Der Alchemist eilte zur Bar und bestellte einen Drink namens „Roans Spezial“. Roans Spezial war wirklich ein besonderer Drink, denn Roan mixte ihn je nach dem, wer ihn bestellte, unterschiedlich.
Niemand wusste genau, wie Roan entschied, welcher Drink zu welchem Kunden passte, aber bis heute hatte noch niemand von dem Drink etwas auszusetzen gehabt.
Tatsächlich wollten viele ihn wieder haben, aber es gab eine Einmal-pro-Monat-Regel, die bedeutete, dass man ihn nur einmal im Monat bestellen konnte.
Das war vielleicht die umstrittenste Regel der Taverne. Aber da die Regeln nicht geändert werden konnten, versammelte sich am ersten Tag jedes Monats eine besondere Gruppe von Gästen, die man sonst vielleicht nie in der Taverne sah, aber am ersten Tag waren sie immer da.
Bisher hatte der Alchemist diese Getränke gemieden, weil er es nicht ertragen konnte, betrunken zu sein. Der Verstand eines Alchemisten war sein wertvollstes Gut, ihn absichtlich zu trüben, kam für ihn fast einer Sünde gleich. Aber der Alchemist vertraute dem Tavernenwirt zu sehr, sodass er heute schwach wurde.
Das Getränk schmeckte minzig frisch und raubte dem Alchemisten nicht den Verstand, sondern versetzte ihn in einen Zustand geistiger Energie und Klarheit, den er zuvor nicht gekannt hatte. Plötzlich fiel der Alchemist in eine Benommenheit, die einige der Stammgäste zum Schmunzeln brachte. Sie erkannten einen Neuling schon von weitem. Das erste Mal war immer ein unvergessliches Erlebnis.
Aber der Alchemist nahm davon nichts mit, denn seine Gedanken waren ganz bei den Alchemie-Rezepten und dem Wissen, das er jemals gesammelt hatte. So viele Dinge ergaben plötzlich auf so einfache Weise einen Sinn, dass der Alchemist fast nicht glauben konnte, dass er das nicht schon früher bemerkt hatte.
Gleichzeitig erschienen ihm viele der Vorstellungen, die er zuvor für wahr gehalten hatte, nicht mehr plausibel und schienen sogar die Effizienz seiner Verfeinerungen zu beeinträchtigen. Wie hatte er das nur übersehen können?
Als der Alchemist aus seiner Trance erwachte, war es bereits Abend, aber das bemerkte er gar nicht. Er gab Roan ein großzügiges Trinkgeld und rannte so schnell er konnte zur Tür hinaus. Er hatte keine Zeit zu verlieren.
Lex, der alles vom Dach aus beobachtet hatte, kicherte und schloss die Augen. Er hatte seine Mission, das Schicksal von 100 Gästen zu verändern, längst erfüllt und durch diese Erfahrung die subtile Kunst gelernt, andere zu führen.
Lex sagte ihnen weder, was sie tun sollten, noch manipulierte er Menschen oder Ereignisse. Aber wenn er einen Gast für würdig befand, gab Lex ihm die nötige Hilfe, damit er selbst über die Richtung seines Lebens entscheiden konnte.
Je nachdem, wie sehr er diese Gäste mochte, half er ihnen vielleicht ein bisschen mehr als anderen. Zum Beispiel der Jägerin.
Sie war ein junges Mädchen, das sich auf niemanden außer sich selbst verlassen konnte, denn alle in dieser grausamen Welt hatten sie für ihre eigenen Zwecke benutzt. Aber trotz ihrer vielen Schwierigkeiten war ihr Herz nie grausam geworden. Deshalb schenkte Lex ihr eines der Arrays, die er kürzlich selbst hergestellt hatte.
Ein paar Tage vergingen wie immer, und in der Taverne war alles ganz normal. Egal, was draußen in der Welt passierte, in der Taverne floss der Saft und das Essen war immer frisch. Am dritten Tag erschütterte jedoch ein großer Skandal die Innenstadt!
