Die Kutsche zitterte unter dem Beschuss von außen, ihre ätherischen Schutzschilde ächzten unter der Belastung. Sharons Blick wanderte zu Draven, ihr Misstrauen schärfte sich wie die Klinge eines Messers. Trotz allem – dem Chaos draußen, der ruckelnden Kutsche, der spürbaren Gefahr – wirkte er völlig gleichgültig. Er war ganz ruhig, seine kalten Augen waren auf das Buch in seinen Händen gerichtet. Die Kälte in der Luft schien von ihm auszugehen.
Das ließ ihre Haut kribbeln.
Sie konnte ihre Frustration nicht länger zurückhalten. Mit erhobener Stimme fragte sie: „Was hast du vor?“ Ihr Tonfall war voller Misstrauen, jedes Wort klang wie eine Herausforderung.
Draven machte sich nicht die Mühe, sich zu ihr umzudrehen. Er blätterte weiter in seinem Buch, sein Gesichtsausdruck fast gelangweilt. „Bist du so dumm, dass du selbst in dieser Situation glaubst, ich würde etwas im Schilde führen?“
Seine Stimme durchdrang den Lärm, kalt und emotionslos, wie Eis, das in einer stillen Winternacht bricht.
Bevor Sharon etwas erwidern konnte, hob er seine rechte Hand, und plötzlich materialisierte sich ein Schild aus Feuer vor ihnen. Es erwachte mit einem lauten Knall zum Leben und leuchtete hell, gerade rechtzeitig, um eine Explosion von außen abzufangen. Die Kutsche schaukelte heftig, und Sharon schaffte es gerade noch, sich am Rand ihres Sitzes festzuhalten, um nicht auf den Boden geworfen zu werden.
Draven blieb jedoch so gelassen wie immer. Sein Blick war scharf, als er die Umgebung außerhalb der Kutsche absuchte, sein Fokus unerschütterlich. „Ich weiß nicht, zu welcher Fraktion das gehört“, murmelte er fast zu sich selbst. Sein Blick wanderte zu Sharon, kalt und berechnend, und seine Stimme nahm einen gefährlichen Unterton an. „Ist es aus einem Nachbarland? Von den Blackthorns?“
Sharon stockte der Atem, als sein durchdringender Blick sie durchbohrte. Die Erwähnung des Namens ihrer Familie ließ sie erschauern, aber bevor sie reagieren konnte, fuhr Draven fort, seine Stimme triefend vor Misstrauen. „Oder ist das das Werk des Rates? Oder vielleicht …“ Er hielt inne und kniff die Augen zusammen, als würde er über einen Gedanken nachdenken, der ihm gerade durch den Kopf gegangen war. „… von Sophie?“
Sharon spürte, wie ihr das Blut in den Adern gefror, als Lady Sophies Name fiel. Ihr Herz pochte in ihrer Brust, ihr Mund war plötzlich trocken. Fassungslos sah sie zu, wie Draven seine Aufmerksamkeit wieder dem Fenster zuwandte. Draußen zauberte ein Magier einen Eismagiekreis in die Luft, seine Hände bewegten sich mit geübter Präzision.
Draven lachte höhnisch, ein Hauch von Belustigung spielte um seine Lippen. Ohne sich zu bewegen, schwebte sein Wasserelementar-Stift in der Luft und schimmerte dabei. Mit einer schnellen Bewegung seines Handgelenks formte sich ein weiterer Schild – diesmal aus glitzerndem Eis. Dahinter materialisierte sich ein gefrorener Speer, der einen Sekundenbruchteil lang in der Luft schwebte, bevor er mit tödlicher Präzision nach vorne schoss.
Der Schild fing den Angriff ab, und der Speer schoss weiter, durchbohrte den Magier auf seinem Reittier, einer Kreatur, die wie ein riesiger Falke aussah und komplett aus Eis bestand – ein Cryovex-Falke.
Als der Magier zu Boden fiel und sein Zauber sich auflöste, beobachtete Draven das Geschehen mit neugierigem Blick. „Interessant“, murmelte er mehr zu sich selbst als zu Sharon. „Ich habe noch nie über den Einsatz von Luftstreitkräften nachgedacht … vielleicht sollte ich mich selbst darauf vorbereiten.“
Sharons Augen folgten ihm, während er laut nachdachte.
Sie beobachtete, wie sein Verstand selbst mitten im Kampf zu arbeiten schien – kalt, distanziert, immer einen Schritt voraus. Das war der wahre Draven, wurde ihr klar. Nicht der Professor, der an der Akademie über geheimnisvolle Theorien referierte, sondern der Earl of Drakhan, ein Adliger, dessen Ehrgeiz und Macht keine Grenzen kannten. Die Maske des distanzierten Akademikers war gefallen und gab den Blick auf den gefährlichen, berechnenden Mann darunter frei.
