Draven stand vor Amberine, sein großer Schatten fiel über den Raum, sein Gesichtsausdruck war wie immer unlesbar. Seine dunklen Augen bohrten sich in sie, ohne zu wanken, als würde er darauf warten, dass sie ihre Existenz rechtfertigte. Er blieb einen langen Moment lang still, bevor er schließlich mit kalter, fordernder Stimme sprach, die die Spannung wie ein Messer durchschnitten.
„Warum bist du hier?“
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Amberine schluckte und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, während ihr Puls unter seinem intensiven Blick rasend schnell schlug. Sie öffnete den Mund, um zu antworten, aber es kam kein Ton heraus.
Die Ereignisse der letzten Stunden hatten sie erschöpft – die Gespenster, die ständige Verfolgung, die Panik, sich an einem Ort zu verirren, der von bösartiger Magie erfüllt schien – all das lastete schwer auf ihr. Ihr Mund fühlte sich trocken an, ihre Stimme versagte, und sie konnte nur dastehen und zu Draven aufblicken, als hoffe sie, er würde sie ohne Erklärung verstehen.
Draven beobachtete ihren Kampf, sein Gesichtsausdruck unverändert. Seine Augen verengten sich leicht, seine Ungeduld war offensichtlich, aber er bot ihr keine Hilfe an, keinen Hinweis auf Nachsicht. Er wollte eine Antwort, und er würde sich mit nichts weniger zufrieden geben. Amberine spürte, wie ihr Gesicht vor Scham errötete, ihre Lippen zitterten, als sie erneut versuchte zu sprechen, aber alles, was herauskam, war ein leises Flüstern.
Ihr Verstand fühlte sich an, als wäre er unter Wasser, ihre Gedanken waren durcheinander, und sie hatte einfach nicht die Kraft, eine zusammenhängende Erklärung zu formulieren.
Nach einer Ewigkeit, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, stieß Draven endlich einen leisen Seufzer aus. Das Geräusch war kaum zu hören, aber es sprach Bände. Er richtete sich auf, wandte seinen Blick von ihr ab, als wolle er sie völlig ignorieren, und begann zu sprechen, in dem Tonfall eines Lehrers, der einen unaufmerksamen Schüler belehrt.
„Weißt du, wo du bist? Kennst du die Geschichte dieses Ortes, an den du wie eine Närrin geraten bist?“
Amberine blinzelte, überrascht von seinem plötzlichen Verhaltenswechsel. Dravens Stimme war ruhig, seine Worte präzise, aber unter der Oberfläche schwang ein Anflug von Verärgerung mit. Er warf ihr einen Blick zu, dann wandte er seinen Blick ab, als wäre ihr Anblick eine Belästigung, die er ertragen musste.
„Diese Festung, Aetherion, war einst eine prächtige Burg. Ein Relikt eines vergessenen Königreichs, das während eines Ereignisses, das heute als der Große Zusammenbruch bekannt ist, unter dem Meer begraben wurde“, sagte Draven, seine Stimme hallte durch den Raum, jedes Wort klar und deutlich. „Vor Jahrhunderten wurde dieses Königreich von einer magischen Anomalie verschlungen – ein Ereignis, das so katastrophal war, dass es eine Welle in der Struktur der Magie selbst auslöste.
Die Festung war jahrhundertelang verschollen, versteckt unter dem Meer, bis Entdecker, Gelehrte und Leute, die nach Antworten jenseits des Alltäglichen suchten, sie wiederfanden.“ Er hielt inne, sah Amberine an und kniff die Augen zusammen.