Eine Hochzeit, die zwischen zwei der größten Familien der Innenstadt geplant war, wurde ruiniert! Und die Leute, die die Hochzeit ruiniert hatten, waren ausgerechnet die Braut und der Bräutigam selbst!
Die Hochzeit war so organisiert, dass der Veranstaltungsort in zwei Teile geteilt war, wobei eine Seite der Familie der Braut und die andere der Familie des Bräutigams gehörte. Nach der Trauung sollte die Trennung zwischen den beiden Seiten aufgehoben werden, als symbolische Geste dafür, dass die beiden Familien nun eine geworden waren.
Doch unerwartet verkündete der Bräutigam kurz vor der Trauung, dass er Mitglied des Alchemieturms geworden sei und nicht heiraten wolle, da ihn dies von seiner Alchemie ablenken würde. Da er von einem Alchemisten der Stufe 3 als Schüler aufgenommen worden war, wagte niemand, ihm den Weg zu versperren, und so kam es, dass er sich mit seiner Familie überwarf und den Veranstaltungsort verließ!
Die Braut war sogar noch dominanter!
Auf der Bühne hielt sie eine Rede darüber, wie ihre Familie sie seit dem Tod ihrer Mutter gemieden und ausgenutzt hatte und sie an jemand anderen verkauft hatte, nur um eine Geschäftsallianz zu festigen. Sie brach alle Verbindungen zu ihrer Familie ab, nahm den Namen ihrer Mutter an und ging.
Als ihre Familie, wütend darüber, dass sie ihr Verhalten und ihre Geheimnisse preisgegeben hatte, versuchte, sie anzugreifen, um sie zurück auf die Bühne zu zwingen, setzte das Mädchen eine spezielle Technik ein, die alle in die Knie zwang!
Sogar der echte Familienoberhaupt ihrer Familie wurde auf die Knie gezwungen und konnte sich nicht mehr bewegen, als sie davonmarschierte. Ihre letzten Worte vor dem Verlassen der Bühne waren eine Erklärung, dass sie auch den Tod ihrer Mutter untersuchen würde und, falls sie herausfinden sollte, dass jemand aus der Familie dahintersteckte, zurückkehren würde, um Rache zu nehmen.
Die Geschichte erschütterte die ganze Stadt und war das heißeste Gerücht, über das alle redeten. Aber ein weniger bekanntes Gerücht, von dem nur sehr wenige Leute hörten, war, dass der junge Alchemist von seinem Meister in die nahe gelegenen Wildnisgebiete gebracht worden war, um eine ganz besondere Pflanze zu sammeln, aber von einem wilden Tier angegriffen wurde.
Bevor sein Meister, der nicht sehr gut im Kampf war, etwas tun konnte, rettete ihn eine junge Frau von unvergleichlicher Anmut und Schönheit.
Niemand wusste, wer sie war oder woher sie kam, aber ihre Tapferkeit hatte den Tag gerettet und, wie manche sagten, auch das Herz des jungen Alchemisten.
Lex, der im Gerüchtekeller saß, kicherte, als er die Zettel las, die ihn über den neuesten Klatsch auf dem Laufenden hielten.
Nami klopfte an die Tür und steckte ihren Kopf herein.
„Wirt, der alte stinkende Mann ist wieder da. Er bedankt sich dafür, dass du ihm geholfen hast, den perfekten Schüler zu finden, der ihn beim bevorstehenden Alchemieturnier vertreten kann. Aber er sagt, er habe noch nie einen Schüler unterrichtet und seinen Schüler schon fast umgebracht, sodass er jetzt total nervös ist. Er möchte dich sehen, um dich um Rat zu fragen, wie er ihn unterrichten soll.“
„Schick ihn aufs Dach“, sagte Lex, als er von seinem Stuhl aufstand. Die Arbeit eines Tavernenwirt war nie getan.