Sharons Herz pochte, ihre Gedanken kreisten. Hier waren sie, allein in der Kutsche, und Draven war ganz auf die Feinde konzentriert, die von außen angriffen. Er war abgelenkt, seine Aufmerksamkeit galt etwas anderem. Wenn es jemals eine Chance gab, ihre Mission zu erfüllen – den Auftrag der Blackthorn-Hauptfamilie auszuführen –, dann jetzt.
Das Bild von Lady Sophie füllte ihre Gedanken – ihr sanftes Lächeln, ihre unerschütterliche Freundlichkeit, ihre Stärke selbst angesichts von Widrigkeiten.
Die Lady, die sie bewunderte und liebte, die seit dem Ende ihrer Verlobung mit Draven gemieden und verspottet wurde. Dieser Mann war die Quelle der Qualen ihrer Lady, der Grund für ihr Leiden.
Sharons Griff um den Griff ihres Dolches wurde fester. Sie hatte das magische Eisschwert, das ihr gegeben worden war – eine Waffe, die speziell für diesen Moment angefertigt worden war – noch nicht benutzt. Der Überraschungsmoment war auf ihrer Seite.
„Für Lady Sophie“, flüsterte sie sich selbst zu, während ihre Entschlossenheit wuchs. Sie holte einen kleinen Kristall aus ihrem Umhang hervor – ein magischer Gegenstand, der wie eine Blendgranate funktionierte und alle um sie herum für ein paar wertvolle Sekunden blenden würde. Sie musste jetzt handeln, bevor sie den Mut verlor.
Mit einer schnellen Bewegung aktivierte Sharon den Kristall und warf ihn auf den Boden der Kutsche. Ein blendendes Licht explodierte aus dem Kristall und erfüllte den gesamten Raum. Sharon schloss die Augen und schützte sich so gut sie konnte. Als sie sie wieder öffnete, sah sie ihre Chance. Draven war vorübergehend geblendet und hob die Hand, um seine Augen zu schützen.
Sharon zog ihr magisches Eisschwert, dessen Klinge in einem kalten, ätherischen Licht schimmerte.
Sie bewegte sich schnell, ihr Herz pochte in ihren Ohren, als sie sich auf Draven stürzte. Sie zielte auf seine ungeschützte linke Seite, ihre Bewegungen waren schnell und präzise. Die Klinge zerschnitt die Luft, traf seine Schulter und der Aufprall sandte einen Schock durch ihren Arm. Eis blühte an der Stelle des Aufpralls auf, breitete sich über seine Schulter und seinen Arm aus und fror seinen Fuß am Boden der Kutsche fest.
Sharon spürte, wie das Schwert tief eindrang, und ihr stockte der Atem. Sie hatte es geschafft – sie hatte ihn getroffen. Ihr Herz raste vor Adrenalin, ihr Blick verengte sich, als sie sich auf die Klinge konzentrierte, die in Dravens Schulter steckte. Hatte sie es geschafft? War es genug?
Plötzlich erschütterte eine Explosion den Wagen und warf Sharon aus dem Gleichgewicht. Die Wucht schleuderte sie nach hinten, ihr Blick verschwamm, als ihr Kopf gegen die Seite des Wagens schlug. Ihre Ohren klingelten, ihr Körper schmerzte von dem Aufprall. Sie blinzelte und versuchte, sich zu orientieren, während sich ihr Blick langsam klärte.
Als sie wieder sehen konnte, blickte sie auf Draven. Er stand immer noch da, unglaublich nah bei ihr. Ihre Augen weiteten sich ungläubig, als sie realisierte, was sie sah. Ihr Schwert steckte immer noch in seiner Schulter, die Eismagie haftete immer noch an ihm, aber er stand aufrecht. Er stand nicht nur aufrecht – er hatte ihr erlaubt, ihn zu treffen.
„Was machst du da …?“ Sharons Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, ihre Kehle war vor Verwirrung wie zugeschnürt. Ihr Blick wanderte zu seiner linken Schulter, wo ihre Klinge steckte, tief genug, um ihn schwer zu verletzen. Sie konnte es nicht verstehen – warum schlug er nicht zurück?
Dravens Blick war zwar voller Schmerz, aber er blieb ruhig und auf etwas hinter ihr gerichtet. Und dann sah Sharon es – zwei vermummte magische Schwertkämpfer, deren Klingen in Dravens rechten Arm steckten. Aber ihre Schwerter waren auf ihren Kopf gerichtet gewesen.
Es war, als ob…
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Als ob…
Draven hatte sich zwischen sie und sie gestellt und die Schläge für sie abgefangen.
Ihr Kopf schwirrte, ihre Gedanken waren ein Durcheinander aus Verwirrung und Unglauben. „Warum …?“, brachte sie hervor, ihre Stimme brach, als sie zu ihm aufblickte. Seine Augen trafen ihre, der Schmerz darin war deutlich zu sehen, aber auch etwas anderes – etwas, das sie nicht ganz verstehen konnte.
