Der große Saal des Palastes ragte vor mir auf, seine hohen Bögen und aufwendigen Schnitzereien waren in das bernsteinfarbene Licht der Abenddämmerung getaucht. Die Luft war schwer, wie es nur Orte von großer Macht sein können – eine stille Erinnerung an die Kraft, die innerhalb dieser Mauern konzentriert war. Die Wachen, die den Eingang flankierten, standen stramm, den Blick nach vorne gerichtet, doch als ich näher kam, bemerkte ich ein leichtes Flackern der Erkenntnis in ihren Augen.
Selbst hier, unter dieser disziplinierten Elite, hatten sich die Gerüchte über meine Taten zweifellos verbreitet.
Die Doppeltüren öffneten sich ganz langsam und gaben den Blick auf den riesigen Thronsaal frei. Meine Stiefel hallten auf dem polierten Boden wider, als ich vorwärtsging, und das Geräusch bildete einen rhythmischen Kontrapunkt zu dem Gemurmel, das durch die versammelte Hofgesellschaft ging. Alle Augen richteten sich auf mich, ihre Blicke reichten von Neugier bis Misstrauen. Am anderen Ende des Saals saß Aurelia auf ihrem Thron, ihr feuerrotes Haar fiel ihr wie eine lebende Flamme über die Schultern.
„So, du bist endlich gekommen“, sagte sie, und ihre Stimme durchschnitten die Stille mit der Schärfe einer Klinge. In ihrem Ton lag ein Hauch von Spott, aber darunter verbarg sich etwas schwerer zu fassendes – Neugier vielleicht. „Wie immer schnell auf den Beinen.“
Ich neigte den Kopf und ließ ein leichtes Grinsen um meine Lippen spielen. „Es ist meine Pflicht, vor meiner Lehnsherrin zu erscheinen, wann immer sie meine Anwesenheit verlangt.“
Aurelias Augen verengten sich leicht, als würde sie meine Worte nach einer versteckten Bedeutung absuchen. Die Stille, die folgte, war greifbar und dauerte lange genug, dass ich sie genau beobachten konnte. Selbst im Sitzen strahlte sie eine unbestreitbare Präsenz aus, ihre Haltung war königlich und doch entspannt, als wäre das Gewicht der Krone nur ein Accessoire. Ihr Kleid, eine opulente Mischung aus Purpur und Gold, schmiegt sich mit zurückhaltender Eleganz an ihren Körper und unterstreicht die feurige Intensität ihrer Ausstrahlung.
Was mich am meisten beeindruckte, war ihr Gesichtsausdruck. Ihre Wangen waren leicht gerötet, eine subtile Verletzlichkeit, die ihr sonst so selbstbewusstes Auftreten Lügen strafte. Es war eine Verletzlichkeit, die ich schon einmal gesehen hatte, in der Quest-Welt. Ihre Augen, hell und scharf, enthielten eine unausgesprochene Frage, die zwischen uns schwebte, schwer und ungelöst.
Sie hatte unvorstellbare Prüfungen überstanden, die grausamen Machenschaften dieser Welt ertragen – und war stärker und entschlossener daraus hervorgegangen. Doch die Narben dieser Tortur waren noch immer sichtbar, wie bei uns allen.
„Ihr seht so wild aus wie eh und je, Eure Majestät“, sagte ich und ließ meine Stimme gerade so viel Ehrerbietung mitschwingen, dass sie meine Beobachtung verschleierte. „Die Prüfungen, die Ihr durchgemacht habt, scheinen Eure Ausstrahlung nur noch zu verstärken.“
Aurelia blinzelte, ein Anflug von Überraschung huschte über ihr Gesicht, bevor sie lächelte. „Schmeichelei, Draven? Von dir? Das hätte ich nicht erwartet.“
Ich zuckte leicht mit den Schultern. „Nur eine Beobachtung. Man kann das Offensichtliche nicht leugnen.“
Sie beugte sich leicht vor, stützte ihr Kinn auf ihre Hand und sah mir fest in die Augen. „Du warst schon immer schwer zu durchschauen. Aber diesmal glaube ich, habe ich dich durchschaut.“
Ich hob eine Augenbraue, sagte aber nichts und ließ sie weiterreden. Ihre Stille dehnte sich aus, ihre Augen suchten in meinen nach Antworten. Schließlich sprach sie mit leiserer Stimme, die von einer ungewöhnlichen Rohheit geprägt war.
