Königin Aurelia saß in der Mitte des Raumes, ihr goldenes Haar fiel ihr wie ein Fluss aus flüssigem Sonnenlicht über die Schultern. Ihre smaragdgrünen Augen, die normalerweise einen scharfen, berechnenden Ausdruck hatten, waren jetzt von etwas fast Kindlichem erweicht – von gespannter Erwartung. Sie blickte zu den großen Doppeltüren am anderen Ende des Saals und trommelte mit den Fingern leicht auf die Armlehne ihres Throns.
Die Stille zog sich hin, nur unterbrochen vom leisen Klopfen ihrer Finger.
„Hey, Premierminister, wann kommt Draven endlich?“ Die Stimme der Königin klang zwar befehlend, aber auch ungewöhnlich ungeduldig. Sie wandte ihren Blick zu dem älteren Mann, der neben ihrem Thron stand und dessen verwittertes Gesicht von einem sanften Lächeln zerfurcht war.
Premierminister Elric Othmar, ein Mann, der seit Jahrzehnten im Dienste der Krone stand, lachte leise über die Frage der Königin. Er war an die Unruhe der jungen Monarchin gewöhnt, besonders wenn etwas – oder jemand – ihr Interesse geweckt hatte. „Eure Majestät, bitte habt Geduld“, antwortete er mit einem Anflug von Belustigung in der Stimme. „Graf Drakhan ist ein Mann der Präzision. Er wird zur vereinbarten Zeit eintreffen, keinen Moment früher.“
Aurelia schnaubte leicht und verschränkte die Arme vor der Brust, was ihrer königlichen Statur nicht gerade schmeichelte. Sie war bekannt für ihren scharfen Verstand und ihre noch schärfere Zunge, eine Herrscherin, die die Insignien des Königtums oft als lästiger empfand als alles andere. Aber heute hatte sich etwas in ihrem Verhalten verändert. In ihren Augen funkelte es, eine seltene Energie, die sie jünger und lebendiger erscheinen ließ.
„Geduldig?“, murmelte sie leise, mehr zu sich selbst als zum Premierminister. „Ich bin schon seit Tagen geduldig, Elric. Warum vergeht die Zeit so langsam, wenn man sich auf etwas freut?“
Elrics Lächeln wurde breiter, doch er hielt seinen Blick nach vorne gerichtet und wagte es nicht, in Gegenwart des Königshofs zu viel Vertrautheit zu zeigen.
„Vielleicht liegt es daran, dass Vorfreude die Zeit dehnt, Eure Majestät. Aber seid unbesorgt, Graf Drakhan wird bald hier sein.“
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Aurelia warf ihm einen Blick zu, ein Grinsen umspielte ihre Lippen. „Du klingst wie ein alter Weiser, Elric. Ich wusste gar nicht, dass du das in dir hast.“
„Ich habe meine Momente“, antwortete der Premierminister, seine Stimme immer noch leicht amüsiert. Er hatte Aurelia schon in vielen Stimmungen erlebt – gelangweilt, wütend, frustriert –, aber diese Aufregung war etwas Neues. Es faszinierte ihn und ließ ihn fragen, was Draven wohl an sich hatte, dass er ihre Aufmerksamkeit so sehr auf sich zog.
Die Königin seufzte, lehnte sich in ihrem Thron zurück und richtete ihren Blick wieder auf die Doppeltüren. „Er sollte mich besser nicht länger warten lassen“, murmelte sie. Ihre Finger trommelten wieder rhythmisch auf der Armlehne, und Elric konnte nur leise lächeln. Die Königin, die so oft unter der Last ihrer Verantwortung litt, hatte endlich etwas – oder jemanden –, auf den sie sich freuen konnte.
Bevor sie noch einmal fragen konnte, schwangen die großen Doppeltüren mit einem leisen, fast ehrfürchtigen Knarren auf. Das Geräusch hallte durch den Saal und zog die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. Die königlichen Wachen, die an den Wänden stramm gestanden hatten, wurden noch wachsamer und umklammerten ihre Speere fester. Im Saal wurde es mucksmäuschenstill, als alle Blicke sich auf den Eingang richteten.