„Aetherion ist eine Art Verbindung zwischen den Welten. Es ist ein Ort, an dem die Lebenden, die Toten und sogar Besucher aus anderen Dimensionen verweilen“, fuhr er fort. „Deshalb gibt es in der Festung so strenge Regeln und Richtlinien, die befolgt werden müssen. Wer das nicht versteht und die Kräfte, die hier wirken, nicht respektiert, wird zwischen den Welten gefangen sein und Dingen ausgeliefert sein, die er nicht versteht.“
Amberine spürte, wie sich ihre Kehle zusammenzog und ihr Herz pochte, als sie Draven zuhörte. Sie hatte gewusst, dass Aetherion etwas Besonderes war, aber als sie Draven von seiner Geschichte und seiner Bedeutung erzählen hörte, wurde ihr klar, wie wenig sie über den Ort wusste, an dem sie sich befand. Die Festung war mehr als nur ein Gebäude, sie war ein Sammelpunkt von Kräften, die weit über ihr Verständnis hinausgingen. Sie zitterte und senkte den Blick zu Boden, als die Last dieser Erkenntnis auf sie drückte.
Dravens Stimme durchbrach ihre Gedanken, scharf und fordernd.
„Also, was ist passiert?“
Sein Tonfall war etwas milder geworden, aber nur ganz wenig. Es reichte, dass Amberine aufblickte und seinen Blick für einen kurzen Moment traf, bevor sie schnell wieder wegschaute. Sie holte tief Luft und ballte die Hände zu Fäusten, um sich zu beruhigen. Sie musste ihm antworten – sie musste ihm irgendwas sagen.
„Ich … ich habe einen Fehler gemacht“, sagte sie mit kaum hörbarer Stimme.
Sie holte erneut Luft und zwang sich fortzufahren. „Ich habe die Teleportationsportale benutzt und ich … ich habe einen Fehler gemacht. Ich muss den Zauberspruch falsch ausgesprochen oder das falsche Tor gewählt haben, und dann bin ich an diesem Ort gelandet. Bei den Gespenstern.“ Ihre Stimme stockte, ihr Blick senkte sich auf den Boden, als sie von Scham überflutet wurde. Sie hatte einen so dummen Fehler gemacht, und nun stand sie hier und musste sich Draven’s Urteil stellen.
Draven schwieg und beobachtete sie mit zusammengekniffenen Augen. Er schloss kurz die Augen, seufzte dann tief, und der Seufzer klang fast resigniert, als hätte er solche Inkompetenz erwartet. Er wandte sich von ihr ab, sein Blick wanderte zu dem Buch in seinen Händen, und seine Finger strichen über den abgenutzten Einband.
„Das Teleportationssystem in Aetherion ist präzise“, sagte er mit ruhiger Stimme, während er sich ganz auf das Buch konzentrierte. „Diese Festung ist wie ein Netzwerk aufgebaut – ein komplexes Geflecht aus magischen Pfaden, die einen schnellen Transport zwischen verschiedenen Teilen der Anlage ermöglichen. Es basiert auf exakten Zaubersprüchen, präzisen Formulierungen und einer klaren Vorstellung vom Zielort. Jede Abweichung, selbst der kleinste Fehler, kann unvorhersehbare Folgen haben.“
Er hielt inne, den Blick immer noch auf das Buch gerichtet, sein Gesichtsausdruck gleichgültig.
„Deshalb bist du dort gelandet, wo du gelandet bist. Ein Versprecher, eine falsche Beschwörungsformel, und schon befandest du dich in einer der vielen vergessenen Ecken dieses Ortes“, fuhr Draven fort. „Die Magie hier verzeiht keine Nachlässigkeit. Sie verlangt Respekt, Verständnis und Präzision. Ohne diese Eigenschaften bist du Kräften ausgeliefert, die du nicht kontrollieren kannst.“
Amberine hörte mit großen Augen zu und versuchte verzweifelt, seinen Worten zu folgen. Trotz seiner Kälte und obwohl er sie nicht einmal ansah, verstand sie, was er ihr erklärte. Sie konnte es vor ihrem inneren Auge sehen – das Netz aus Portalen, die Art und Weise, wie die Magie durch die Festung floss und jeden Teil von Aetherion wie Adern in einem lebenden Organismus miteinander verband.
