Die Kälte, die Sophie von Icevern ausstrahlte, war spürbar, eine eisige Welle, die durch den prächtigen Raum fegte. Ihre Frostmagie drang in jeden Winkel, schlang sich um die filigranen Möbel, überzog die unberührten Weinkelche mit Raureif und biss an den Kanten des polierten Bodens. Der Raum, der eher mit allem Komfort für einen angesehenen Gast als für einen Gefangenen ausgestattet war, schien unter der Last ihrer Präsenz zu schrumpfen.
Draven Arcanum von Drakhan, der lässig auf einem weichen Sessel saß, schien von der Kälte völlig unbeeindruckt zu sein. Seine Stifte schwebten träge in der Luft und zeichneten unsichtbare Muster in die Stille, deren schwaches Leuchten die einzige Bewegung im Raum war.
Sophie trat näher, ihre Stiefel klackerten laut auf dem frostigen Boden. Ihre eisblauen Augen brannten vor Wut, als sie ihn anstarrte.
„Ist das dein neues Spiel, Draven?“ Ihre Stimme durchdrang die Stille wie eine Eisscherbe.
„Ist Sharons Tod Teil deines großen Plans?“
Draven antwortete nicht sofort. Er ließ ihre Worte in der Luft hängen und hob den Blick, um ihr mit unerschütterlicher Ruhe in die Augen zu sehen. Seine scharfen, durchdringenden Augen musterten ihr Gesicht, ihre zitternden Hände und schließlich ihre Haltung.
„Du bist hierher geeilt.“ Seine Worte waren leise, distanziert und hatten eher den Unterton einer Beobachtung als einer Anschuldigung.
„Du hast dir nicht einmal die Zeit genommen, deine Mana zu stabilisieren.“
Der Kommentar traf Sophie wie ein Schlag und schürte ihre Wut noch mehr. Der Frost knisterte und breitete sich schneller im Raum aus, ihre Magie flammte gefährlich auf. Sie machte einen weiteren Schritt nach vorne und umklammerte den Griff von Frostfang fester, wobei die Klinge an ihrer Seite schwach schimmerte.
„Du hast kein Recht, von Stabilität zu sprechen“, zischte sie mit vor Wut zitternder Stimme.
„Du hast das alles inszeniert! Du hast sie getötet! Du und deine verdammten Intrigen!“
Dravens Stifte drehten sich schneller und zeichneten Bögen in die Luft. Er blieb still, sein Gesichtsausdruck verriet nichts. Die ausbleibende Reaktion trieb Sophie nur noch weiter an. Ihre Frostmagie verstärkte sich und ließ sogar die robusten Zauberbeschwörungen des Raumes unter dem Druck ächzen. Die Wachen, die vor der Zellengitter standen, wichen zurück, ihre Schutzbarrieren barsten, als die Kälte durchdrang.
Schließlich lehnte sich Draven in seinem Stuhl zurück. Er seufzte leise und hielt seine Stifte in der Bewegung inne. Sein Blick wurde scharf und fixierte Sophie mit einer Präzision, die sie für einen Moment ins Wanken brachte.
„Ich habe keine Zeit für haltlose Anschuldigungen“, sagte er ruhig.
„Wenn du schon mit Schuldzuweisungen um dich wirfst, dann überprüfe wenigstens zuerst deine Beweise.“
Die Schroffheit seiner Worte war wie ein Schock für ihre ohnehin schon gefrorene Wut. Für einen kurzen Moment lockerte Sophie ihren Griff um Frostfang, aber sie fasste schnell wieder Mut und trat näher, bis nur noch die magischen Gitterstäbe der Zelle sie trennten.
„Wage es nicht, mir etwas über Beweise zu erzählen“, fauchte sie.
„Du denkst immer, du stehst über den Konsequenzen, oder? Dass du alle um dich herum wie Figuren auf deinem Schachbrett manipulieren kannst.“
Draven neigte leicht den Kopf, und ein Hauch von Belustigung huschte über sein sonst so stoisches Gesicht.
„Glaubst du wirklich, ich würde meine Energie für so etwas Belangloses verschwenden?“, fragte er.
„Oder ist es einfacher, mich anzuschnauzen, weil deine Trauer dein Urteilsvermögen trübt?“
Die Worte trafen ins Schwarze. Sophies Magie flammte heftig auf, und ein Eiszapfen schoss in der Nähe der Zellengitter hervor. Ihre Klinge erschien in ihrer Hand, deren eisige Oberfläche eine gefährliche Energie ausstrahlte. Die Wachen draußen wichen weiter zurück, ihre Angst war spürbar.
