Das Licht der Laternen streckte sich dünn über die rissigen Kopfsteinpflastersteine und verdrängte kaum die bedrückende Dunkelheit, die nachts über The Hollow lag. Liora ging mit bedächtigen Schritten und seinem scharfen Blick durch die Finsternis. Die Gebäude schienen sich zu verschließen, als wollten sie die Welt ausgrenzen, und ihre verzogenen Holzgerüste warfen gezackte Schatten, die im flackernden Licht der Laternen tanzten.
Er spürte Derrins Anwesenheit hinter sich, ruhig, aber angespannt, seine Stiefel knirschten leise auf dem unebenen Boden.
Lioras Hand streifte den Rahmen einer verzogenen Tür, an der sie vorbeikamen, und seine Finger fuhren instinktiv über die tiefen Rillen im Holz. Die Oberfläche fühlte sich rau an, uneben und vertraut. Für einen Moment verschwanden die bedrückenden Schatten von The Hollow und wurden durch das warme Leuchten der Erinnerung ersetzt.
Das hohe Lachen erfüllte seine Ohren – rein, fröhlich und unberührt von der Last der Welt. Er konnte fast die kleinen Hände seiner Tochter auf seinen spüren, wie ihre Finger eifrig denselben Rillen folgten, während sie über seine Geschichten kicherte.
„Diese knorrige alte Tür“, pflegte er zu sagen, während er neben ihr kniete, „hält alle Monster fern, weißt du. Sie ist magisch.“ Sie sah zu ihm auf mit großen, unschuldigen Augen und fragte: „Wirklich, Papa?“ Ihre Stimme hatte einen singenden Klang, der sein Herz jetzt vor Sehnsucht schmerzen ließ, die Erinnerung war zu lebendig, zu real.
Die Luft schien sich um ihn herum zu verdichten, als die Realität zurückkehrte. Er zog seine Hand abrupt zurück, als hätte die Erinnerung seine Haut verbrannt. Sein Gesicht verriet nichts, aber das Flackern der Angst in seinen Augen sprach Bände. Ohne ein Wort setzte er seinen Weg fort, seine Schritte gemessen und bedächtig, als könne er die Geister seiner Vergangenheit irgendwie in Schach halten, indem er vorwärtsging.
Derrins Stimme durchbrach die Stille, leise und vorsichtig. „Bist du dir sicher?“
Liora blieb stehen, seine Schultern waren angespannt, und Derrins Frage lastete wie eine eiserne Fessel auf seiner Brust. Lange Zeit antwortete er nicht, seine scharfen Augen suchten die schwach beleuchtete Straße vor ihm ab, als würde er nach etwas suchen – nach einer Antwort, einem Zeichen oder vielleicht nach dem Mut, den er so dringend brauchte.
Unaufgefordert wirbelten Erinnerungen durcheinander, ein Sturm der Gefühle drohte, seine sorgfältig errichteten Mauern zu durchbrechen. Er konnte fast das leise Echo von Gelächter hören, die Wärme eines Zuhauses sehen, das es nicht mehr gab, und die phantomhafte Berührung von Händen spüren, die er nicht festhalten konnte.
Er atmete langsam aus, schwer und bedächtig, als würde er eine Last loswerden, die er nicht länger schweigen lassen konnte. Als er endlich sprach, klang seine Stimme ruhig, aber mit einem dunklen Unterton – einer tiefen, unerschütterlichen Entschlossenheit, gemischt mit dem bitteren Beigeschmack von Bedauern. „Ich muss das tun“, sagte er, jedes Wort voller Bedeutung, als wären sie ebenso sehr für ihn selbst wie für Derrin bestimmt.
Derrin musterte ihn noch einen Moment länger, seine Besorgnis deutlich in der leichten Falte auf seiner Stirn zu sehen. Aber er sagte nichts mehr, sein Schweigen war sowohl ein Zugeständnis als auch ein stilles Zeichen der Unterstützung. Liora nickte einmal, fast zu sich selbst, und setzte seinen gemessenen Schritt fort, entschlossen, aber schwer von den unsichtbaren Ketten seiner Vergangenheit. Weiterlesen bei My Virtual Library Empire
Derrin nickte, ohne weiter nachzuhaken, obwohl seine Zurückhaltung wie ein Schatten nachhallte.