Es war komplex, kompliziert, und doch schien alles Sinn zu ergeben, während Draven sprach.
Sie versuchte zu nicken, um zu zeigen, dass sie alles verstand, aber ihr Körper verriet sie. Die Erschöpfung übermannte sie, ihre Augenlider wurden schwer, ihre Beine fühlten sich wackelig an. Sie schwankte leicht, ihre Sicht verschwamm, als sich der Raum um sie herum zu drehen schien.
Dravens Stimme ging ruhig und gleichmäßig weiter, aber sie konnte sich kaum noch auf seine Worte konzentrieren. Das Adrenalin, das sie aufrecht gehalten hatte, ließ nach, und alles, was sie jetzt noch spürte, war das überwältigende Bedürfnis nach Ruhe.
Dravens Blick huschte zu ihr, seine Augen verengten sich, als er ihr Schwanken bemerkte. Er hielt inne, sein Gesichtsausdruck war unlesbar, während er sie beobachtete, dann sprach er in fast beiläufigem Ton.
„Die Geister der Toten haben wahrscheinlich deine Lebensenergie aufgesaugt“, sagte er, als würde er über das Wetter reden. „Sie nehmen sich, was sie brauchen, um länger in dieser Welt zu bleiben. Deine Erschöpfung ist eine Folge davon.“
Amberine blinzelte, ihre Sicht verschwamm, als sie versuchte, sich auf seine Worte zu konzentrieren.
Sie hatte kaum Zeit, seine Worte zu verarbeiten, als sie spürte, wie eine unsichtbare Kraft sie vom Boden hob. Sie schnappte nach Luft, ihr Körper spannte sich an, als sie in die Luft gehoben wurde, und ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Draven blieb ausdruckslos, sein Blick ruhte weiterhin auf seinem Buch, während er sie mit Hilfe von Telekinese bewegte. Er setzte sie sanft auf das Bett, ihr Körper sank in die weiche Matratze, und ihre Augen fielen vor Erschöpfung zu.
„Du kannst dich jetzt ausruhen“, sagte Draven mit kalter, fast abweisender Stimme. Es war, als wäre sie nichts weiter als eine Unannehmlichkeit, etwas, das erledigt und dann vergessen werden musste. Amberine hörte ihn kaum, ihre Gedanken schweiften bereits ab, ihr Körper gab der Erschöpfung nach, die sie schon so lange überwältigt hatte.
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Als Amberine aufwachte, fühlte sie sich leichter, ihr Körper war nicht mehr von Müdigkeit belastet. Sie blinzelte, während sich ihre Augen an das schwache Licht im Raum gewöhnten. Sie war immer noch in Dravens Quartier, die ungewohnte Umgebung ließ ihr Herz höher schlagen. Sie stützte sich auf ihre Ellbogen und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, bis sie Draven an seinem Schreibtisch entdeckte, der ihr den Rücken zuwandte.
Ifrit saß auf dem Tisch vor ihm, seine nackte Salamandergestalt – klein und ohne Flammen – wirkte seltsam verletzlich. Draven untersuchte ihn, seine Finger streiften Ifrits Bauch, und unter dem Geist leuchtete ein großer magischer Kreis. Amberines Herz setzte einen Schlag aus, und Alarmglocken schrillten in ihr.
„Was machst du da mit Ifrit?“, stammelte sie mit panischer Stimme. Sie sprang auf, die Augen weit aufgerissen, und machte einen Schritt auf sie zu.
Ifrit sah auf, rollte mit den Augen und seufzte genervt. „Beruhige dich, Mädchen“, sagte er mit sarkastischer Stimme. „Er schaut sich nur etwas an, mit dem ich geboren wurde – eine Art Muttermal für einen Geist. Er belästigt mich nicht oder so.“
Amberine errötete und ihr Gesicht wurde heiß, als ihr klar wurde, dass sie vielleicht überreagiert hatte. Draven kniff die Augen zusammen, sein Blick wanderte schließlich zu ihr, und die Kälte in seinen Augen ließ ihren Magen vor Verlegenheit zusammenziehen. Er wirkte völlig unbeeindruckt, seine Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie, als er seine Aufmerksamkeit wieder Ifrit zuwandte.