„Du hast mir alles genommen, Draven“, sagte Sophie mit erhobener Stimme.
„Sharon war alles, was ich noch hatte! Es ist Zeit, dass du für deine Taten bezahlst!“
Draven rührte sich nicht. Er formte keine Stifte zu einem Schutzschild oder zum Gegenangriff. Er saß einfach da, unerschrocken, während der Frost an den Rändern seines Kragens und seiner Ärmel zu kriechen begann.
Die eisigen Ranken leckten an seinem Hals und hinterließen schwache Frostspuren auf seiner Haut. Die Kälte wurde intensiver, vereiste die Armlehnen des Stuhls und breitete sich in dünnen Kristallnetzen über den polierten Boden aus. Trotz der eindringenden Kälte blieb Draven regungslos wie ein Stein, seine Brust hob und senkte sich in gleichmäßigen Atemzügen.
Sophies Atem ging schneller, ihre Wut heizte den Frost an, der nun bei jeder ihrer Bewegungen knisterte und zischte. Ihre Finger umklammerten Frostfang fest, die eisige Klinge summte im Einklang mit ihrer Magie. Sie machte sich bereit zuzuschlagen, ihr Körper zitterte vor lauter Emotionen, doch dann bemerkte sie etwas, das sie innehalten ließ.
Dravens Hände ruhten leicht auf den Armlehnen seines Stuhls, unbeweglich, fast entspannt. Sein Kopf war leicht geneigt, sein Blick unnachgiebig, aber sie sah nicht mehr nur kalte Berechnung. Da war etwas Tieferes – eine unverkennbare Stille, die von Resignation sprach. Akzeptanz. Er wehrte sich nicht gegen ihren Angriff. Er ließ ihre Magie wirken und ließ zu, dass der Frost ihn umhüllte, ohne sich zu wehren.
„Was machst du da?“, fragte Sophie, ihre Stimme trotz ihrer Wut zitternd. Der Anblick des Frostes, der sich an seinem Hals emporrankte und zarte Kristalle entlang seiner Kinnlinie bildete, hätte ihr Genugtuung verschaffen sollen, aber stattdessen verunsicherte es sie. Die unausgesprochene Herausforderung in seinen Augen nagte an ihrer Entschlossenheit.
Draven antwortete nicht. Der Frost breitete sich weiter aus und haftete an seinen Armen und seinem Kragen wie ein kriechender Leichentuch. Die Stille war ohrenbetäubend, jede Sekunde schien eine Ewigkeit zu dauern. Sophies Griff um Frostfang wurde schwächer, als ihre Magie ungehindert hervorbrach und die Luft mit einer beißenden Kälte erfüllte, die sogar ihren eigenen Atem in der Luft gefrieren ließ. Sie hatte Trotz oder Wut erwartet – alles, nur nicht das.
Sein Schweigen war ohrenbetäubend, und zum ersten Mal schlich sich Zweifel in Sophies Gedanken. Ihr Griff um Frostfang wurde schwächer, während sie ihn dort sitzen sah, als würde er darauf warten, dass sie über sein Schicksal entschied.
Bevor die Spannung zerreißen konnte, hallten eilige Schritte durch den Korridor. Ein Magierbote erschien und hielt ein versiegeltes Schreiben mit dem Wappen des Kontinentalen Magierrats in den Händen. Der Magier zögerte an der Türschwelle, sichtlich nervös wegen der frostigen Atmosphäre. Sophie drehte leicht den Kopf, ihre Wut brodelte noch, aber sie kochte nicht mehr über.
„Das ist für Graf Draven Arcanum von Drakhan“, stammelte der Magier und hielt den Brief hin. Draven machte eine subtile Geste, und einer seiner Stifte schoss hervor und durchschnitt das Siegel mit chirurgischer Präzision. Während er den Brief las, wurden die Bewegungen seiner Stifte unregelmäßig, ihre einst fließenden Muster zerbrachen in unzusammenhängende Striche.
Sein Gesicht blieb unlesbar, aber Sophie bemerkte eine winzige Veränderung in seiner Ausstrahlung – eine Anspannung, die zuvor nicht da gewesen war.
