Lex stieß einen kleinen Seufzer aus und schwang seinen rechten Arm in der Luft, als wolle er seine Muskeln dehnen. Inferno Blade war kein einzelner Angriff, sondern eine Abfolge von sechs Angriffen, von denen jeder dem Angriff eine Feuerkomponente hinzufügte.
Der, den Lex gerade eingesetzt hatte, war der einzige Fernangriff, den er bisher gelernt hatte. Man konnte ihn nicht beherrschen, ohne zumindest einige grundlegende Schwerttechniken zu beherrschen, da er darauf beruhte, den Angriff mit der Absicht voranzutreiben.
Von den sechs Angriffen lernte Lex die ersten drei sofort, als wären sie für ihn völlig selbstverständlich. Die nächsten drei jedoch …
Lex war es gewohnt, zu lernen. Er war zu Hause unterrichtet worden und hatte dann das College besucht. Nachdem er Kultivierender geworden war, studierte er alle möglichen Dinge, da er sich bewusst war, dass ihm die Grundlagen fehlten. Man könnte sogar sagen, dass er gut im Lernen war, besonders jetzt, wo sein Gehirn einige Upgrades erfahren hatte.
Aber er war es gewohnt, konkrete Dinge zu lernen. Er lernte Mathe, Naturwissenschaften, Programmieren und so weiter. Sogar Kunst und Musik hatten Symmetrie und Muster, sodass er sie, obwohl er sich nie besonders damit beschäftigt hatte, verstehen konnte. Die letzten drei Bewegungen der Inferno-Klinge waren jedoch eine ganz andere Sache.
Im Gegensatz zu den ersten drei, die nur ein gewisses Maß an Schwertkunst, Schwertkampfabsicht und Technik erforderten, waren die letzten seltsam und beruhten auf Dingen, die Lex nicht verstehen konnte.
Die Beschreibung der Technik klang fast philosophisch, und die Anweisungen enthielten Dinge wie die Empfindungen der Klinge, wenn das Feuer in ihr aufsteigt, den Anfang, das Ende und die Mitte eines Infernos als ein Lebewesen, das das Böse der Welt verschlingt.
Lex las die Beschreibungen mehrmals und fragte Cassandra dann noch einmal, nur um sicherzugehen, dass sein Übersetzer nicht versagte.
Cassandra fand seine Reaktion amüsant und schien fast erleichtert, dass ihm etwas Schwierigkeiten bereitete. Ihrer Meinung nach würde es seine Willenskraft schwächen, wenn ihm alles zu leicht fiel.
Das Erlernen der restlichen drei Techniken musste also warten. Es war nicht so, dass Lex mit dem Einsatz von Techniken im Kampf nicht vertraut war, aber bisher waren die Techniken, die er verwendet hatte, mehr oder weniger einfach.
Sie blockten entweder etwas oder trafen etwas. Unempfindliche Hände schienen die einzige Ausnahme von der Regel zu sein, da sie sich völlig anders anfühlten, wenn er sie einsetzte.
Aber aus irgendeinem Grund spürte er eine Art Widerstand, wenn er Schwerttechniken anwendete. Er vermutete, dass das Schwert in seiner Seele dafür verantwortlich sein könnte.
Neben Inferno Blade hatte Lex auch eine defensive Schwerttechnik namens Stalwart Guardian gelernt, aber im Gegensatz zu Inferno Blade beherrschte er diese vollständig. Es schien, als würde er auch ohne die Regal Embrace noch davon beeinflusst sein, denn die vagen und philosophischen Zeilen schreckten ihn überhaupt nicht ab, sehr zum Bedauern von Cassandra.
Lex steckte das Schwert weg und ging raus. Als Nächstes stand seine siebte Prüfung an. Wenn Ra nicht in den nächsten Minuten die Barrieren durchbrechen konnte, würde Lex ihm nach Bestehen der nächsten Prüfung endlich gegenüberstehen.
Er war nicht nervös, nahm die Sache aber ziemlich ernst. Cassandra hatte ihm gesagt, dass Ra schnell wieder an Kraft gewann, was nicht gut war.
Als er die Testkammer verließ, stellte er fest, dass sich das Aussehen des Tempels total verändert hatte. Die Hallen waren nicht mehr riesig und breit, sondern sahen eher majestätisch und trotzdem gemütlich aus. An den Wänden hingen keine Bilder oder Deko, aber Lex hatte das Gefühl, dass die Halle die beeindruckendste war, in der er je gewesen war, obwohl er nicht sagen konnte, warum.
Allein schon das Atmen der Luft gab ihm neue Kraft, und die sanften Pastellfarben der Wände schienen seinen Geist zu beruhigen und ihn mit einem kühlen Gefühl zu erfüllen. Er hatte das Gefühl, dass sein Körper allein durch das Stehen dort subtil stärker wurde und dass auch seine Kultivierung zunahm. Vor allem aber hatte er das Gefühl, dass seine Seele selbst stärker wurde!
„Wow…“, kam Lex unwillkürlich über die Lippen, und dann stellte er überrascht fest, dass seine Stimme anders klang! Sie klang irgendwie… besser.
„Ihr betretet jetzt den inneren Teil des Tempels. Seid nicht überrascht. Mit innerem Teil meine ich nicht, dass ihr den Kern des Tempels erreicht, sondern nur, dass ihr einen etwas besser ausgestatteten Teil des Tempels erreicht, gemessen an eurer Position. Kommt, lasst uns keine Zeit verlieren.“
Lex folgte Cassandra und hatte schon nach wenigen Schritten das Gefühl, dass er die Energie, die er bisher verbraucht hatte, wieder aufgefüllt hatte. Jeder weitere Schritt gab ihm zusätzliche Energie, als würde er gestärkt werden.
„Warum klingt meine Stimme anders?“, fragte er, ohne widerstehen zu können.
„Das liegt an etwas, das Äther genannt wird. Es ist eine der reinsten Energieformen, neben der Göttlichkeit. Auf deiner Ebene musst du dir darüber keine Gedanken machen. Deine Stimme … das ist einfach die beste Version deiner Stimme, die du erreichen kannst. Sie kann nur in Gegenwart von Äther existieren.“
Lex entging nicht, dass sich Cassandras Stimme nicht veränderte.
Als sie endlich den Eingang zur nächsten Prüfung erreichten, war Lex sprachlos. Er spürte eine Aura, die ihm nur allzu vertraut war. Sie strahlte die Macht der Drachen aus! Allerdings war die Aura schwach.
„Die Aura soll andere davon abhalten, diese Prüfungen auf die leichte Schulter zu nehmen. Sie sind nicht einfach. Nimm diese Prüfung ernst, sonst kommst du nicht unversehrt davon.“
Lex nickte und ging durch die Türen, die sich von selbst zu öffnen schienen, als er sich ihnen näherte. Irgendwie hatte Lex das Gefühl, dass die Türen auf seine Dominanz reagierten.
Auch der Testbereich sah anders aus. Anstelle einer kleinen Arena in einem geschlossenen Raum stand Lex in der Mitte eines riesigen Stadions, allerdings ohne Zuschauer.
Die Sonne stand direkt über ihm, es war Mittag, und der schwache Rauch, der vom Boden aufstieg, verriet Lex, dass es wahrscheinlich sehr heiß war. Er fühlte sich jedoch nicht einmal warm.
Vor ihm erschien eine Rüstung, die jedoch einige Zentimeter größer war als die letzte und auch viel furchteinflößender aussah. Sie sah fast wie ein humanoider Drache aus.