„Also ist es wahr. Du warst es, nicht wahr? Du warst da, in meinem Traum – in der Welt der Quest. Du hast mich gerettet. Du hast uns gerettet.“
Ihre Worte hingen in der Luft, aufgeladen mit einer Schwere, die den Raum stillstehen zu lassen schien. Der Hofstaat um uns herum verschwand in den Hintergrund, ihr Flüstern verstummte durch das unausgesprochene Band, das uns verband. Ich musterte sie aufmerksam, mein scharfer Blick nahm jede Nuance ihrer Haltung wahr.
Ihre Schultern waren leicht angespannt, was auf eine Last hindeutete, die sie trug, selbst wenn sie Stärke ausstrahlte. Ihre Hände umklammerten die Armlehnen ihres Throns – nicht fest, aber mit gerade genug Kraft, um ihre Nervosität zu verraten, die sie zu verbergen suchte.
Es war selten, sie so zu sehen, ihre sonst so souveräne Ausstrahlung gemildert durch einen ungewöhnlichen Anflug von Unsicherheit. Ihr durchdringender Blick, der sonst so unnachgiebig war, zeigte jetzt eine Spur von Verletzlichkeit, als würde sie nach etwas suchen – nach Halt, nach Bestätigung. Mir wurde klar, wie sehr die Strapazen der Quest-Welt sie geprägt hatten, die unauslöschlichen Narben, die nicht auf ihrer Haut zu sehen waren, sondern in diesen flüchtigen, verräterischen Anzeichen.
Ich sah ihr in die Augen und ließ einen Moment verstreichen, bevor ich sprach. „Ja, ich bin es, Eure Majestät. Allerdings sollte ich erwähnen, dass ich nicht die Einzige war, die Euch gerettet hat.“
Das war bewusst und gut überlegt. Es gab keinen Grund, Lyan oder Anastasia zu erwähnen – noch nicht. Sie sollte ihre eigenen Schlüsse ziehen.
Aurelias Lippen öffneten sich leicht, ihr Atem stockte, als die Bedeutung meiner Worte zu ihr durchdrang.
Für einen Moment verlor sie völlig ihre Maske und zeigte sich so unverfälscht und verletzlich, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Erleichterung überflutete ihr Gesicht, eine Welle, die die Härte in ihren Augen wegspülte und durch etwas unendlich Weicheres ersetzte. Dann, wie ein Sonnenaufgang über einem sturmgepeitschten Horizont, erhellte ein ungezügeltes Lächeln ihr Gesicht. Es war strahlend, ungeschützt und absolut entwaffnend – ein Leuchtfeuer der Hoffnung, wo zuvor nur Stahl gewesen war.
Die Leute um uns herum schienen gemeinsam den Atem anzuhalten, das Raunen und Murmeln, das noch vor einem Moment den Raum erfüllt hatte, verstummte zu einer fassungslosen Stille. Ich konnte die Last ihrer Blicke spüren, nicht auf mich, sondern auf sie, als wären auch sie Zeugen von etwas Außergewöhnlichem. Ihre Lippen bewegten sich und flüsterten Worte, die zu leise waren, als dass die anderen sie hören konnten, aber für mich waren sie kristallklar: „Ich bin nicht allein.“
Es war eine Offenbarung, nicht nur für sie, sondern auch für mich. In ihrem ungeschützten Lächeln sah ich die Erleichterung einer Frau, die eine Last von schrecklichem Schmerz getragen hatte und nun erkannte, dass sie diese nicht alleine tragen musste. Und es traf mich wie ein scharfer, unerwarteter Stich – trotz all ihrer Stärke und ihrer feurigen Brillanz hatte Aurelia immer einen Weg gegangen, den nur wenige gehen konnten. Dies war ein Moment gemeinsamer Menschlichkeit, zerbrechlich und doch tiefgreifend.
