Amberines Füße schlugen gegen den kalten Steinboden, ihr Atem ging stoßweise, als sie durch die große Halle von Aetherion sprintete. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, jeder Schlag hallte wie ein Trommelschlag, ihr ganzer Körper wurde von einem einzigen, überwältigenden Gedanken angetrieben – fliehen.
Die Gespenster waren hinter ihr, ihre hohlen Augen leuchteten unnatürlich hell, ihr Flüstern wurde lauter und hallte wie ein Chor der Verdammten in ihrem Kopf wider. Sie wagte es nicht, sich umzudrehen, aber sie konnte ihre Anwesenheit spüren, wie sie auf sie drückten und sie unerbittlich verfolgten. Es war, als würden sie sich von ihrer Angst ernähren und mit jedem Moment des Zögerns näher kommen.
Vor sich sah sie einen weiteren Kamin, dessen seltsame grüne Flammen mit einem überirdischen Licht flackerten. Das war ihre einzige Chance. Ohne anzuhalten, warf sich Amberine darauf zu, presste die Augen zusammen und sprang in die Flammen. Das vertraute, verwirrende Gefühl der Teleportation überkam sie augenblicklich, ihr Körper verdrehte sich, während sich die Welt um sie herum verschob. Sie stolperte aus dem Kamin, ihre Beine gaben fast nach, als sie in einem anderen Flur landete.
Der Flur war anders als der letzte – reich verziert, die Wände mit Porträts längst vergessener Persönlichkeiten, deren Augen sie beobachteten, als würden sie ihre Anwesenheit verurteilen.
Über ihr hingen Kronleuchter, deren Licht flackernde Schatten warf, die sich zu bewegen schienen, als wären sie lebendig. Amberine hatte kaum Zeit, ihre Umgebung zu erfassen, bevor das Flüstern zurückkehrte, lauter, näher. Sie drehte sich um und sah mit vor Schreck geweiteten Augen, wie die Gespenster aus dem Kamin auftauchten, ihre Umrisse flackerten, ihre Augen auf sie gerichtet.
„Oh, Götter“, flüsterte sie, während Panik durch ihre Adern schoss. Sie rannte wieder los, ihre Füße schlugen gegen den Boden, ihr Blick huschte hin und her, auf der Suche nach einem Ausweg. Ihr Verstand war ein Wirrwarr aus Angst und Erschöpfung, ihr Körper schmerzte bei jedem Schritt. Sie sammelte die wenige Magie, die ihr noch blieb, ihre Finger knisterten vor Energie, als sie sich umdrehte und einen Feuerball auf die Gespenster schleuderte.
Das Feuer schoss durch die Luft und erhellte den Flur für einen kurzen Moment, bevor es die Gespenster harmlos durchdrang und sich in Nichts auflöste. Amberines Herz sank, ihre Verzweiflung wuchs. Sie versuchte es erneut, diesmal mit einem Windstoß, um sie zurückzudrängen, aber es war, als wären sie gar nicht da. Die Gespenster bewegten sich ohne zu zögern durch den Wind, ihre hohlen Augen auf sie gerichtet, ihr Flüstern wurde lauter, eindringlicher.
„Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe?“, schrie Amberine mit brüchiger Stimme, während ihre Angst in Frustration umschlug. Die Gespenster reagierten natürlich nicht und kamen immer näher. Amberines Brust zog sich zusammen, ihr Atem stockte. Sie hatte keine Optionen mehr – ihre Magie war nutzlos, ihre Energie schwand. Sie musste einen anderen Weg finden.
Vor sich entdeckte sie einen weiteren Kamin, dessen grüne Flammen einladend flackerten.
Ohne zu zögern, stürzte sie sich in die Flammen, und die Welt um sie herum verschob sich erneut. Sie landete in einem weiteren Flur, der von verzierten Türen gesäumt war, in die komplizierte Symbole eingraviert waren, die sich zu verändern schienen, wenn sie sie ansah. Die Luft war voller Magie, die Energie drückte auf sie und machte ihr das Atmen schwer.
Amberines Augen huschten umher, ihr Blick sprang von einer Tür zur nächsten.
Sie konnte das Flüstern immer lauter werden, die Gespenster verfolgten sie immer noch. Es gab keine Zeit zum Nachdenken, keine Zeit, sich sorgfältig zu entscheiden. Sie rannte auf eine der Türen zu, ihre Hände zitterten, als sie sie aufstieß und ins Innere stolperte. Sie schlug die Tür hinter sich zu, ihre Brust hob und senkte sich heftig, ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen. Sie drückte ihren Rücken gegen die Tür und krallte ihre Finger fest um den Türgriff, als hinge ihr Leben davon ab.
Das Flüstern war direkt vor ihr, die Gespenster kratzten an der Tür, ihre Präsenz drückte auf ihren Verstand und drohte sie zu überwältigen. Amberine schloss die Augen, atmete stoßweise und zitterte am ganzen Körper. Sie konnte sie spüren, wie ihre Energie durch die Ritzen der Tür drang und die Luft kälter und schwerer wurde. Sie wusste nicht, wie lange sie noch durchhalten konnte – wie lange sie sie noch draußen halten konnte.
„Geh weg von der Tür.“
Entdecke neue Welten in My Virtual Library Empire
Die Stimme war kalt, befehlend und durchdrang das Chaos wie ein Messer. Amberine stockte der Atem, ihr Herz setzte einen Schlag aus.
