„Ihr habt alle unterschiedliche Grade an emotionaler Kontrolle beim Zaubern gezeigt“, begann Draven mit seiner gewohnt kalten und unnachgiebigen Stimme. Die Worte schnitten durch die Luft, jede Silbe mit eisiger Präzision ausgesprochen. Der bereits still gewordene Hörsaal wurde noch stiller, als sein Blick auf den besten Schülerinnen – Amberine, Elara und Maris – verweilte, bevor er durch den Raum schweifte.
„Aber lasst mich eines klarstellen: Wahre Beherrschung der Magie erfordert die vollständige Kontrolle über eure Emotionen und eure Magie.“
Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. Amberine rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her, Elara blieb ausdruckslos, während Maris sich nach vorne beugte und Draven unverwandt ansah. Die Erschöpfung von den schlaflosen Nächten, in denen sie sich mit der Zwischenprüfung herumgeschlagen hatten, schien für einen Moment vergessen, als sie an seinen Lippen hingen.
„Um ein hochrangiger Magier zu werden“, fuhr Draven fort, „müsst ihr nicht nur Mana beherrschen, sondern auch euer eigenes Herz und euren Verstand.“ Seine Worte, obwohl mit ruhiger Gleichgültigkeit gesprochen, hatten eine Schwere, die die Schüler aufrecht in ihren Sitzen sitzen ließ.
Draven hob eine Hand, und die Luft um ihn herum schien von roher magischer Energie zu summen. Ein schwacher, fast unmerklicher Schimmer von Mana umgab ihn, die schiere Kraft seiner Macht war zwar zurückgehalten, aber dennoch im Raum spürbar. Die Schüler sahen wie gebannt zu, wie sich die Magie mit minimalem Aufwand seinerseits um ihn herum sammelte, ein Beweis für seine Meisterschaft. „Seht ihr, Emotionen sind keine Schwächen. Sie sind Werkzeuge.
Aber wie jedes Werkzeug können sie dich zerstören, wenn du sie falsch einsetzt.“
Amberines Augen weiteten sich leicht. Sie hatte immer mit der Unbeständigkeit ihrer eigenen Emotionen zu kämpfen gehabt, ihr Temperament geriet beim Zaubern oft außer Kontrolle. Als sie Draven von Emotionen als Werkzeugen sprechen hörte, als etwas, das man einsetzen und nicht unterdrücken sollte, traf das einen Nerv in ihr, auch wenn sie das niemals laut zugeben würde.
„Heute“, sagte Draven und senkte seine Stimme gerade so weit, dass die Schüler ihm noch besser zuhören konnten, „werde ich euch zeigen, wie Emotionen, wenn sie kontrolliert werden, eure Magie zu ihrem vollen Potenzial entfalten können.“
Dann streckte Draven seine rechte Hand aus, und mit einer bloßen Bewegung seiner Finger begann sich Mana in der Luft vor ihm zu sammeln.
Der psychokinetische Stift, den er oft benutzte, schwebte mühelos in der Luft und zeichnete den Umriss eines komplexen magischen Kreises zwischen ihm und den Schülern. Die Linien des Kreises schimmerten vor Kraft und leuchteten schwach, während Draven Mana in ihn fließen ließ.
In der Mitte des Kreises erschien die Zahl zehn, die auf die letzte Frage der Zwischenprüfung hinwies – die Frage, die jeden Schüler an die Grenzen seiner magischen Fähigkeiten gebracht hatte.
„Das“, sagte Draven mit ruhiger, aber bestimmter Stimme, „ist die Projektion von Emotionen, wenn sie als Waffen eingesetzt werden.“
Während er sprach, erwachte der magische Kreis zum Leben und pulsierte vor Energie. Er begann, den Kreis mit Emotionen zu füllen – Wut, Traurigkeit, Angst, Frustration – eine nach der anderen, und mit jeder Emotion veränderte sich der Raum um sie herum.