Der Anblick von ihr – der wilden, unnahbaren Königin von Regaria –, die sich so unverfälscht und ungefiltert freute, war überraschend und beunruhigend zugleich. Es war, als hätte sich die Welt leicht geneigt und eine Seite von ihr offenbart, die ich nie erwartet hätte.
Bei all ihrer Stärke, bei all ihrem Genie verbarg sich eine Zerbrechlichkeit, die ich bis jetzt nicht richtig erkannt hatte. Sie hatte Dinge ertragen, die die meisten nicht ertragen konnten, und das hatte Spuren bei ihr hinterlassen, genauso wie bei mir.
Der Moment zog sich hin, ihr Lächeln hielt lange genug an, um ein Raunen am Hofe hervorzurufen. Einige waren leise und voller Ehrfurcht, andere scharf und verwirrt. Dann, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, richtete sich Aurelia abrupt auf.
Das strahlende Lächeln verschwand und machte einem abweisenden, scharfen Schnauben Platz, obwohl ihre Wangen noch leicht gerötet waren. Es war, als hätte sie sich daran erinnert, wo sie war und wer sie sein musste.
„Nun“, sagte sie, und ihr Tonfall wurde augenblicklich schroff. „Ich denke, ich kann dir verzeihen, dass du mich zuvor belogen hast. Aber lass das nicht noch einmal vorkommen, du Mistkerl.“
Der Stimmungsumschwung war so plötzlich, dass ich fast lächeln musste. Fast. „Verstanden, Eure Majestät.“
Aurelia erhob sich von ihrem Thron, ihr feuriges Haar fing das Licht ein, als sie sich umwandte, um zum Hofstaat zu sprechen. Jede Strähne schien lebendig zu sein und die Intensität ihres Geistes widerzuspiegeln. „Draven, du wirst mich zu einem privaten Mahl begleiten“, erklärte sie, und ihre Stimme klang sowohl befehlend als auch wie eine unausgesprochene Herausforderung.
Ein Raunen ging durch die versammelten Adligen, das sich mit zunehmender Intensität ausbreitete. Die Luft war erfüllt von Flüstern voller Schock und Ungläubigkeit, ihre Verwunderung war spürbar. Dass die Königin eine so intime Geste machte – jemanden, selbst jemanden von meinem Rang, mit informeller Gastfreundschaft zu behandeln – war beispiellos. Doch Aurelia ließ sich davon nicht beirren, ihre königliche Präsenz brachte jeden zum Schweigen, der es wagte, sie offen in Frage zu stellen.
Ihr scharfer Blick schweifte durch den Raum und nagelte die Unzufriedenen an ihren Platz. Es folgte eine subtile, aber unverkennbare Spannung, als könnte ihr feuriger Blick ihre Gedanken verbrennen. „Dies ist ein wichtiges Gespräch mit meinem Mentor“, erklärte sie mit ruhiger Autorität, die keinen Widerspruch duldete. Ihre Worte fielen mit dem Gewicht eines eisernen Dekrets. „Ich werde kein Lauschen oder Einwände dulden.“
Es wurde wieder still im Raum, und die Kraft ihrer Worte erstickte jeden Protest, bevor er überhaupt aufkommen konnte. Die Adligen scharrten unruhig mit den Füßen, warfen sich verstohlene Blicke zu, leisteten aber keinen Widerstand. Allein Aurelias Anwesenheit reichte aus, um selbst die mutigsten Zungen zum Schweigen zu bringen.
Sie drehte sich mit geübter Anmut auf dem Absatz um, ihr purpurrotes und goldenes Kleid wirbelte um sie herum, als sie zum privaten Speisesaal schritt. Ihre Schritte waren bedächtig, jeder einzelne ein Ausdruck ihrer unerschütterlichen Entschlossenheit. Ich folgte ihr in gemessenem Tempo, während meine Gedanken bereits die Auswirkungen ihrer Bitte durchgingen und das Echo der fassungslosen Stille des Hofes wie ein Schatten hinter uns her zog.
