Die Sonne tauchte Lindholm in goldenes Licht, der Morgennebel lichtete sich langsam und gab den Blick auf ein Dorf frei, das sich auf einen wichtigen Moment vorbereitete. Kael zog den Riemen seiner Tasche enger, während er die vertrauten Feldwege entlangging, jeder Schritt erfüllt von einer Mischung aus Vorfreude und Traurigkeit. Heute war der Tag, an dem er gehen würde. Die Dorfbewohner hatten ihm in den letzten Tagen still ihre Unterstützung gezeigt, aber heute Morgen war es anders.
Es lag eine Atmosphäre der Endgültigkeit in der Luft, eine gemeinsame Hoffnung und unausgesprochene Abschiede.
Seine erste Station war die Schmiede. Der Schmied, ein stämmiger Mann namens Toren, hämmerte auf ein Stück Metall, und das rhythmische Klirren hallte durch die offene Werkstatt. Toren blickte auf, als Kael näher kam, und ein Lächeln huschte über sein rußbedecktes Gesicht.
„Kael, gerade rechtzeitig“, sagte Toren, legte seine Werkzeuge beiseite und wischte sich die rußbedeckten Hände an einem fleckigen Lappen ab. Er ging zu einer robusten Werkbank, auf der ein langes, sorgfältig in ein Tuch gewickeltes Objekt lag. Das Feuer in der Schmiede knisterte hinter ihm und warf flackernde Schatten an die Wände, als er das Bündel mit beiden Händen hob und es wie etwas Heiliges behandelte.
„Ich habe etwas für dich“, fuhr er fort, und seine Stimme klang ungewöhnlich ernst. Die Bedeutung dieses Augenblicks war unübersehbar, und Kael spürte, wie sein Puls vor Erwartung schneller schlug.
Kael runzelte die Stirn, als Toren ihm das Bündel reichte. Vorsichtig wickelte er es aus und entdeckte ein Schwert. Nicht irgendein Schwert – die Waffe seines Vaters, neu geschmiedet und auf Hochglanz poliert.
Der Griff war mit neuem Leder umwickelt, und entlang der Klinge verliefen schwache Gravuren.
„Ich dachte, es verdient eine zweite Chance“, sagte Toren mit rauer, aber warmer Stimme. „Das Schwert deines Vaters war aus gutem Stahl, aber es musste überarbeitet werden. Ich dachte, es sollte jetzt in deinen Händen sein.“
Kael schluckte schwer und strich mit den Fingern über den vertrauten Griff. „Danke, Toren. Das bedeutet mir mehr, als ich sagen kann.“
Der Schmied winkte ab. „Komm einfach mit dem Schwert zurück. Und halte es scharf. Eine stumpfe Klinge nützt niemandem etwas.“
Kael nickte, umklammerte die Waffe fester und steckte sie in die Scheide, die nun an seiner Seite hing. „Das werde ich.“
Kael ging mit bedächtigen Schritten von der Schmiede zum Haus des Ältesten, seine Gedanken schwer von der bevorstehenden Reise. Die Holztür quietschte, bevor er klopfen konnte, und der Älteste Valin begrüßte ihn mit einem schwachen, wissenden Lächeln, das die Falten seines verwitterten Gesichts umspielte. Das Haus des Ältesten war erfüllt vom erdigen Duft von Kräutern und dem subtilen Moschusgeruch von altem Pergament, eine beruhigende Mischung, die die Last unzähliger Jahre der Weisheit in sich trug.
An den Wänden standen Regale, vollgestopft mit Büchern, deren Einbände vom Alter zerbrochen waren, und mit Kleinigkeiten, die Geschichten aus fernen Zeiten erzählten. Es war ein Ort, der von Erinnerungen erfüllt schien.
„Komm rein, komm rein“, sagte Valin herzlich und winkte Kael herein. „Ich habe dich schon erwartet.“
Kael trat in den schwach beleuchteten Raum, wo das sanfte Licht einer Öllampe die Gesichtszüge des Ältesten in goldenes Licht tauchte. Valins scharfe Augen, die das Alter nicht getrübt hatte, musterten ihn mit einer Mischung aus Stolz und Trauer.