Ein Herold in der tiefblauen Livree des Königshauses trat in den Saal. Seine Stimme hallte klar und deutlich durch den Raum und durchbrach die Stille wie eine Glocke. „Graf Draven Arcanum von Drakhan ist eingetroffen!“
Aurelias Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln, und die Vorfreude in ihren Augen verwandelte sich in etwas noch Leuchtenderes – Aufregung. „Endlich“, flüsterte sie vor sich hin, jetzt eher amüsiert als ungeduldig.
Als Draven den Thronsaal betrat, veränderte sich die Atmosphäre merklich. Die Temperatur schien um mehrere Grad zu sinken, und ein spürbarer Druck erfüllte die Luft, als würden die Wände des Palastes unter dem Gewicht seiner Präsenz ächzen. Die Minister, die neben der Königin standen, warfen sich unruhige Blicke zu, ihre Unbehaglichkeit war deutlich zu spüren.
Die Wachen, obwohl darauf trainiert, ungerührt zu bleiben, konnten nicht verhindern, dass ihnen ein Schauer über den Rücken lief, als der Mann, über den sie so viele Gerüchte gehört hatten, auf den Thron zuging.
Draven bewegte sich mit einer ruhigen, fast raubtierhaften Anmut. Sein dunkles Haar war ordentlich gekämmt, seine blauen Augen waren scharf und kalt wie Eissplitter. Er war ganz in Schwarz gekleidet, sein maßgeschneiderter Mantel war mit dezenten silbernen Stickereien verziert, die gerade so viel Licht reflektierten, dass sie einen Hinweis auf seinen Reichtum und seine Macht gaben.
Als er sich dem Thron näherte, wurde die Spannung im Raum immer größer, die Luft schien sich unter dem Gewicht seiner Aura zu verdichten.
Königin Aurelia beobachtete ihn mit einer Mischung aus Bewunderung und Neugier. Sie hatte schon viele Geschichten über Draven gehört – über seine Skrupellosigkeit, seine Intelligenz, seine Beherrschung der arkanen Künste –, aber ihn persönlich zu sehen, war etwas ganz anderes. Er hatte eine magnetische Ausstrahlung, eine Präsenz, die Aufmerksamkeit und Respekt forderte. Er war kein Mann, mit dem man leichtfertig umgehen konnte, und doch faszinierte ihn etwas an ihm.
„Er hat wie immer eine unglaubliche Ausstrahlung“, flüsterte sie mit leuchtenden Augen, in denen ein seltener Funken Aufregung zu sehen war. Der Premierminister, der neben ihr stand, hörte das und hob unwillkürlich eine Augenbraue. Es kam nicht oft vor, dass die Königin jemandem so offen ihre Bewunderung zeigte, geschweige denn einem Mann wie Draven.
Elric warf Aurelia einen Blick zu und bemerkte das ungewöhnliche Leuchten in ihren Augen. Die Königin, die die Pflichten des Throns oft als langweilig und ermüdend empfand, schien aufrichtig begeistert zu sein – vielleicht zum ersten Mal seit Jahren. Er kannte sie seit ihrer Kindheit und hatte sie zu einer fähigen, wenn auch oft gereizten Herrscherin heranwachsen sehen. Aber das hier war anders. Das war etwas … Neues.
Als Draven den Fuß des Throns erreichte, hielt der Hof den Atem an. Der ohnehin schon ruhige Raum schien in eine noch tiefere Stille zu versinken, als würde sogar die Luft selbst darauf warten, was als Nächstes passieren würde.
Zur Überraschung aller Anwesenden erhob sich Königin Aurelia von ihrem Thron.
Die plötzliche Bewegung erschreckte die Minister und Wachen gleichermaßen, ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Es war in der Tat eine seltene Gelegenheit, dass die Königin aufstand, geschweige denn in einer so öffentlichen Umgebung. Aber Aurelias Lächeln blieb, ihr Blick blieb auf Draven gerichtet, während sie sprach.