Die magischen Gitterstäbe der Zelle flackerten und lösten sich auf. Draven stand mit derselben bedächtigen Anmut auf, die Sophie seit ihrer Ankunft so wütend gemacht hatte. Er trat auf sie zu und blieb kurz vor der Tür stehen. Er beugte sich leicht vor und flüsterte mit leiser, fast unhörbarer Stimme.
„Wenn du die Wahrheit wissen willst“, sagte er.
„Dann sei stark genug, mich zu töten.“
Die Worte ließen Sophie einen Schauer über den Rücken laufen, aber bevor sie antworten konnte, ging Draven an ihr vorbei, seine Stifte folgten ihm wie stille Wächter. Sie drehte sich abrupt zu dem Boten um, ihre Stimme zitterte.
„Was ist hier los?“
Der Magier zögerte, dann sagte er: „Der Graf soll sofort freigelassen werden. Die Kanzler haben einen offiziellen Erlass von Königin Aurelia von Regaria erhalten. Sie hat bei ihrem Namen geschworen, dass Graf Draven ins Königreich zurückgebracht und nicht vom Rat verurteilt werden soll. Der Brief … lässt stark vermuten, dass Regaria nicht zögern wird, ihn notfalls mit Gewalt zurückzuholen.“
Sophies Hand umklammerte Frostfang fester, ihre Frostmagie schoss kurz hoch, bevor sie wieder nachließ.
„Er hat also sogar die Königin in seiner Gewalt“, murmelte sie mit bitterer Stimme, die vor Unglauben bebte.
Außerhalb des Gefängnisses ging Draven mit gleichmäßigen Schritten voran, sein Gesichtsausdruck war eine Maske aus kalter Distanziertheit.
Die Wachen flankierten ihn auf beiden Seiten, ihre Schritte vorsichtig, als würden sie nicht einen Gefangenen, sondern ein vorübergehend eingesperrtes Raubtier eskortieren. Die kühle Bergluft, die ihm entgegenwehte, war frisch und trug den schwachen Geruch von Pergament und Mana mit sich, der Arcadia durchdrang. Die Straßen jenseits der Gefängnismauern waren ruhig, das übliche Treiben der Gelehrten war verstummt, als hätte die ganze Stadt die Schwere seiner Freilassung gespürt.
Am Eingang zum Großen Bibliothekszentrum wartete Kanzlerin Lisanor, ihr feuerrotes Haar schimmerte schwach im Schein der verzauberten Laternen. Das Licht fiel auf die Ränder ihrer Robe und verlieh ihr ein fast ätherisches Aussehen, das die Anspannung in ihrer Haltung Lügen strafte. Sie hielt den Brief in den Händen, ihre Finger verrieten ein leichtes Zittern, als sie das Pergament umklammerten.
Ihr Gesichtsausdruck war sorgfältig neutral, aber ihre Augen brannten vor einer Mischung aus Neugier und vorsichtiger Wachsamkeit.
Draven näherte sich ohne Eile, seine Federn umkreisten ihn mit einer Präzision, die seine berechneten Schritte widerspiegelte. Er blieb ein paar Schritte vor ihr stehen, sein Blick fest und unlesbar. Die Stille zwischen ihnen war schwer von unausgesprochenen Fragen.
„Draven Arcanum von Drakhan“, begann Lisanor in förmlichem Ton, obwohl ihre Stimme eine Schärfe verriet, die auf unterdrückte Emotionen hindeutete. Sie hob den Brief leicht an, als ob allein seine Anwesenheit das Gewicht ihrer Autorität trug. „Auf Befehl von Königin Aurelia Thalassia Arctaris Regaria musst du unverzüglich nach Regaria zurückkehren.
Die Worte der Königin waren eindeutig: ‚Die Anwesenheit des Grafen ist für das Königreich unerlässlich, und seine Abwesenheit wäre … inakzeptabel.'“ Ihre Stimme verharrte auf dem letzten Wort, als würde sie dessen Bedeutung auskosten.
Dravens Federn hielten für den Bruchteil einer Sekunde inne, eine kaum wahrnehmbare Unterbrechung ihrer Bewegung, bevor sie ihre Bahn wieder aufnahmen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber die leichte Veränderung in der Atmosphäre um ihn herum reichte aus, dass die Wachen instinktiv zurücktraten.