„Setz dich“, sagte Valin und deutete auf einen robusten Holzstuhl neben einem kleinen Tisch, der mit Schriftrollen und Federkielen übersät war. „Du hast eine lange Reise vor dir, und es gibt Dinge, die du brauchen wirst.“
Kael ließ sich auf den Stuhl sinken und beobachtete, wie der Älteste zu einer verzierten Truhe am anderen Ende des Raumes schlurfte. Die Scharniere der Truhe ächzten, als Valin sie öffnete, seine Hände bewegten sich vorsichtig und bedächtig. Aus dem Inneren holte er eine gefaltete Karte und einen kleinen Beutel hervor. Er wandte sich wieder Kael zu und hielt die Gegenstände wie Reliquien in seinen Händen.
„Diese Karte“, begann Valin und faltete das Pergament auf, um ein Netz aus Linien und Markierungen zu enthüllen, „ist einfach, aber sie wird dich zu den wichtigsten Städten und Sehenswürdigkeiten führen, die du finden musst. Studiere sie gut.“
Kael beugte sich vor und ließ seinen Blick über die Details der Karte gleiten. Jede Markierung schien vor Bedeutung zu pulsieren, als hätte der Älteste sie mit einem Sinn erfüllt.
„Und das hier“, fuhr Valin fort und hielt den Beutel hoch, „ist von den Dorfbewohnern. Jeder hat etwas von dem wenig, das er entbehren konnte, beigesteuert. Es ist nicht viel, aber es sollte euch auf eurem Weg helfen.“
Kael zögerte und schluckte, als er den Beutel nahm. Das Klirren der Münzen darin fühlte sich schwerer an als Gold – es war Vertrauen, Hoffnung und Opferbereitschaft in einem. „Ältester, ich kann das nicht annehmen …“
„Das kannst du und das wirst du auch“, unterbrach Valin ihn mit fester, aber freundlicher Stimme. Er legte eine Hand auf Kaels Schulter, was ihm Halt gab. „Das ist keine Almosen, Kael. Es ist ein Geschenk von denen, die an dich glauben. Verwende es weise und vergiss nie, woher du kommst.“
Kael nickte, die Stimme stockte ihm in der Kehle. Er steckte die Karte und den Beutel in seine Tasche und blieb stehen, während Valins Hand noch auf seiner Schulter ruhte.
„Der Weg, der vor dir liegt, wird dich auf die Probe stellen“, sagte Valin mit sanfter Stimme. „Nicht nur deine Stärke, sondern auch dein Herz. Denk daran, Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst – es ist das Handeln trotz der Angst.“
Kael sah dem Ältesten in die Augen, und die Bedeutung seiner Worte drückte schwer auf seine Brust. „Danke für alles. Ich werde dich nicht enttäuschen.“
Valin lächelte wieder, schwach, aber warm. „Das weiß ich. Jetzt geh, und möge der Wind dich dorthin tragen, wo du sein musst.“
Kael nickte, seine Kehle war zu eng, um etwas zu sagen. Er steckte die Karte und den Beutel in seine Tasche und stand auf. „Danke für alles.“
Valin legte ihm die Hand auf die Schulter. „Pass auf dich auf. Und denk daran, der Weg, der vor dir liegt, wird nicht nur deine Kraft auf die Probe stellen. Er wird auch dein Herz auf die Probe stellen.“
Kael verließ das Haus des Ältesten und spürte, wie die Last der Verantwortung schwerer auf seiner Brust lastete. Sein nächstes Ziel war Garricks Hütte.