Draven antwortete nicht auf ihre Frage. Stattdessen murmelte er ein einziges Wort: „Fulminis.“
Elektrizität knisterte um ihn herum, nicht von vorne, sondern von der Stelle, an der sein Arm durchbohrt war. Die Energie zuckte und wand sich, bog sich unnatürlich, bis sie ihr Ziel fand. Die beiden Schwertkämpfer hatten nicht mal Zeit zu reagieren. Blitze schlugen seitlich in sie ein, ihre Körper zuckten, bevor sie leblos zu Boden fielen.
Sharon sah zu, ihr Herz pochte, ihr Atem stockte. Sie hatte schon mal Magie gesehen – hatte gegen Magier gekämpft, an ihrer Seite gekämpft. Aber das hier – das war etwas anderes. Draven bewegte sich mit unerschütterlicher Entschlossenheit, sein Blick war scharf, seine psychokinetischen Fähigkeiten verstärkten seine Magie auf ein furchterregendes Niveau.
Mit einer schnellen Bewegung seines Handgelenks zog er die Schwerter aus seinem rechten Arm, die Kraft schleuderte sie klirrend auf den Boden.
Blut sickerte aus den Wunden, aber Draven zeigte keine Anzeichen von Schmerz – nur eine leichte Verengung seiner Augen. Sein Blick wanderte zu Sharon, kalt und berechnend.
Er griff nach dem Schwert, das in seiner Schulter steckte – dem magischen Eisschwert, das sie gegen ihn eingesetzt hatte. Sharon verspürte eine Welle der Panik, ihr Herz raste. „Warte!“, schrie sie, ihre Stimme voller Angst.
Aber Draven ignorierte sie. Seine rechte Hand umfasste den Griff des Schwertes, und sofort stieß ihn die Magie der Klinge zurück. Eis breitete sich über seine Hand aus, die Kälte biss sich in sein Fleisch. Sharon sah mit weit aufgerissenen Augen zu, wie das Eis seinen Arm hinaufkroch. Aber Draven machte weiter. Mit einer Demonstration seiner immensen Kraft riss er das Schwert heraus, das Eis brach und Splitter fielen zu Boden.
Blut strömte aus der Wunde und befleckte seine Robe, aber Draven blieb unbeeindruckt. Er hielt das Schwert ausgestreckt und gab es Sharon mit festem Blick zurück. Sie nahm es mit zitternden Händen entgegen, ihr Kopf schwirrte von Fragen, die sie nicht aussprechen konnte.
Mit einem leisen Seufzer rief Draven seinen Wasserelementar herbei, der während des gesamten Kampfes in der Luft geschwebt hatte. Er schwebte zu seiner Hand, und als er ihn festhielt, bildete sich unter seinen Füßen ein magischer Kreis, der sanft leuchtete. Die Luft um sie herum flimmerte, heilende Magie umhüllte ihn, und die Wunden an seiner Schulter und seinem Arm begannen sich zu schließen. Die Blutung hörte auf, und die Anspannung in seinen Muskeln ließ nach, während die Magie ihren Weg durch seinen Körper bahnte.
Als seine Wunden geschlossen waren, schärfte Draven seinen Blick und sah sich den Zustand der Kutsche an. Er hob die Hand und mit Hilfe von Telekinese begannen die zerbrochenen Teile der Kutsche sich zu bewegen. Das Holz formte sich neu, das Metall knarrte, als es sich wieder an seinen Platz schob, und die Struktur reparierte sich langsam von selbst.
Sharon blieb auf den Knien, die Augen weit aufgerissen, ihr Geist ein Wirbelwind aus Verwirrung und Unglauben.
Sie sah zu Draven auf und fragte mit zitternder Stimme: „Warum …? Warum hast du mich gerettet …?“
Draven hielt inne, sein Gesichtsausdruck war undurchschaubar, sein Blick fest auf sie gerichtet. Es folgte eine lange Stille, und für einen Moment dachte Sharon, er würde nicht antworten. Doch dann sprach er mit leiser, fast distanzierter Stimme. „Weil jemand traurig wäre.“
Sharon stockte der Atem. Seine Worte waren einfach, aber sie trafen sie tief im Innersten. Sie konnte nicht begreifen, was gerade passiert war, konnte nicht verstehen, warum dieser kalte, berechnende Mann sich entschieden hatte, sie zu beschützen. Sie starrte ihn an, ihr Herz pochte, und das Bild von Lady Sophie blitzte erneut vor ihrem inneren Auge auf.
Draven wandte sich ab, sein Blick wanderte zurück zur Welt außerhalb der Kutsche, seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf die Schlacht. Sharon konnte nur zusehen, ihr Kopf war ein Wirrwarr aus Verwirrung und Emotionen, die sie nicht benennen konnte.
„Fürs Erste. Du solltest überleben.“