Sharon spürte die angespannte Stimmung in der Kutsche; die Blicke der anderen Passagiere waren auf sie gerichtet, und sie fühlte sich wie in einem Netz aus Misstrauen und versteckten Absichten gefangen. Sie versuchte, ein ruhiges Gesicht zu machen, während ihre Hand unter ihrem Umhang in der Nähe ihres Dolches lag. Ihr Instinkt sagte ihr, dass etwas nicht stimmte – dass etwas passieren würde und sie mittendrin war.
Draven saß ihr gegenüber, seine Ausstrahlung war sowohl befehlend als auch distanziert. Er hatte sie gewarnt: „Hör auf mit dem, was du tust“, und sie hatte ihn gefragt, warum. Sie konnte es nicht verstehen, konnte nicht erkennen, warum er plötzlich so besorgt war.
„Warum?“, hatte sie gefragt, ihre Stimme voller Misstrauen und Verwirrung.
Draven sah nicht einmal von seinem Buch auf, seine kalten Augen wanderten weiter über die Zeilen des alten Textes, als er antwortete: „Weil du keine Chance gegen sie hast.“
Bei dieser einfachen Antwort lief Sharon unwillkürlich ein Schauer über den Rücken. Es waren nicht die Worte, die ihr Angst machten, sondern die Gewissheit, die dahintersteckte. Er warnte sie nicht nur – er stellte eine Tatsache fest, ein Ergebnis, das er bereits berechnet hatte.
Und dann, als würde seine Aussage das Ende jeder weiteren Unterhaltung bedeuten, schlug Draven sein Buch mit einem Knall zu. Es war keine aggressive Bewegung, aber das Geräusch schien durch die Kutsche zu hallen und etwas in der Luft zu verändern. Die Spannung, die sich aufgebaut hatte, war nun greifbar – fast so, als würde die Kutsche selbst den Atem anhalten und auf das warten, was als Nächstes kommen würde.
Draven legte sein Buch in eine luxuriöse Ledertasche, jede seiner Bewegungen war bedächtig, als hätte er alle Zeit der Welt. Sharon beobachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen, ihr Misstrauen wuchs. Er holte ein weiteres Buch hervor, dieses war in schwarzes Leder gebunden, an den Rändern abgenutzt, aber völlig unbeschrieben. Kein Titel, kein Siegel – nur ein schlichter schwarzer Einband, der keinen Hinweis auf den Inhalt gab.
Er schlug es irgendwo in der Mitte auf und blätterte es durch, den Blick konzentriert, seine ganze Aufmerksamkeit auf den Text gerichtet. Sharon spürte, wie ihre Geduld schwankte, ihre Nerven lagen blank angesichts der Ungewissheit der Situation.
Sie wollte Antworten verlangen – ihn fragen, was er da tat. Aber etwas an seiner Regungslosigkeit, seiner unerschütterlichen Ruhe hielt sie zurück. Stattdessen fluchte sie leise vor sich hin, ihre Gedanken ein wirres Durcheinander aus Verärgerung und Vorsicht.
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„Was zum Teufel hat er vor?“, dachte sie und ballte die Finger um den Griff ihres Dolches.
Jede noch so kleine Bewegung seiner Hände, jedes Umblättern einer Seite ließ sie nervös werden. Es war, als würde er absichtlich versuchen, eine Reaktion von ihr zu provozieren, und sie hasste das. Sharon hasste es, sich wie eine Figur auf seinem Schachbrett zu fühlen, wie ein Bauer, den er nach Belieben bewegen oder opfern konnte.
Draven konzentrierte sich weiterhin auf sein Buch, sein Verhalten unbeeindruckt von der Unruhe, die um ihn herum zu wachsen schien.
Sharon wurde das Gefühl nicht los, dass sich unter der Oberfläche etwas verbarg – dass die Ruhe nur eine Illusion war, die den brodelnden Sturm verbarg, der nur darauf wartete, auszubrechen. Sie beobachtete ihn mit unerschütterlicher Wachsamkeit und nahm jede Geste, jedes Zucken seiner Finger wahr. Es war ärgerlich subtil, aber sie war sich sicher, dass er kleine Bewegungen mit seinen Händen machte, wie man sie benutzte, um heimlich Magie zu kanalisieren.
„Wenn er versucht, etwas Dunkles zu wirken“, dachte Sharon und kniff die Augen zusammen, „werde ich dem ein Ende bereiten.“ Sie presste die Kiefer aufeinander, starrte Draven unverwandt an und wartete auf jedes Anzeichen, jeden Hinweis, dass er sich bewegen würde. Ihr Herz pochte in ihrer Brust, die Anspannung in ihren Adern war greifbar.
Doch dann, genauso plötzlich, veränderte sich die Atmosphäre im Wagen. Es gab kein Geräusch, keinen sichtbaren Auslöser – nur ein unsichtbares Signal, das wie eine Schockwelle durch die Passagiere zu gehen schien. Sharon spürte, wie ihre Instinkte hochfuhren, ihr ganzer Körper spannte sich an, als die seltsame Ruhe verschwand. Sie blickte auf und sah eine Bewegung – klein, aber unverkennbar. Die verdächtigen Gestalten, die ihr zuvor aufgefallen waren, machten sich in Bewegung.
