„Ich heiße Leo“, stellte er sich schließlich vor, nachdem er beschlossen hatte, dass es egal war, ob sie Scharlatane oder echte Wahrsager waren. Er war ja nicht deswegen hier.
„Burgan“, sagte der Mann, der die Baizin-Kohle herausholte.
„Harambe“, sagte der alte Mann mit den grauen Haaren, der angelte.
„Wollt ihr eine Weile in der Herberge bleiben?“, fragte Leo neugierig nach ihren Plänen. Es waren nur noch wenige Gäste in der Herberge, sodass er endlich etwas Zeit hatte, seine Gäste besser kennenzulernen.
„Nun, wir müssen erst mal entscheiden, was wir machen. Kehren wir zurück, warten wir ab oder versuchen wir, auf andere Weise zu helfen?“, sagte Burgan, während er seinen neu gefundenen Schatz verstaute.
„Wenn es ein anderer Notfall wäre, würde ich sagen, wir bleiben hier und machen Urlaub“, warf Harambe ein. „Aber ein Reichskrieg ist etwas anderes. Wenn wir uns nicht melden, könnten die Reichsherren ein Kopfgeld auf uns aussetzen und uns zu Verbrechern erklären. Das wäre sehr ärgerlich.“
Leo nutzte die Gelegenheit, um viele Fragen über Reichskriege zu stellen, da die beiden sich gut auszukennen schienen. Das könnte ihm sehr helfen, wenn sein eigenes Reich einmal gegründet war.
Sie nannten ihr Reich zwar nicht beim Namen, aber sie verrieten ihm, dass die höchste Kultivierungsstufe in ihrem Reich „Himmlischer Unsterblicher“ war und dass das Reich, mit dem sie im Krieg standen, ähnlich war.
Ihr Krieg schien nicht annähernd so groß zu sein wie die Reichskriege, von denen Cassandra erzählt hatte, aber er war trotzdem brutal. Eine weitere interessante Sache, die Lex erfuhr, war, dass die Zeit in ihrem Reich im Vergleich zum Ursprungsreich schneller zu vergehen schien!
Zeitunterschiede waren etwas, das er noch nicht erlebt hatte, aber er fragte sich, ob es das in seinem neuen Reich auch geben würde.
Nach ein paar Minuten des Wartens fing auch Harambe etwas, aber es war nichts weiter als ein Bild von einem übergroßen Gorilla. Burgan ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, seinen Freund auszulachen, aber Leo war nicht in der Stimmung dazu.
Er nahm die Metallangel in die Hand und schwang sie hin und her, um ein Gefühl für die seltsam biegsame Stange zu bekommen. Die Rolle war an der Spitze der Stange befestigt, und am Ende der Rolle befand sich ein dreizackiger Haken.
Wie weit die Rolle ging, war komplett dem Zufall überlassen. Das Einzige, was Leo tun konnte, war, die Angelrute nach links oder rechts zu bewegen und den Haken durch das Unbekannte zu führen.
Er hatte viel länger gebraucht, als er sollte, aber endlich konnte er das Angeln ausprobieren. Mit 5000 MP pro Versuch war dieser Brunnen nicht billig, und doch war er einer seiner meistgenutzten Dienste.
Er fragte sich, ob er auch daraus ein System entwickeln könnte. Das wäre ziemlich cool.
Ohne weitere Umstände warf er die Rolle in den Brunnen. Er erwartete eine Rückmeldung von der Rolle oder der Rute, aber ehrlich gesagt fühlte es sich genauso an, als würde er tatsächlich in einem Brunnen angeln.
„Hat jemand beim Angeln mal in den Brunnen geschaut?“, fragte Leo die beiden spontan. Aber natürlich wusste er die Antwort schon. Wenn jemand sich dem Brunnen näherte, würde er deaktiviert und der Versuch wäre umsonst. Es gab keine Möglichkeit zu schummeln.
„Junge, das Einzige, was dir helfen kann, ist deine Angelerfahrung.
Ich kenne viele alte Knacker, die sich zu Hause Teiche angelegt haben und mit dem Angeln angefangen haben, nur um mehr Erfahrung zu sammeln, wenn sie an der Reihe sind. Ich habe sogar gehört, dass es unter den Fans des Brunnens einen Trend gibt, mit einem geraden Haken zu angeln.
Sie haben geschworen, nirgendwo anders als an diesem Brunnen zu angeln, deshalb fangen sie auch beim Üben nichts, als wäre es ein Sakrileg gegenüber dem Brunnen.“
Ah, das Midnight Inn hatte also schon wieder einen lächerlichen Trend ins Leben gerufen. Ausgezeichnet.
Leo bewegte die Angelrute wahllos nach links und rechts, ohne zu wissen, wo sich der Haken befand. Ein paar Minuten lang spürte er nichts, und gerade als er sich fragte, ob etwas schiefgelaufen war, spannte sich die Schnur.
„Zieh schnell! Wenn du wartest, reißt die Schnur!“, riefen beide alten Männer, und Leo tat genau das.
Der Widerstand, den er spürte, kam ihm äußerst bekannt vor. Es war nicht der Widerstand von etwas, das sich seiner Schnur widersetzte und zu entkommen versuchte. Stattdessen war es räumliche Reibung. Er konzentrierte seine geistige Wahrnehmung auf die Schnur und erleichterte ihr Vorankommen, bis er schließlich etwas herausziehen konnte … ein Buch!
Zu seiner großen und ehrlichen Überraschung war das gebundene Buch, das er herausgezogen hatte, auf Englisch geschrieben und trug den Titel „Die Auswirkungen konzentrierter spiritueller Energie auf leblose, seelenlose und gefertigte Objekte“.
Der Name des Autors fehlte, aber ein kurzer Blick durch die Seiten zeigte, dass das Buch sehr gut formatiert war und die Themen sehr detailliert zu behandeln schien.
„Hey, hey, hey, das ist ein guter Fund“, sagte Burgan, als er interessiert auf das Buch in Leos Hand schaute.
„So wie es aussieht, ist das ein Buch aus der Bibliothek des Himmels!“, rief Harambe.
„Hey Junge, wenn du es schaffst, eines ihrer verlorenen Bücher zurückzubringen, bekommst du vielleicht sogar eine kostenlose Mitgliedschaft!“
Einen Moment lang dachte Leo, sie wollten ihn nur trösten, weil er nur ein Buch gefunden hatte, aber der Neid in ihren Augen schien nur allzu echt, ganz zu schweigen davon, dass ihre Blicke auf das Buch geheftet waren.
„Was ist die Bibliothek des Himmels?“, fragte er und fragte sich, ob Vera wollte, dass er dieses Buch findet oder Zugang zu dieser Bibliothek bekommt. Vielleicht war die Belohnung sogar beides.
„Es ist eine lebende Bibliothek. Sie hat das größte Wissensarchiv im ganzen Universum. Sie zieht von Ort zu Ort, daher kann ich dir nicht sagen, wo sie sich gerade befindet. Aber wenn du sie jemals findest und eines ihrer Bücher zurückbringst, bekommst du zumindest eine Belohnung, wenn nicht sogar eine Mitgliedschaft. Sobald du Mitglied bist, hast du von überall im Universum Zugang zur Bibliothek.“
