„Bevor du irgendwas machst, hat dir jemand eine Nachricht geschickt, die du dir anhören solltest“, unterbrach Mary plötzlich Lex‘ Gedanken und spielte die Nachricht direkt ab. Angesichts der aktuellen Lage wusste Lex, dass Mary ihn nur unterbrechen würde, wenn es wichtig war, und das war es auch.
Erstens riss sie ihn mit ihrer rechtzeitigen Unterbrechung aus seiner Benommenheit. Er merkte, dass er wieder wütend geworden war, genauso wie auf X-142, wenn auch natürlich nicht so stark. Das war komisch, denn Lex hatte vorher noch nie Probleme mit Wutausbrüchen gehabt. Aber andererseits hatte er auch nie wirklich Mobbing oder offene Feindseligkeiten erlebt.
Zum Glück beruhigte er sich schnell, als ihm das klar wurde.
Zweitens bot ihm die Nachricht eine Möglichkeit, diese Situation zu lösen, ohne Gewalt anwenden zu müssen. Nun ja, ohne direkt Gewalt anwenden zu müssen.
Bevor er jedoch etwas sagte, musterte er das dreiste Mädchen.
Name: Heidi
Alter: 18
Geschlecht: weiblich
Kultivierungsdetails: Qi-Trainingsstufe 3
Spezies: Mensch
Midnight Inn Prestige-Level: 1
Bemerkungen: Sie riecht nach einem Mädchen mit Vaterkomplex. Ihr Freund könnte entweder extrem viel Glück haben oder extremes Pech – eine dritte Option gibt es nicht.
Da ihr Status nichts Besonderes enthielt, war diese Angelegenheit in Lex‘ Augen nicht weiter der Rede wert. Bislang hatte er dank seines einschüchternden Rufs Ärger in seinem Gasthaus vermeiden können, aber es würde immer Leute geben, die sich nicht von Logik leiten ließen.
Wahrscheinlich gab es sogar mehr von denen als von den logisch denkenden, aber Lex hatte einfach das Glück, den meisten bisher aus dem Weg gegangen zu sein.
Normalerweise würde Lex andere mit „lieber Gast“ ansprechen, um ihnen ein gutes Gefühl zu geben und ihnen Respekt zu zeigen, aber diesmal konnte er sich nicht dazu aufraffen.
„Heidi, hier ist das Midnight Inn.
Wir sind stolz auf unseren Service für alle Gäste, die sich anständig benehmen, aber für diejenigen, die sich unangemessen verhalten, haben wir keine Geduld. Das ist keine Fehde zwischen der „jüngeren Generation“. Es geht einfach darum, dass du einen meiner Mitarbeiter schlecht behandelt hast und ich das nicht hinnehme.
Es zeugt schon von meiner guten Laune, dass ich mir überhaupt die Mühe gemacht habe, meine Entscheidung zu erklären, ganz zu schweigen von der milden Strafe, die ich verhängt habe.“
Der Gesichtsausdruck des Gastwirts war nur leicht beunruhigt, aber alle, die zusahen, spürten den Druck seiner Worte. Es war wie ein erstickendes Gefühl, das auf die Brust drückte und einem das Atmen nahm. Für einen Moment hatten einige wirklich Angst vor dem, was als Nächstes passieren würde, und waren bereit, sofort zu fliehen.
Zufällig kam gerade Ragnar, der General der Jotun-Streitkräfte im Vegus-System, in die Taverne und wurde Zeuge dieser Ereignisse. Er war ursprünglich in die Taverne gekommen, um den Wirt wegen einer wichtigen Angelegenheit zu konsultieren, entschied sich jedoch, abzuwarten, bis sich die Lage beruhigt hatte.
„Da du von einem unterentwickelten Planeten kommst, ist es verständlich, dass du nicht verstehst, dass es ein Privileg und eine Ehre ist, von meinen Angestellten bedient zu werden, aber es steht mir nicht zu, dir solche Dinge zu erklären. Da du vernünftig genug warst, meinem Angestellten nichts anzutun, wollte ich dich eigentlich einfach auf deinen Planeten zurückschicken und diese Farce beenden.
Aber anscheinend haben deine Worte bei jemandem einen Nerv getroffen, also werde ich das Ganze der „jüngeren Generation“ überlassen.“
Heidi, die zuerst total sauer war, war jetzt total rot vor Scham und wild vor Eifersucht.
Sie beschuldigte ihn, sie zu schikanieren, und versuchte, ihn in der Öffentlichkeit schlechtzumachen, da sie es gewohnt war, mit Leuten umzugehen, denen ihr Ansehen wichtiger war als alles andere. Aber die eklatante Gleichgültigkeit in seinen Augen machte ihr klar, dass er sie, hätte sie nicht einen seiner Angestellten belästigt, für den Rest seines Lebens nicht eines Blickes gewürdigt hätte. Seine Gleichgültigkeit ihr gegenüber wurde nur noch von seiner Sorge um seinen Angestellten übertroffen.
Wann hatte sich das letzte Mal jemand so um sie gekümmert?
Bevor sie jedoch weiter darüber nachdenken konnte, kam jemand und stellte sich vor sie. Es war einer der renommiertesten Mitarbeiter des Gasthauses, Z. Er hatte nicht nur eine Schar von Müttern, die ihn verwöhnen wollten, und das eine oder andere Mädchen, das seine Schüchternheit süß fand, sondern war auch bei Lex‘ Mitarbeitern äußerst beliebt.