Sie gingen schweigend weiter, ihre Schritte ungleichmäßig auf dem zerbrochenen Kopfsteinpflaster. Lioras Blick wanderte über vertraute Sehenswürdigkeiten: einen alten, verrosteten Laternenpfahl, der von jahrelanger Vernachlässigung verbogen war, den Kopfsteinpflasterweg, den er einst mit seinen Nachbarn repariert hatte und der nun rissig und vom Zahn der Zeit gezeichnet war. Die Nachbarschaft wirkte wie ein Geist ihrer selbst, gefangen in einem Zwischenraum zwischen dem, was sie einmal gewesen war und dem, was sie nie wieder sein würde.
Die Luft wurde schwerer, als sie sich dem Rand des Viertels näherten. Das schwache Leuchten der Laternen wich tieferen Schatten, und die Kälte schien Liora bis in die Knochen zu dringen. Er zog seinen Mantel enger um sich und versuchte, sich nicht zu lange mit einzelnen Erinnerungen aufzuhalten. Jeder Schritt brachte ihn näher an das Zuhause, das er verlassen hatte, näher an die Geister, die er zurückgelassen hatte.
Ein plötzliches Knistern riss ihn aus seinen Gedanken. Es begann als leises Murmeln, kaum zu unterscheiden vom Rauschen der unruhigen Nacht in The Hollow. Aber mit jedem Schritt wurde es lauter, eindringlicher, eine unheilvolle Unterströmung, die sich durch die Stille zog. Dann kam der Geruch – beißend und unverkennbar, drang scharf in seine Nase.
Rauch. Er kratzte in seiner Lunge und riss ihn mit einer Dringlichkeit in die Gegenwart zurück, die alle seine Nerven in Alarmbereitschaft versetzte.
Lioras Schritte wurden schneller, seine Instinkte schärften sich, als sich eine schleichende Angst in seiner Brust ausbreitete. Sein Körper reagierte, bevor sein Verstand die Situation vollständig erfassen konnte, und seine Stiefel kratzten über das unebene Kopfsteinpflaster. Das Gewicht der Unruhe lastete auf ihm wie ein unsichtbarer Schleier, und jeder Schritt zog ihn näher an eine unbekannte Katastrophe.
„Rylan“, Derrins Stimme durchdrang den Nebel, mit einem Anflug von Unruhe. Seine Hand schoss hervor und packte Lioras Arm fest, um ihn zu sichern. „Was ist los? Was hörst du?“
Liora schüttelte ihn ab, ohne ihn anzusehen, und konzentrierte sich ganz auf den Weg vor ihm. „Irgendwas stimmt nicht“, sagte er mit leiser, aber fester Stimme, mehr zu sich selbst als zu Derrin. Das Knistern war jetzt zu einem harten, knackenden Rhythmus geworden, ein Geräusch, das zu lebendig war, um ignoriert zu werden. Der Geruch von brennendem Holz wurde stärker, seine Schwaden umhüllten seine Sinne und zogen seine Gedanken zurück an Orte, an die er nicht zurückwollte.
„Warte, Rylan“, drängte Derrin und joggte, um mit Lioras immer schneller werdendem Tempo mitzuhalten. „Halt einfach mal kurz an …“
Liora ignorierte ihn und beschleunigte ihre Schritte, als würde die Antwort, die er fürchtete, gleich um die Ecke auf ihn warten. Jeder Atemzug war erfüllt von dem dicken, erstickenden Geruch von Rauch, und mit ihm kamen Erinnerungsfetzen zurück: Flammen, die an vertrauten Wänden leckten, das Knacken von Holz, das dem Feuer erlag, das Echo von Stimmen, die dieses Haus einst zu einem Zuhause gemacht hatten.
Sie bogen um die Ecke, und die Welt versank im Chaos.
Flammen leckten gierig an den Überresten der Gebäude, ihre Hitze verzerrte die Luft in flirrenden Wellen. Das knisternde Dröhnen des Feuers übertönte alle anderen Geräusche, bis auf das gelegentliche Krachen von einstürzendem Holz. Liora erstarrte, seine Augen waren auf das Inferno gerichtet, das seine alte Nachbarschaft verschlang. Für einen Moment konnte er nicht atmen, der Anblick vor ihm kollidierte heftig mit den Erinnerungen, die er zu begraben versucht hatte.