Das Haus des Jägers stand am Waldrand, ein kleines, robustes Gebäude, umgeben von hohen Kiefern. Der schwache Geruch von Leder und gepökeltem Fleisch wehte aus dem offenen Fenster und vermischte sich mit dem scharfen Duft der Kiefernnadeln, die den Boden bedeckten. Als Kael näher kam, verriet das Knarren der Holztür Garricks Anwesenheit. Der Jäger trat heraus, seine rauen Gesichtszüge von den schrägen Sonnenstrahlen beleuchtet, die durch die Bäume fielen.
Garrick grüßte ihn mit einem kurzen Nicken, wobei sein sonst so schroffe Art gerade so weit nachgab, dass man einen Hauch von unausgesprochener Besorgnis erkennen konnte. „Komm rein“, sagte er mit rauer Stimme, die jedoch von einer ungewohnten Wärme geprägt war. Er winkte Kael herein und führte ihn zu einem Arbeitstisch, der mit Werkzeugen, Lederresten und halbfertigen Projekten übersät war.
In der Mitte des Tisches lagen ein Bogen und ein Jagdmesser, deren Handwerkskunst unverkennbar von Garrick stammte.
„Die sind für dich“, begann Garrick und legte seine Hände auf die Tischkante. Er nahm zuerst den Bogen, dessen glattes Holz auf einen satten Glanz poliert war. „Es ist nichts Besonderes, aber es erfüllt seinen Zweck.
Leicht genug zum Tragen, stark genug, um das Abendessen zu erlegen oder dich zu verteidigen, wenn es darauf ankommt.“
Kael streckte die Hand aus, hob den Bogen und fuhr mit den Fingern über das polierte Holz. Er fühlte sich robust und dennoch ausgewogen an, sein Gewicht lag beruhigend in seinen Händen. Daneben lag das Messer – glatt und scharf – und fing das Licht ein, als Garrick es Kael in die Hand legte. Der Griff war mit geschmeidigem Leder umwickelt, die Klinge war rasiermesserscharf geschliffen.
„Das Messer ist für Nahkampf“, sagte Garrick in belehrendem Ton, während er die richtige Griffhaltung demonstrierte. „Halte es scharf und nah bei dir. Du weißt nie, wann du es brauchen wirst.“
Dann nahm Garrick einen Pfeil aus einem Köcher in der Nähe und legte ihn mit einer flüssigen Bewegung auf die Sehne des Bogens. „Der Bogen ist ganz einfach. Pfeil auflegen, spannen, loslassen. Aber schieß nicht einfach drauf los. Übe lieber. Ein schlechter Schuss ist schlimmer als gar kein Schuss.“
Kael machte es ihm nach und zog die Sehne langsam zurück. Die Sehne knarrte unter der Spannung, und Garrick nickte zufrieden. „Nicht schlecht“, sagte er. „Du wirst besser werden. Sei einfach geduldig – wenn du dich zu sehr beeilst, geht das nie gut.“
Die nächste Stunde verbrachten sie damit, die Grundtechniken zu üben. Garricks Anweisungen waren präzise und auf den Punkt gebracht, jede einzelne wurde mit derselben ruhigen Stimme gegeben, mit der er im Wald Wild aufspürte. Kaels Bewegungen waren anfangs noch ungeschickt, aber Garrick korrigierte ihn entschlossen und geduldig, bis seine Haltung allmählich flüssiger wurde.
Als sie fertig waren, reichte Garrick Kael den Pfeilköcher und warf ihn sich über die Schulter, als wolle er ihre gemeinsame Anstrengung besiegeln. „Bleib dran, Junge“, sagte er und klopfte Kael auf den Rücken. Sein Blick verweilte, unnachgiebig, aber voller unausgesprochenem Stolz. „Und denk daran – du bist nicht allein da draußen. Wir sind bei dir, auch wenn du uns nicht sehen kannst.“
Kael schnürte sich bei diesen Worten die Kehle zu, als ihm die Tragweite seines Aufbruchs bewusst wurde. Er rang um ein schwaches Lächeln und antwortete mit fester Stimme: „Ich werde es nicht vergessen. Danke, Garrick. Für alles.“
Garrick‘ Blick wurde kurz weicher, bevor er sich mit bedächtigen, sicheren Bewegungen wieder seiner Werkbank zuwandte.