Zuerst wurde die Luft dick und stickig, als Draven Wut in die Magie leitete. Die Schüler waren nicht mehr im Hörsaal. Stattdessen befanden sie sich in einer öden Einöde, über ihnen ein tiefes, bedrohliches Rot. Der Boden unter ihren Füßen barst auf, und in der Ferne hallte das unheilvolle Grollen des Donners wider.
Hitze strahlte aus der Erde, bedrückend und erstickend, als würde die Welt gleich explodieren. Die Studenten konnten die Wut spüren, die Draven ausstrahlte – roh, ungezügelt und gefährlich. Doch selbst inmitten dieser überwältigenden Emotionen behielt er die Kontrolle.
Die Wut verzehrte ihn nicht, sie beflügelte ihn, und Draven blieb in ihrer Mitte, unerschütterlich, unberührt von den Flammen, die an den Rändern der Ödnis zu züngeln schienen.
Amberines Herz pochte in ihrer Brust, die Intensität der Szene spiegelte die innere Unruhe wider, die sie oft während ihrer eigenen Zaubersprüche verspürte. Aber es hatte auch etwas Schönes – eine Kraft, die, wenn man sie kontrollierte, zu etwas Außergewöhnlichem genutzt werden konnte.
Ohne Vorwarnung verschwand die Ödnis und wurde durch eine plötzliche, überwältigende Traurigkeit ersetzt. Der Raum verwandelte sich in einen endlosen Ozean, das Wasser war dunkel und tief und reichte so weit das Auge reichte.
Die Schüler schwebten im Wasser, ihre Körper von einer unsichtbaren Kraft getragen. Über ihnen war der Himmel bewölkt, die Wolken waren schwer von Regen, der aber nicht fiel.
Die Traurigkeit war greifbar, eine Last, die auf ihren Herzen lastete und sie tiefer in die kalte Umarmung des Ozeans zog. Und doch lähmte die Traurigkeit nicht. Sie war scharf, klar, wie das Wasser, das sie umgab. Sie schenkte Klarheit – eine Stille, die tiefes Nachdenken ermöglichte.
Elaras Gesichtsausdruck wurde weicher, als sie die Kühle des Wassers um sich herum spürte. Traurigkeit, erkannte sie, war nichts, wovor man Angst haben musste. Man konnte sie annehmen, verstehen und kontrollieren. In diesem stillen Moment erkannte sie die Kraft, die darin lag, Emotionen anzuerkennen, anstatt sie zu unterdrücken.
Der Ozean verschwand und machte Platz für Angst. Die Schüler standen plötzlich am Rand einer riesigen, bodenlosen Schlucht. Die Luft war voller Spannung, jeder Atemzug war ein Kampf gegen das überwältigende Gefühl der Angst, das den Raum erfüllte. Der Boden unter ihren Füßen bröckelte bei jedem Schritt und drohte, nachzugeben und sie in die Dunkelheit darunter zu stürzen.
Die Angst war erdrückend, lähmend, und doch … Draven stand aufrecht da, unbeeindruckt von dem Schrecken, der die Schüler ergriff. Die Angst war zwar intensiv, aber er hatte sie unter Kontrolle, sie war seinem Willen unterworfen.
Maris schluckte schwer, ihr Herz raste, als sie in den Abgrund blickte. Aber anstatt zurückzuweichen, zwang sie sich, standhaft zu bleiben. Draven hatte ihnen gezeigt, dass auch Angst ein Werkzeug war. Sie konnte die Instinkte schärfen und sie zum Handeln zwingen, wenn sie sonst gezögert hätten.
Die Kluft verschwand und wurde durch einen chaotischen Strudel der Frustration ersetzt.
Die Luft knisterte vor Energie, Manafunken flogen in alle Richtungen, als die Schüler sich in einem Labyrinth aus zerklüfteten, gewundenen Pfaden wiederfanden. Die Wände des Labyrinths verschoben sich ständig, versperrten ihnen den Weg und sperrten sie in Sackgassen ein. Die Frustration war greifbar, eine schwere Last, die jede Bewegung zu einer Qual machte.