Derrins Stimme durchdrang den Lärm. „Rylan, wir müssen weg hier!“
Lioras Körper sprang auf, die Dringlichkeit in Derrins Stimme riss ihn aus seiner Starre. Er sprintete auf die Flammen zu und schrie mit rauer Stimme: „Wasser! Wir brauchen Wasser!“
Der Klang seiner eigenen Stimme war kaum über das Dröhnen des Feuers zu hören, aber sie klang so eindringlich, dass er weiter vorwärts stürmte. Er stolperte über ein Stück verkohltes Gerümpel und konnte sich gerade noch rechtzeitig auffangen. Jeder Atemzug fiel ihm schwer, da der beißende Rauch in seiner Lunge brannte und ihm bei jedem Einatmen die Kehle verätzte. Seine Gedanken rasten, während er die Umgebung absuchte, auf der Suche nach irgendetwas – einem Eimer, einer Tränke, einem Bach –, das ihm helfen könnte, das Inferno zu bekämpfen, das seine Vergangenheit verschlang.
Derrin holte ihn ein, seine Augen weit aufgerissen vor Panik, als er Liora am Arm packte. „Um die Ecke ist ein alter Brunnen!“, schrie er und hustete gegen den dichten Rauch. „Den müssen wir benutzen!“
Liora nickte heftig und konzentrierte sich auf Derrins Worte wie auf einen Rettungsanker. „Geh vor!“, bellte er mit heiserer Stimme.
Die beiden Männer rannten zum Brunnen, ihre Bewegungen hektisch, aber zielstrebig. Er stand in der Nähe eines kleinen, vergessenen Platzes, sein Steinrand war rußgeschwärzt und das Seil von jahrelanger Vernachlässigung ausgefranst. Derrin erreichte ihn zuerst und zog den Eimer mit einem kräftigen Ruck hoch. Wasser schwappte über den Rand und ergoss sich auf den rissigen Boden.
„Hier!“, rief Derrin und drückte Liora den Eimer in die Hände.
Liora zögerte nicht. Er schnappte sich den Eimer und sprintete zurück zu den Flammen, ohne auf die sengende Hitze zu achten, die sein Gesicht und seine Hände verbrannten. Er schüttete das Wasser auf die Feuerstelle, wo es heftig zischte, als es auf die Flammen traf. Das kurze, befriedigende Zischen wurde fast sofort vom unerbittlichen Hunger des Feuers verschluckt.
„Mehr!“, schrie Liora und drehte sich zu Derrin um, der den Eimer bereits wieder in den Brunnen hinabließ.
Gemeinsam fielen sie in einen verzweifelten Rhythmus. Derrin arbeitete am Brunnen und holte so schnell das Wasser heraus, wie es das ausgefranste Seil zuließ, während Liora hin und her rannte und die kostbare Flüssigkeit auf die Flammen schüttete. Mit jedem Gang wurde er erschöpfter, seine Muskeln schrien vor Schmerz und seine Lungen brannten vor Anstrengung. Das Feuer schlug mit unerbittlicher Wut zurück, seine Hitze leckte an seiner Haut und trieb ihn an den Rand des Zusammenbruchs.
„Du bringst dich noch um!“, schrie Derrin über das Dröhnen der Flammen hinweg, sein Gesicht war mit Ruß und Schweiß verschmiert.
„Ich höre nicht auf!“, knurrte Liora mit entschlossener Stimme. „Weitermachen!“
Die Stunden verschwammen zu einer Ewigkeit. Der unerbittliche Rhythmus ihrer Anstrengungen – das Schaben des Eimers gegen den Brunnen, das Rauschen des Wassers, das Zischen des Dampfes – wurde zu einer verzweifelten Kadenz, einer zerbrechlichen Barriere gegen das alles verschlingende Chaos um sie herum. Das Brüllen des Feuers begann zu verstummen, seine Heftigkeit ließ unter ihrem Angriff nach. Langsam, qualvoll, ließen die Flammen nach und hinterließen qualmende Trümmer und eine unheimliche, erstickende Stille.
Liora stand inmitten der Trümmer, seine Brust hob und senkte sich, während er nach Luft rang. Die Luft war dick von dem Gestank nach verbranntem Holz und etwas viel Schlimmerem – etwas Metallischem und Übelkeitserregendem, das ihm den Magen umdrehte. Seine Beine zitterten, als er vorwärtsging, der Boden unter seinen Stiefeln knirschte bei jedem Schritt.