Im Moment sah er allerdings nicht wie ein schüchterner Nerd aus, der seine ganze Zeit vor einem Bildschirm verbrachte. Er stand mit verschränkten Armen und einem angewidertem Gesichtsausdruck da und schaute zu Heidi hoch (er war kleiner als sie). Niemand hätte ahnen können, dass er diesen Blick jedes Mal vor dem Spiegel geübt hatte, wenn er einen coolen Anime-Helden gesehen hatte.
„Weil du meine große Schwester Pamela beleidigt hast, könnte ich dich so lange und hart dissen, dass alle Diss-Tracks der Geschichte vor Neid erblassen würden. Aber ich hab keine Zeit für Leute wie dich, ich bin gerade dabei, Overlady zu schauen, also lass uns gleich zur Sache kommen. Ich fordere dich zu einem Kampf in der Arena heraus. Wenn ich gewinne, entschuldigst du dich bei Schwester Pamela.
Wenn du gewinnst, entschuldige ich mich im Namen meiner Schwester und gebe dir alle MP, die ich habe.“
Insgeheim kicherte Z. Er hatte nur noch 1 MP übrig.
Heidi bemerkte plötzlich, dass sich eine riesige Menschenmenge versammelt hatte, die sie alle anstarrte. Es waren nicht nur zahlreiche Gäste da, sondern auch immer mehr Angestellte des Gasthauses.
Das war für alle das erste Mal, dass sie mit so einer Situation konfrontiert waren, und als eng verbundene Gemeinschaft waren sie alle sehr besorgt um Pamela.
Trotz ihres aufgeblasenen Egos, ihrer Wut und ihrer Verlegenheit, die ihren Verstand trübten, begann sie unter den Blicken der riesigen Menschenmenge Druck zu spüren und überlegte, was sie tun könnte. Doch bevor ihr etwas einfiel, sprach Z erneut.
„Natürlich müsst ihr auch mitmachen, da die ganze Sache damit angefangen hat, dass ihr Schwester Pamela ausgenutzt habt.“ Er sah natürlich Sean und seine Freunde an. „Natürlich werde ich es mit euch allen zusammen aufnehmen. Keine Sorge, ich weiß, dass das ein unfairer Kampf für euch ist, deshalb werde ich nur eine Hand benutzen.“
Sobald Z diese Worte ausgesprochen hatte, brach ein Raunen in der Menge aus. Lex spürte, wie sein Herz sank, aber er ließ sich nichts anmerken. Er war sich nicht einmal sicher, ob dies derselbe Z war, der sich nie von seinem Platz vor dem Fernseher wegbewegt hatte. Er hatte ihn noch nie joggen sehen, geschweige denn kämpfen, und jetzt verschaffte er sich selbst einen Vorteil. Wenn er versagte, würde Lex vor Scham im Erdboden versinken.
Heidi hingegen sah plötzlich Hoffnung. Als wüsste sie, wie man Situationen eskalieren lässt, erkannte sie die aktuelle Lage sehr gut. Dieser Junge wollte vor einem Mädchen angeben, sie selbst hatte so etwas schon hundert Mal erlebt. Sie musste die Situation ausnutzen, bevor die Kinder wieder zur Besinnung kamen. Sie würde all ihre Frustration an ihm auslassen!
„Ich hab wirklich alles gesehen“, schrie sie, damit alle sie deutlich hören konnten. „Der Wirt des berühmten Midnight Inn mobbt gerne kleine Mädchen, und ihr anderen zwingt uns in Kämpfe! Ich bin nicht so barbarisch wie ihr, aber das heißt nicht, dass ich Angst vor euch habe! Komm schon, Sean, lass uns gehen! Oder kannst du nur schmutzige Schlampen anstarren?
Und du, kleiner Junge, weine nicht, wenn du verlierst! Ich werde dich für jeden bösen Blick, den diese hässliche Schlampe meinem Freund zugeworfen hat, um Entschuldigung betteln lassen.“
Indem sie ihren Freund erwähnte, setzte sie ihn unter Druck, sich ihr im Kampf anzuschließen. Sie brauchte ihn und seine Freunde wirklich, da sie selbst überhaupt nicht kämpfen konnte! Sie lebten im 21. Jahrhundert, mit ihrer angesehenen Herkunft – wann sollte sie jemals kämpfen müssen?
Ihre Kultivierungsstufe diente nur dazu, ihre Jugend zu verlängern und mit ihren Geschwistern mithalten zu können.
Die Nachricht von dem Kampf verbreitete sich fast augenblicklich in der Herberge, und fast alle Gäste kamen zur Arena, um den Kampf zu sehen! Seit Marlo und Brandon ihr Duell hatten, fanden hier regelmäßig einige Kämpfe statt, und es war zu einem der beliebtesten Orte geworden, an dem sich immer eine Menschenmenge versammelte, um einen Kämpfer anzufeuern oder einfach nur den Kampf zu genießen.
All das war jedoch nichts im Vergleich zu der riesigen Menschenmenge, die sich jetzt versammelte. Nicht nur wegen all der Gäste, sondern auch, weil alle Angestellten der Herberge nach einer Sondergenehmigung hierher gekommen waren, um Z ihre Unterstützung zu zeigen.
Jeder von ihnen schien den Sieg der schmächtig aussehenden Kinder für selbstverständlich zu halten. Nur Lex war innerlich besorgt, obwohl man ihm das nicht ansehen konnte.