Bevor sie überhaupt begreifen konnte, was geschah, hob Draven den Kopf. Seine Augen waren scharf wie Klingen, als sie den Wagen durchschnitten und alles in einem Augenblick erfassten. Er bewegte sich blitzschnell, und bevor Sharon reagieren konnte, wurde sie zur Seite gestoßen. Ihr Körper prallte gegen die Wanne des Wagens, und ein stechender Schmerz durchzuckte ihren Arm, wo sie die Wand getroffen hatte.
Für einen Moment war sie wie gelähmt, ihr Körper versuchte zu begreifen, was gerade passiert war. Draven – er hatte sie geschubst? Sie knurrte, griff nach ihrem Schwert und wollte sich instinktiv verteidigen. „Du Mistkerl!“, zischte sie, während ihre Wut kochte. Doch dann erstarrte sie, als sie sah, was sich vor ihr abspielte.
Draven war wieder auf den Beinen, sein Buch vergessen, als er sich auf die andere Seite des Wagens stürzte. Drei Magier, ihre Gesichter vor Konzentration verzerrt, richteten ihre Hände auf ihn und begannen, mit leuchtenden Runen Zauber zu wirken. Sharons Augen weiteten sich und die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Sie waren nicht wegen ihr hier. Sie waren wegen Draven hier.
Die Magier entfesselten ihre Zauber, Energiefluten zischten durch die Luft, aber Draven war bereits in Bewegung. Seine Hände schossen nach vorne, und die Luft um ihn herum schien zu flimmern, als seine psychokinetischen Kräfte zum Einsatz kamen. Er drehte seinen Körper und wich den magischen Blitzen mit einer Geschwindigkeit aus, die fast unmenschlich schien. Sharon sah mit großen Augen zu, wie er die Distanz zwischen sich und den Magiern verringerte, seine Bewegungen waren so schnell und präzise, dass sie sprachlos war.
Zwei Ritter aus dem hinteren Teil der Kutsche sprangen auf, die Hände an ihren Waffen, und bewegten sich auf Draven zu. Einen Moment lang dachte Sharon, sie seien seine Verbündeten – vielleicht Verstärkung. Aber dann sah sie den kalten Glanz in ihren Augen, wie sie ihre Klingen zogen und auf Draven richteten. Nein, sie waren nicht hier, um ihm zu helfen. Sie waren hier, um ihn zu töten.
Sharon rappelte sich auf und sah sich in der Kutsche um, während Chaos ausbrach. Der junge Ritter, der zuvor mit ihr gesprochen hatte – Marcus – zog sein Schwert und stürmte vorwärts, entschlossen, ihr zu helfen. Er bewegte sich entschlossen, sein Schwert erhoben, bereit zu verteidigen.
„Marcus!“, schrie Sharon, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Doch bevor er sie erreichen konnte, drehte sich einer der feindlichen Magier um, ein grausames Lächeln umspielte seine Lippen, als er einen magischen Blitz abfeuerte. Die Energie traf Marcus in der Brust, sein Körper zuckte, bevor er zu Boden sank und mit weit aufgerissenen Augen auf dem Wagenboden zusammenbrach.
„Nein!“, schrie Sharon, ihre Stimme voller Wut und Unglauben. Sie hatte Marcus kaum gekannt, aber er hatte das nicht verdient – er hatte es nicht verdient, auf so brutale, sinnlose Weise zu sterben.
Einer der Magier sah, dass Sharon ungeschützt war, und näherte sich ihr mit langsamen, bedächtigen Schritten. Sein Gesicht war teilweise unter einer Kapuze verborgen, aber seine Absicht war in dem dunklen Glanz seiner Augen deutlich zu erkennen. Sharon zwang sich aufzustehen, umfasste ihren Dolch und machte sich bereit. Sie spürte, wie ihr Puls in ihren Ohren pochte und ihr Herz raste, als der Magier näher kam und seine Lippen zu einem grausamen Lächeln verzogen.
„Du hättest dich da raushalten sollen“, sagte er mit leiser, boshafter Stimme.
Sharon hob ihren Dolch und warf Draven einen kurzen Blick zu. Sie wollte sich nicht auf ihn verlassen – sie wollte seine Hilfe nicht brauchen –, aber sie war in der Enge und der Magier kam näher. Ihre Gedanken rasten, während sie überlegte, was sie als Nächstes tun sollte.
Und dann, ohne Vorwarnung, taumelte der Magier. Seine Augen weiteten sich vor Schreck, sein Mund öffnete sich, als wollte er etwas sagen – aber es kam kein Ton heraus. Stattdessen sackte er zusammen und fiel zu Sharons Füßen zu Boden. Sharon blinzelte, ihr Blick wanderte und sie sah es – einen Stift, der in der Luft über Dravens Hand schwebte und dessen Oberfläche vor Energie flimmerte.