Kael trat nach draußen, wobei ihm das Gewicht des Bogens und des Köchers ständig an das Vertrauen erinnerte, das man ihm entgegenbrachte. Als er einen Blick zurück auf die Hütte warf, die sich an die stille Kraft des Waldes schmiegte, verspürte Kael eine Welle der Entschlossenheit. Er durfte sie nicht im Stich lassen.
Kaels Brust zog sich erneut zusammen, aber er brachte ein schwaches Lächeln zustande. „Ich werde es nicht vergessen.“
Nachdem er seine Sachen gepackt hatte, kehrte Kael ein letztes Mal in sein Zuhause zurück.
Die kleine Hütte wirkte leerer denn je, die Stille drückte auf seine Ohren. Mit geübter Leichtigkeit ging er durch den Raum und packte Kleidung, Lebensmittelrationen und die Steintafel in seine Tasche. Seine Hand verharrte auf einer kleinen Holzschnitzerei, die einen Vogel darstellte und deren Oberfläche durch jahrelanges Anfassen glatt geschliffen war. Es war das Werk seiner Mutter, eine Erinnerung an ihre sanften Hände und ihre beständige Gegenwart.
Kael setzte sich auf die Bettkante und hielt die Schnitzerei in seiner Handfläche.
Erinnerungen kamen zurück – das Lachen seiner Mutter, die strenge, aber liebevolle Führung seines Vaters, das Gefühl der Geborgenheit, das sie ihm immer gegeben hatten. Er schloss die Augen, und die Last ihrer Abwesenheit drückte auf ihn. Doch als der Schmerz ihn zu überwältigen drohte, flammte in ihm ein Funken Entschlossenheit auf. Er konnte die Vergangenheit nicht ändern, aber er konnte für die Zukunft kämpfen – für Lindholm, für die Dorfbewohner und für die Erinnerung an diejenigen, die er geliebt hatte.
Er steckte die Schnitzerei in seine Tasche, stand auf, sein Herz schwerer, aber sein Ziel klarer. Es war Zeit.
Als Kael ankam, herrschte auf dem Dorfplatz reges Treiben. Eine kleine Menschenmenge hatte sich versammelt, ihre Gesichter waren von Stolz und Trauer geprägt. Kinder rannten auf ihn zu und reichten ihm mit ihren kleinen Händen Kleinigkeiten – Blumen, einen einfachen Talisman, eine handgezeichnete Karte des nahe gelegenen Waldes mit der Aufschrift „versteckte Schätze“.
Kael nahm jedes Geschenk mit einem sanften Lächeln an, und sein Herz schwoll bei ihren unschuldigen Gesten an.
Der Älteste Valin trat vor, seine Stimme trotz der Emotionen in seinen Augen fest. „Kael, du trägst mehr als nur unsere Hoffnungen mit dir. Du trägst unseren Glauben. Geh mit Mut, und möge der Weg sich dir entgegenheben.“
Garrick trat als Nächster vor, schüttelte ihm fest die Hand und sah ihn entschlossen an. „Bleib am Leben, Junge. Und denk daran – du hast ein Zuhause, zu dem du zurückkehren kannst.“ Entdecke Geschichten mit My Virtual Library Empire
Kael nickte und antwortete mit belegter Stimme: „Das werde ich.“
Als er sich umdrehte, um zu gehen, begannen die Dorfbewohner leise zu jubeln, und ihre Stimmen vermischten sich mit der Morgenbrise. Kael blieb am Rand des Platzes stehen und drehte sich um, um einen letzten Blick auf die Menschen und den Ort zu werfen, den er hinter sich ließ. Die Erinnerung an ihre Gesichter – ihr Vertrauen und ihre Hoffnung – prägte sich in sein Herz ein. Mit einem letzten Blick drehte er sich um und ging die Straße entlang, seine Schritte schwer, aber entschlossen.
„Ich werde euch nicht enttäuschen, Leute.“