„Willkommen, Draven“, sagte sie mit warmer, einladender Stimme, die in starkem Kontrast zu der kühlen Atmosphäre stand, die seine Ankunft begleitet hatte.
Draven, stets ein Bild von Anstand, sank sofort auf ein Knie und neigte den Kopf in einer Geste des Respekts. „Eure Majestät“, antwortete er mit seiner gewohnt kalten und gleichgültigen Stimme, in der jedoch ein Hauch von Ehrerbietung mitschwang. Für diejenigen, die Draven kannten, war dies ein beeindruckender Anblick – der gefürchtete und mächtige Lord, der vor dem Thron kniete, mit einer Demut, die fast im Widerspruch zu seinem üblichen Auftreten stand.
Die Minister warfen sich erneut einen Blick zu, ihre Überraschung war offensichtlich. Sie hatten Geschichten über Dravens Arroganz gehört, über seine Missachtung von Traditionen und Anstand, und doch kniete er hier vor der Königin wie ein treuer Diener. Das hatte keiner von ihnen erwartet, und es verstärkte nur noch die geheimnisvolle Aura, die ihn umgab.
Königin Aurelia schien jedoch eher erfreut als überrascht. „Steh auf, Draven“, sagte sie mit sanfter, aber bestimmter Stimme. „Zwischen uns ist solche Förmlichkeit nicht nötig.“
Draven stand geschmeidig auf und sah der Königin mit kaltem, unlesbarem Blick in die Augen. „Wie Ihr wünscht, Eure Majestät.“
Aurelias Lächeln wurde ein bisschen breiter. „Herzlichen Glückwunsch, Draven. Du hast der Krone mit großem Verdienst gedient, und dafür bin ich dir sehr dankbar.“ Ihr Tonfall war aufrichtig, ihre Worte trugen das Gewicht ihrer Autorität. „Du hast mir und meinem Bruder während des Angriffs auf das königliche Bankett das Leben gerettet. Allein dafür hast du dir die Dankbarkeit des gesamten Königreichs verdient.“
Draven neigte leicht den Kopf, um ihre Worte anzuerkennen, blieb aber still. Er wusste, dass er die Königin nicht unterbrechen sollte, wenn sie sprach, und außerdem fiel ihm nichts ein, was nicht wie leere Schmeichelei geklungen hätte. Stattdessen wartete er und ließ die Königin in ihrem eigenen Tempo fortfahren.
Die Königin lächelte, als sie seine Aufmerksamkeit für solche Details bemerkte.
„Und dann ist da noch die Angelegenheit mit dem Goblin-König“, fuhr Aurelia fort, wobei ihre Stimme ernster wurde. „Das Gebiet der Icevern stand kurz vor der Katastrophe, doch du bist eingeschritten und hast Frieden in die Region gebracht. Du bist sogar so weit gegangen, diejenigen zu eliminieren, die unsere Kommunikation mit dem Icevern-Clan behindern wollten. Einmal mehr hast du deine Loyalität und Hingabe gegenüber der Krone unter Beweis gestellt.“
Dravens Gesichtsausdruck blieb unverändert, doch seine Stimme klang ruhig und bedächtig, als er antwortete: „Es ist nichts weiter als meine Pflicht als Diener der königlichen Familie, Eure Majestät.“
Aurelias Augen funkelten vor Belustigung und etwas anderem – etwas, das Bewunderung gewesen sein könnte. „Du bist ein Mann weniger Worte, Draven. Aber deine Taten sprechen Bände.“
Es folgte eine kurze Pause, in der die Königin Draven so intensiv zu mustern schien, dass die Minister unruhig auf ihren Plätzen hin und her rutschten. Es war, als suche sie nach etwas, nach einer verborgenen Wahrheit hinter der kühlen Fassade des Mannes.
Schließlich sprach sie wieder, ihr Tonfall war sanfter geworden, aber immer noch von königlicher Autorität geprägt. „Sag mir, Draven, welche Belohnung verlangst du für deine Dienste?“