet hatte. Es war Kael.
Der Junge kniete neben ihm, seine jugendlichen Züge von Sorge gezeichnet, sein Blick ruhig, aber suchend. Das schwarze Haar, das zaghafte Lächeln – es war nicht dasselbe, aber es hatte seine eigene Wahrheit.
Kaels Stimme brach die Stille, leise und unsicher, aber mit einer seltsamen Stärke. „Hey, bist du okay?“
Die Worte rissen Liora zurück in die Gegenwart, und für einen Moment starrte er Kael einfach nur an, seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig. Seine Gedanken schwankten zwischen dem Schmerz der Vergangenheit und der beruhigenden Präsenz des Jungen vor ihm. Langsam legte sich der Sturm in ihm. Die Sehnsucht blieb, roh und unerbittlich, aber die Klarheit, die Kaels Anwesenheit ihm schenkte, war unbestreitbar.
Liora antwortete nicht sofort. Er starrte Kael an, sein Geist war ein wirbelndes Durcheinander aus Trauer, Schuld und Unglauben. Die Last seiner Gefühle wurde nicht leichter, aber etwas an Kaels Präsenz – sein fester Blick, seine ruhige Stimme – brachte ihm ein flüchtiges Gefühl der Klarheit. Es war keine Erlösung, aber es war etwas.
Und es war genug.
Liora nickte schwach, seine Stimme war nur ein leises Murmeln.
„Mir geht es gut.“