Doch inmitten des Chaos blieb Draven ruhig, die Unordnung um ihn herum beugte sich seinem Willen.
Amberine biss die Zähne zusammen und spürte, wie die vertraute Welle der Frustration in ihr aufstieg. Sie hatte das schon einmal erlebt, im übertragenen Sinne – gefangen in ihren eigenen Emotionen, im Kampf gegen sich selbst. Aber als sie sah, wie Draven das Labyrinth mit Leichtigkeit manipulierte, begann sie zu verstehen. Frustration musste nicht destruktiv sein. Sie konnte in etwas Mächtiges, etwas Unaufhaltsames umgewandelt werden.
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Schließlich löste sich das Labyrinth auf und die Schüler versanken in Verzweiflung. Der Himmel über ihnen war dunkel, der Boden unter ihren Füßen rissig und kahl. Die Luft war schwer und bedrückend, als würde die Welt in sich zusammenbrechen. Verzweiflung umhüllte sie wie dichter Nebel, erstickend und unerbittlich. Doch selbst inmitten dieser Dunkelheit gab es Stärke.
Draven stand inmitten der Ruinen, seine Präsenz ein Leuchtfeuer unerschütterlicher Willenskraft. Verzweiflung konnte, wenn man sie kontrollierte, zu Entschlossenheit werden – zu einer Kraft, die einen antrieb, zu überleben, trotz allem weiterzumachen.
Elara stockte der Atem, als sie beobachtete, wie Draven die Verzweiflung um sich herum beherrschte. Sie hatte Emotionen immer als etwas angesehen, das man kontrollieren und in Schach halten musste.
Aber jetzt, wo sie sah, wie er sie mit solcher Präzision einsetzte, wurde ihr klar, dass sie so viel mehr sein konnten.
Mit einer Handbewegung ließ er die Projektionen verschwinden, und die Schüler fanden sich wieder im Hörsaal wieder. Die Luft war noch immer schwer von den Echos der Emotionen, die Draven gezeigt hatte, aber der Raum selbst war unverändert. Draven, der vorne in der Klasse stand, senkte die Hand und deaktivierte den magischen Kreis mit müheloser Anmut.
Für einen Moment war es still. Die Schüler, die noch von dem intensiven Erlebnis überwältigt waren, sahen sich an, ihre Gesichter waren eine Mischung aus Ehrfurcht und Ungläubigkeit. Selbst die besten Schüler – Amberine, Elara und Maris – waren beeindruckt von Dravens Meisterschaft.
Elara, die immer als Wunderkind gefeiert worden war, konnte nicht leugnen, dass Dravens Verständnis der Magie das ihre bei weitem übertraf. Aber statt frustriert zu sein, wie sie es früher vielleicht gewesen wäre, empfand sie etwas ganz anderes.
Als sie an die Szenen zurückdachte, die sie gerade erlebt hatte – die öde Einöde, der endlose Ozean, der bodenlose Abgrund –, wurde ihr klar, dass es nur ein Wort gab, um ihre Gefühle zu beschreiben.
Sie war fasziniert.
Draven spürte die Veränderung in der Klasse und nickte kaum merklich. „Es wird keinen Nachhilfeunterricht geben“, sagte er, und seine Stimme durchschnitten die Stille wie ein Messer. „Verbessert eure Noten durch die Tests und Hausaufgaben.“
Er richtete seinen scharfen Blick wieder auf die Klasse, sein Gesichtsausdruck so kalt und undurchschaubar wie immer. „Die Stunde ist beendet.“
Damit winkte er mit der Hand, und der Zauber löste sich vollständig auf. Die Schüler standen fassungslos da und sammelten langsam ihre Sachen zusammen, während sie noch immer von dem, was sie gerade erlebt hatten, völlig überwältigt waren.
Amberine, die diese atemberaubende Vorlesung miterlebt hatte, brachte nur ein einziges Wort heraus.
„Unmöglich …“