Der Raum wurde wieder still, das Gewicht ihrer Autorität erstickte jeden Protest, bevor er entstehen konnte. Sie drehte sich auf dem Absatz um, ihr Kleid wirbelte um sie herum, als sie zum privaten Speisesaal ging. Ich folgte ihr mit gemessenen Schritten, während mein Verstand bereits die Auswirkungen ihrer Bitte durchging.
Der private Speisesaal stand in krassem Gegensatz zur Opulenz des Thronsaals. Er war kleiner, intimer, aber nicht weniger elegant. Auf dem Tisch waren noch Reste einer früheren Mahlzeit zu sehen – ein Festmahl, das einem Königspaar würdig gewesen wäre, auch wenn es größtenteils bereits verzehrt schien. Die gemurmelte Bemerkung einer Magd, die den Tisch abräumte, erregte meine Aufmerksamkeit: „Ihre Majestät hat bereits gegessen.“
Ich warf einen Blick auf Aurelia, die sich von dieser Bemerkung nicht beirren ließ. Das bestätigte meine Vermutung: Sie war erst vor kurzem in diese Welt zurückgekehrt. Die Quest-Welt hatte die Eigenschaft, das Zeitgefühl zu stören, und ihr ungewöhnlich großer Appetit war wahrscheinlich eine Nebenwirkung dieser Tortur.
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Sie nahm ihren Platz am Kopfende des Tisches ein und bedeutete mir, mich ihr gegenüber zu setzen. Ihre Bewegungen waren fließend und strahlten eine Selbstsicherheit aus, die sowohl von Autorität als auch von Vertrautheit zeugte. „Du hast die Frechheit besessen, mich zu täuschen und zu behaupten, du seist Dravis“, begann sie in einem leichten, fast spielerischen Ton, der jedoch einen unverkennbaren Unterton der Anschuldigung hatte. Ihr Blick suchte meinen und wartete auf eine Reaktion. „Aber ich werde dir vergeben – dieses Mal.“
Ich neigte leicht den Kopf, eine Geste der Anerkennung, die ich mit gerade genug Gelassenheit abmischte, um das Machtverhältnis aufrechtzuerhalten. „Ich bin dir dankbar für deine Großzügigkeit, Eure Majestät“, antwortete ich, wobei meine Worte von einem Hauch von Ironie unterlegt waren.
Ihr Grinsen wurde breiter, ihr feuriges Haar fing das sanfte Kerzenlicht des Speisesaals ein. „Fordere dein Glück nicht heraus, Bastard. Meine Geduld hat Grenzen.“
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, und ein verspieltes Funkeln blitzte in ihren Augen auf, als sich das Gewicht unausgesprochener Fragen in ihrem Kopf zu verdichten schien. Die Pause dauerte gerade lange genug, um mich in ihren Bann zu ziehen und mich neugierig zu machen, wie es weitergehen würde.
„Aber vielleicht“, sagte sie schließlich in einem Tonfall, der von geübter Neutralität geprägt war, „könntest du mich über den Magierrat aufklären.“
Die Worte klangen täuschend beiläufig, aber ihre Augen wurden scharf, als sie sich nach vorne beugte und ihr Kinn auf ihre verschränkten Finger stützte. „Warum haben sie dich eingesperrt?“
Ihre plötzliche Verhaltensänderung war ebenso kalkuliert wie entwaffnend. Ich erkannte die Taktik sofort – den Gegner in eine falsche Sicherheit wiegen, bevor man präzise zuschlägt. Aber dies war kein Kampf, sondern eine Diskussion, die von derselben sorgfältigen Strategie geprägt war.
Die Frage hing zwischen uns, voller Bedeutung. Ich sah ihr in die Augen und überlegte mir schon, wie ich dieses heikle Thema am besten ansprechen könnte. Das Essen war vergessen, das Geflüster am Hof eine ferne Erinnerung. In diesem Moment waren nur wir beide da, und die Last der Welt lastete auf unseren Schultern.
Ich holte tief Luft, bereit zu antworten – und die Welt schien mit mir den Atem anzuhalten.