Sie drehte sich um und sah Professor Draven in der Mitte des Raumes stehen, seinen Blick auf sie gerichtet. Seine Präsenz war wie immer beeindruckend, sein Gesichtsausdruck unlesbar, seine Augen kalt und scharf, während er die Szene vor sich musterte.
Amberine spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief, und ihre Angst wurde für einen Moment von einer anderen Art von Unruhe abgelöst. Sie machte einen wackeligen Schritt nach vorne und flüsterte kaum hörbar: „Bitte … helfen Sie mir.“
Draven antwortete nicht sofort. Stattdessen hob er eine Hand und kniff die Augen leicht zusammen. Amberine spürte, wie eine unnatürliche Kraft sie vom Boden hob, ihr Körper schwebte einen Moment lang, bevor sie sanft auf der anderen Seite des Raumes abgesetzt wurde. Sie schnappte nach Luft, ihr Körper zitterte, ihre Augen waren auf Draven gerichtet, der auf die Tür zuging, ohne seinen Blick von den Gespenstern abzuwenden.
Er öffnete die Tür, seine Bewegungen langsam und bedächtig. Die Gespenster erstarrten und starrten ihn mit ihren hohlen Augen an. Das Flüstern verstummte, die bedrückende Energie im Raum ließ etwas nach. Dravens Stimme klang kalt und voller Autorität, die keinen Raum für Widerrede ließ.
„Verschwindet.“
Die Gespenster gehorchten sofort, ihre Gestalten lösten sich in Nichts auf, und der Flur hinter der Tür war wieder leer. Draven schloss die Tür mit einer Handbewegung, das Holz knarrte leicht, als es sich schloss, und das Schloss rastete mit einer Endgültigkeit ein, die Amberines Herz höher schlagen ließ.
Er drehte sich zu ihr um, sein Blick immer noch kalt, sein Gesichtsausdruck unlesbar. Amberine schluckte schwer, ihr Herz pochte in ihrer Brust, ihre Hände zitterten an ihren Seiten. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, wusste nicht, wie sie erklären sollte, was passiert war, warum sie hier war. Draven ging zurück in die Mitte des Raumes und widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Buch, das er vor ihrer Ankunft gelesen hatte.
Die Stille zog sich hin, schwer, unangenehm, das Gewicht seiner Anwesenheit lastete auf ihr. Amberine holte zitternd Luft, ihre Stimme war kaum zu hören. „Danke … Professor.“
Draven sah nicht von seinem Buch auf, seine Stimme klang flach, gleichgültig. „Dank mir nicht. Du hättest gar nicht hier sein sollen.“
Amberine nickte, ihr Gesicht errötete vor Verlegenheit. Sie senkte den Blick und ballte die Hände zu Fäusten. Sie wusste, dass er Recht hatte, aber die Angst und die Verwirrung blieben und machten es ihr schwer, klar zu denken. Sie hatte keine Ahnung, wie sie hier gelandet war, keine Ahnung, warum die Gespenster ihr gefolgt waren, warum ihre Magie gegen sie wirkungslos gewesen war. Es war, als hätte alles, was sie wusste, alles, was sie gelernt hatte, sie im Stich gelassen.
Dravens Anwesenheit erinnerte sie an dieses Versagen, sein kalter Blick war wie ein Spiegel, der ihr ihre eigene Unzulänglichkeit vor Augen führte. Er war alles, was sie nicht war – ruhig, gelassen, beherrscht. Er hatte den Gespenstern ohne zu zögern und ohne Angst gegenübergestanden, sein Befehl hatte ausgereicht, um sie verschwinden zu lassen. Das stand in krassem Gegensatz zu ihrer eigenen Panik, ihrer eigenen Verzweiflung, und sie fühlte sich klein und unbedeutend.
Die Stille zog sich hin, das einzige Geräusch war das leise Rascheln der Seiten, die Draven umblätterte, seine Aufmerksamkeit ganz auf sein Buch gerichtet. Amberine verlagerte ihr Gewicht, ihre Augen huschten durch den Raum, ihre Gedanken rasten. Sie musste etwas sagen, irgendetwas, um die Stille zu brechen, um zu beweisen, dass sie nicht völlig nutzlos war. Aber die Worte kamen nicht, ihre Kehle war wie zugeschnürt, ihr Geist war leer.
Schließlich schloss Draven sein Buch, und das Geräusch hallte durch den Raum wie ein endgültiges Urteil. Er sah auf, sein Blick traf ihren, seine Augen waren so kalt und undurchschaubar wie immer.
„Was machst du hier, Amberine?“
Seine Stimme war ruhig, fast distanziert, aber sie hatte einen scharfen Unterton, der Amberine einen Kloß im Hals verursachte. Sie öffnete den Mund, um zu antworten, aber es kam kein Ton heraus, ihr Verstand war von Angst und Verwirrung benebelt. Sie hatte keine Antwort, keine Erklärung, nichts, was einen Sinn in dem Geschehenen ergeben hätte.
Dravens Blick schwankte nicht, seine Augen waren scharf und durchdringend, als könne er direkt durch sie hindurchsehen, jeden Zweifel, jede Angst, jedes Versagen erkennen. Amberine schluckte schwer, ihr Herz pochte, ihre Hände zitterten an ihren Seiten. Sie wusste nicht, wie sie ihm antworten sollte, wusste nicht, wie sie erklären sollte, was passiert war, warum sie hier gelandet war.
Sie wusste nur, dass sie Angst hatte und dass sie versagt hatte.
Und das machte ihr mehr Angst als alles andere.