„Du scheinst sehr tief geschlafen zu haben“, sagte Draven mit tonloser Stimme, die keinerlei Emotionen verriet. Er deutete auf eine Uhr an der Wand, und Amberines Augen weiteten sich, als sie die Uhrzeit sah. Vier Stunden. Sie hatte vier Stunden lang geschlafen. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, sie fuhr sich mit den Händen durch die Haare und versuchte, sich einigermaßen zurechtzumachen.
Sie spürte eine klebrige Stelle an ihrem Mundwinkel und wischte sie schnell weg, wobei ihr Gesicht vor Verlegenheit rot wurde.
Draven schien jedoch völlig unbeeindruckt von ihrem zerzausten Zustand zu sein. Er stellte Ifrit auf den Tisch und drehte sich zu ihr um, sein Blick kalt wie immer. „Hol mir deinen Ausweis und deinen Zimmerschlüssel“, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Amberine nickte schnell, griff in ihre Tasche und holte die Sachen heraus. Mit einer schnellen Bewegung seiner Hand nahm Draven sie ihr mit Hilfe seiner Telekinese weg, sodass sie durch den Raum zu ihm flogen. Er schaute sie kurz an, seine Augen wanderten über den Ausweis, dann schickte er sie zu ihr zurück. Er nahm ein Stück Pergament und begann mit derselben unsichtbaren Kraft, etwas darauf zu zeichnen, wobei die Tinte in präzisen, bedächtigen Strichen floss.
Als die Zeichnung fertig war, zerknüllte sich das Papier, flog durch den Raum und landete im Kamin. Es gab ein plötzliches Zischen, die grünen Flammen wurden blau und wuchsen, bis sie eine Tür bildeten. Draven nickte in Richtung der Tür, seine Stimme kalt und befehlend.
„Geh rein. Das ist dein Zimmer.“
Amberine starrte auf die Tür aus Flammen, ihr Herz pochte in ihrer Brust. Sie stand da, ihre Füße zögerten, sich zu bewegen. Sie wollte etwas sagen, ihm für das danken, was er getan hatte, dafür, dass er ihr geholfen hatte, obwohl er keinen Grund dazu hatte. Sie öffnete den Mund und versuchte, den Mut zum Sprechen zu finden, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken.
Draven runzelte die Stirn, seine Ungeduld war deutlich zu spüren. Er seufzte laut und kniff die Augen zusammen, als er sie ansah. „Geh zurück in dein Zimmer“, sagte er mit kalter, abweisender Stimme. Bevor Amberine reagieren konnte, spürte sie, wie eine unsichtbare Kraft sie gegen die Tür drückte und ihren Körper in Richtung der Flammentür schleuderte. Sie stieß einen erschrockenen Schrei aus und stolperte vorwärts, als sie gegen die Tür geschleudert wurde.
Ifrit stieß einen empörten Schrei aus, sein kleiner Körper hob sich vom Tisch und wurde ihr hinterhergeworfen, sodass er durch die Luft flog. Amberine hatte kaum Zeit, sich abzustützen, bevor sie durch die Tür geschleudert wurde, von blauen Flammen umgeben, und die Welt sich erneut drehte. Sie landete hart auf dem Boden ihres Zimmers, die Luft wurde ihr aus den Lungen gepresst, ihr Körper schmerzte von dem Aufprall.
„Aua …“, stöhnte sie, ihre Stimme voller Schmerz und Ärger. Sie rappelte sich auf und starrte auf die flackernde Türöffnung, während die Flammen kleiner wurden, bis sie vollständig verschwanden. „Musst du so grob sein …?“