Dravens Augen waren ruhig, sein Gesicht ausdruckslos, als er den Stift mit einer schnellen Bewegung seiner Finger bewegte, wobei die psychokinetische Kraft seine Macht verstärkte. Sharon sah fassungslos zu, wie er seinen Blick auf die anderen Feinde richtete, seine Bewegungen kalkuliert und präzise. Der Stift schoss durch die Luft, traf einen anderen Magier in der Kehle und beendete die Bedrohung mit kalter Effizienz.
Sharon stockte der Atem, als sie Draven beobachtete. Er war von einer schimmernden Aura umgeben – einem ätherischen Schutzschild aus Wasser, der sich mit ihm bewegte und wie die Oberfläche eines Teiches plätscherte. Es schützte ihn vor den Angriffen der verbleibenden Feinde, deren Magie sich beim Aufprall auf die Barriere auflöste. Draven war vollkommen konzentriert, sein Blick kalt und distanziert, während er sich durch den Wagen bewegte und seine Gegner einen nach dem anderen ausschaltete.
Er bewegte sich wie eine Naturgewalt – unerbittlich, unaufhaltsam. Sharon spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief, während sie ihn beobachtete, ihr Herz pochte in ihrer Brust. Seine Bewegungen waren ohne Zögern, seine Schläge gnadenlos. Er kämpfte mit einer Präzision, die von Erfahrung sprach, von unzähligen gewonnenen Schlachten. Er ließ es mühelos aussehen, seine psychokinetischen Fähigkeiten verwandelten alltägliche Gegenstände in tödliche Waffen.
Innerhalb weniger Augenblicke war die unmittelbare Gefahr gebannt. Die Magier und Ritter lagen leblos auf dem Boden, ihre Körper waren über den Wagen verstreut. Die Luft war erfüllt vom Geruch verbrannten Stoffes und dem metallischen Geruch von Blut. Sharon stand da, schwer atmend, den Dolch noch immer in der Hand, den Blick auf Draven geheftet.
„Was ist hier los?“, fragte sie mit zitternder Stimme, obwohl sie versuchte, stark zu klingen.
Sie brauchte Antworten – sie musste verstehen, was gerade passiert war, in was sie da hineingezogen worden war.
Draven drehte sich zu ihr um, sein Blick war scharf, seine Augen berechnend. Er schien sie einen Moment lang zu mustern, ohne dass sein Gesichtsausdruck etwas verriet. „Wir haben keine Zeit für Erklärungen“, sagte er mit kalter, distanzierter Stimme. „Wir müssen den Wagen sichern. Hier ist mehr im Spiel, als du ahnen kannst.“
Sharon wollte widersprechen, wollte mehr wissen, aber da war etwas in seinem Tonfall – etwas, das ihr sagte, dass er nicht log. Sie sah, wie Draven für einen kurzen Moment die Augen schloss und ruhig atmete. Er griff in seine Tasche und holte einen blauen Stift hervor, der sanft auf den Boden schwebte. Seine Oberfläche war mit komplizierten Runen bedeckt, die mit einem sanften, ätherischen Leuchten zu pulsieren schienen.
Sharon sah zu, ihre Augen weiteten sich, als die Runen sich zu bewegen begannen und über die Oberfläche des Stifts wanderten, als wären sie lebendig. Die Luft um sie herum schien vor Energie zu summen, die Magie floss durch den Wagen und füllte den Raum mit einer spürbaren Kraft. Der Stift pulsierte, und die in seine Oberfläche eingravierten Runen leuchteten in einem hellen blauen Licht, dessen Leuchtkraft zunahm, bis es den gesamten Wagen erfüllte.
Um das Innere des Wagens bildeten sich komplizierte magische Kreise, die Runen breiteten sich wie Wellen auf dem Wasser aus und leuchteten immer heller, bis sie ein komplexes Netz aus Schutzzaubern bildeten. Sharon konnte die Kraft der Magie spüren, die Energie, die den Wagen umhüllte und ihn wie einen Kokon einhüllte. Die Turbulenzen, die den Wagen erschüttert hatten, hörten abrupt auf, und die gesamte Konstruktion stabilisierte sich, als die Magie wirkte.
Eine riesige Energiebarriere umhüllte die Kutsche und schimmerte mit Verteidigungszaubern, deren Glanz durch die Fenster zu sehen war. Sharon starrte mit angehaltenem Atem auf das magische Schauspiel. Sie hatte schon mal Magie gesehen – hatte sogar an der Seite von Magiern gekämpft –, aber das hier war anders. Das war etwas, das alles übertraf, was sie je erlebt hatte.
Draven sah sie an, sein Gesichtsausdruck ernst, seine Stimme ruhig, aber eindringlich. „Wir werden auch von außen angegriffen“, sagte er, und seine Worte hatten ein Gewicht, das Sharon einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Sie schluckte, ihr Blick wanderte zum Fenster, ihr Herz pochte in ihrer Brust.
Draußen war der Nachthimmel voller Schattengestalten, deren Umrisse in der Dunkelheit kaum zu erkennen waren. Was auch immer gerade passierte, was auch immer sie gerade erlebt hatten, es war noch nicht vorbei. Und Sharon wusste mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube, dass sie noch lange nicht bereit war für das, was vor ihr lag.