Als der Rauch sich lichtete, wurde das ganze Ausmaß der Verwüstung sichtbar.
Von seinem alten Zuhause war kaum mehr als ein verkohltes, zerbrochenes Gerippe übrig. Die Wände, die er einst mit dem Lachen seiner Tochter bemalt hatte, waren verschwunden und durch Asche und Trümmer ersetzt worden. Seine Knie gaben nach, als sein Blick auf den Boden fiel, der mit dunklen Flecken übersät war, die zuvor nicht da gewesen waren. Blut vermischte sich mit der Asche und bildete groteske Muster, die ihn zu verspotten schienen.
Liora taumelte vorwärts, die Augen weit aufgerissen vor Unglauben. Unter den Trümmern lagen verkohlte Fragmente – Knochen, vom Feuer verdreht und geschwärzt. Der Anblick traf ihn wie ein Schlag und raubte ihm den Atem. Er fiel auf die Knie, grub seine Hände in die Asche, während sich sein Magen heftig umdrehte. Er würgte, der bittere Geschmack von Galle brannte in seiner Kehle.
„Warum sind die … hier …?“
Die Erinnerungen kamen zurück, unaufhaltsam und gnadenlos. Die Flammen waren nicht mehr weit weg – sie waren überall und verschlangen alles, was er liebte. Liora erstarrte, seine Gedanken wurden gegen seinen Willen in eine Nacht zurückversetzt, die ihn seit Jahren verfolgte. Das Inferno vor ihm verschwamm und verschmolz mit dem Feuer, das einst sein Zuhause verschlungen hatte. Das Dröhnen der Flammen wurde von Phantomschreien begleitet, die wie scharfes Glas seine Gedanken durchschnitten.
Er konnte alles wieder sehen, als würde es gerade passieren. Die verzweifelten Schreie seiner Frau hallten in seinen Ohren wider, rau und herzzerreißend, seinen Namen rufend, mit einer Angst, die ihn bis ins Mark erschütterte. „Rylan! Hilf mir!“ Ihre Stimme durchdrang das tosende Feuer, der Klang war zu lebendig, zu real, um ihn als Erinnerung abzutun.
Sein Atem stockte, als ihre Silhouette vor seinem inneren Auge auftauchte – ihre Arme streckte sie nach ihm aus, zitternd, flehend. Ihr Gesicht, beleuchtet vom höllischen Schein der Flammen, war vor Qual verzerrt. Sie war so nah und doch unmöglich zu erreichen.
Sein Herz schlug wild, im gleichen unregelmäßigen Rhythmus wie sein flacher Atem.
Er spürte die unerträgliche Hitze dieser Nacht auf seiner Haut, sein Körper zitterte, als wäre das Feuer selbst wieder zum Leben erwacht, um ihn erneut in seinen erstickenden Griff zu nehmen. Seine Füße fühlten sich wie angewurzelt an, genau wie damals, als seine Hilflosigkeit ihn an Ort und Stelle gefesselt hatte. Jede Faser seines Wesens schrie ihn an, sich zu bewegen, zu handeln, aber sein Körper ließ ihn im Stich. Wieder einmal.
Dann kamen die leiseren Schreie – das leise, hohe Weinen seiner Tochter. Sie hallten über das knisternde Holz und die einstürzenden Balken, jeder Schluchzer wie ein Dolch, der tiefer in seine Brust stach. Er sah sie auch, ihre winzigen Hände, die durch die Flammen griffen und nach der Luft tasteten, als könnte sie seine ausgestreckten Arme ergreifen. „Papa!“, schrie sie mit brüchiger Stimme, verzweifelt und verängstigt.
Liora taumelte zurück, seine Beine gaben unter ihm nach. Er schlug die Hände auf den Kopf, als wolle er die Geräusche ausblenden, aber es war zwecklos.
Die Erinnerungen waren unerbittlich und zogen ihn in die Tiefen seiner Schuld und Verzweiflung. Der beißende Geruch von verbranntem Holz und Fleisch überflutete seine Sinne, dick und übelkeitserregend, und zog ihn weiter in den Albtraum hinein. Er sah, wie das Haus um sie herum einstürzte, das Feuer immer lauter brüllte und sich über seine Hilflosigkeit lustig machte, während die Menschen, die er am meisten liebte, von den Flammen verschlungen wurden.
„Nein … nein, nein, nein“,