Lisanor kniff die Augen zusammen und musterte ihn. Sie trat einen Schritt vor und verringerte den Abstand zwischen ihnen. „Ich frage dich ganz offen, Draven. Auf welcher Seite stehst du wirklich?“
Für einen Moment schien die Welt den Atem anzuhalten. Dravens Federn erstarrten in der Luft, ihr Leuchten wurde etwas schwächer, als würden sie etwas erwarten. Die Luft um ihn herum wurde schwerer, ein subtiler Druck lastete auf den Sinnen wie die Ruhe vor einem Sturm. Lisanor spannte sich an, ihre Finger zuckten, als sie begann, ihre Mana zu kanalisieren, bereit, auf jede plötzliche Bewegung zu reagieren.
Genieße exklusive Abenteuer aus My Virtual Library Empire
Als Draven antwortete, war seine Stimme ruhig und unnachgiebig. „Ich bin auf der Seite der Welt“, sagte er mit leiser Stimme, die jedoch unverkennbar Gewicht hatte. Jedes Wort war wohlüberlegt und von einer Überzeugung geprägt, die den Raum zwischen ihnen erfüllte. „Regaria. Die Menschheit. Ihnen gilt meine Loyalität.“
Die Gewissheit in seinem Tonfall war wie ein Messer, das die Spannung durchschnitten und keinen Raum für Zweifel ließ. Seine Worte waren keine Erklärung, keine Entschuldigung, sondern eine Erklärung. Sie hingen schwer und unanfechtbar in der Luft, eine Wahrheit, die nicht widerlegt werden konnte.
Lisanor hielt seinen Blick einen langen Moment lang fest, ihre eigene Entschlossenheit schwankte, während sie sein Gesicht nach Anzeichen von Täuschung absuchte. Als sie keine fand, atmete sie langsam aus, und die Anspannung in ihren Schultern ließ nach. Sie trat beiseite, ihre Stimme war jetzt leiser. „Dann lass die Welt diese Loyalität nicht bereuen.“
Draven neigte leicht den Kopf, eine Geste, die weder demütig noch arrogant war. Als er an ihr vorbeiging, nahmen seine Stifte wieder ihre Bahn auf, ihre Bewegungen flüssig und präzise. Die Luft um ihn herum schien sich zu beruhigen, die bedrückende Last hob sich, als er vorwärts schritt. Doch gerade als er ganz an ihr vorbeigehen wollte, blieb er stehen und wandte seinen scharfen, berechnenden Blick wieder Lisanor zu.
„Lisanor“, begann er, und seine Stimme durchschnitten die Spannung wie eine scharfe Klinge. „Der Dunkle Lord kehrt zurück. Die Tragödie von vor tausend Jahren wird sich wiederholen.“
Lisanor erstarrte, ihr Gesichtsausdruck zeigte Ungläubigkeit. „Unmöglich!“, rief sie, ihre Stimme klang schockiert und ablehnend. Aber als ihr Blick den von Draven traf, sah sie etwas, das ihr den Atem stocken ließ. Sein Blick war unnachgiebig und strahlte eine Gewissheit aus, wie sie nur jemand haben kann, der die Fäden des Schicksals mit eigenen Augen gesehen hat. Das waren nicht die Augen eines Lügners oder eines Verrückten.
Und dann war da noch sein Ruf – der Mann, der gerade vier bahnbrechende Abhandlungen verfasst hatte, die auf dem Symposium mit einer Präzision präsentiert werden sollten, die die Grundfesten der magischen Gesellschaft erschüttert hatte. Eine Figur, die lange Zeit aus dem Reich der Magie verschwunden war und nun mit einer Kraft zurückgekehrt war, die keinen Raum für Zweifel ließ.
Lisanors Hände zitterten leicht, der Brief zerknitterte zwischen ihren Fingern. Ihre feurige Entschlossenheit verblasste unter dem Gewicht seiner Erklärung und ließ sie wie angewurzelt stehen, ihre Worte von der Schwere seiner Behauptung geraubt. Draven wandte sich wieder ab, seine Stifte glitten in engen, bedächtigen Mustern über das Papier, während er vorwärtsging. Das leichte Zittern in der Luft legte sich und ließ sie allein zurück mit seinen unheilvollen Worten und der unbestreitbaren Wahrheit, die sie enthielten.
Die Welt draußen wartete, ihre Komplexität und Konflikte wirbelten wie die Strömungen eines riesigen Ozeans. Aber Dravens Gedanken waren bereits voraus, er setzte die nächsten Schritte in diesem sich ständig verändernden Spiel zusammen, seine scharfen Augen sahen Züge, die noch gemacht werden mussten.