Sie folgten den Spuren mehrere Stunden lang, bis es so dunkel wurde, dass es schwierig war, weiterzusuchen.
„Lasst uns für heute Nacht ein Lager aufschlagen und morgen früh weiter suchen. Ich übernehme die erste Wache, dann wechseln wir alle zwei Stunden“, sagte Kain, bevor er den anderen die Wachzeiten zuteilte.
Nachdem alle ihre Zelte aufgebaut und das mitgebrachte Essen verzehrt hatten, krochen die anderen in ihre Zelte und ließen Kain allein.
Kain musste unweigerlich über all die neuen Informationen nachdenken, die sie seit ihrem Eintritt in den Wald erhalten hatten. Er bezweifelte ernsthaft, dass die Schule nichts von dem Massensterben der spirituellen Pflanzen wusste. Warum hatten sie das Problem noch nicht gelöst? Oder war das Problem sogar außerhalb der Möglichkeiten der Schule?
Da er in den nächsten zwei Stunden nichts zu tun hatte, beschloss Kain, die von Eve infizierte Königin zu rufen, um zu sehen, ob Eve etwas entdecken konnte.
Vespirae sind keine nachtaktiven Wesen, daher waren die Königin und die beiden Wachen natürlich nicht begeistert, zu dieser Zeit gerufen zu werden.
„Schlaft einfach weiter, ihr müsst nichts tun.“
Die Königin musste nicht wach sein, damit Eve ihre Umgebung wahrnehmen konnte.
Kain übertrug seine Gedanken an Eve, und plötzlich, ähnlich wie bei der ersten Vereinbarung mit ihr, begann der Unterleib der Königin zu leuchten.
Diesmal war das Leuchten jedoch viel schwächer und wanderte stattdessen über die Beine der Königin in den Boden.
Sobald das Leuchten den Boden erreichte, schienen einige der zuvor etwas welk aussehenden Unkräuter in der Umgebung viel kräftiger grün zu sein.
„Es scheint, dass Eve auch ohne den Einsatz einer Fertigkeit ihr Element bis zu einem gewissen Grad grob einsetzen kann. Allerdings wäre die Wirkung wahrscheinlich viel stärker, wenn sie über eine entsprechende Fertigkeit verfügen würde.“
Allerdings war es möglich, durch wiederholtes Einsetzen eines bestimmten Elements eine einzigartige Fähigkeit zu entwickeln. Kain nahm sich vor, mit Eve alleine zu trainieren. Bisher hatte er sich hauptsächlich auf das Training ihrer Gastgeberin, der Königin, der Wachen der Königin und Bea konzentriert. Eve hatte möglicherweise noch mehr Potenzial, das es zu entdecken galt.
Als Kain die wiederbelebten Pflanzen betrachtete, stellte er jedoch fest, dass ihre verbesserte Erscheinung nur vorübergehend war. Innerhalb weniger Minuten waren sie wieder in ihrem alten Zustand.
„Ich schätze, die Wirkung von Eves Taten hält nicht lange an“, dachte Kain etwas enttäuscht, denn wenn das der Fall gewesen wäre, hätte er sie vielleicht nutzen können, um einige seltene spirituelle Pflanzen zu züchten, die schwer zu kultivieren sind.
Doch dann bekam Kain plötzlich neue Infos von Eve, dass die Wirkung zwar nicht dauerhaft sei, die reine Verabreichung von Lebensenergie aber für Wochen wirken sollte. Tatsächlich hatten viele der spirituellen Pflanzen, die auf dem Feld um ihr ursprüngliches Nest gewachsen waren, von dieser Energie profitiert.
Die Wirkung war jetzt so kurz, weil Eve spüren konnte, dass etwas die Lebensenergie gierig verschlang, sobald sie in den Boden gelangte.
Und als Kain sich nun umschaute, sahen viele der gewöhnlichen Bäume und Unkräuter, wenn auch nicht so extrem wie die spirituellen Pflanzen, doch schlaffer aus als sonst. Offensichtlich ließ das, was die spirituellen Pflanzen angegriffen hatte, auch die gewöhnlichen Pflanzen nicht verschont, vielleicht waren sie nur aufgrund ihrer mangelnden spirituellen Kraft nicht so offensichtlich angegriffen worden.
„Kannst du spüren, wohin die Energie fließt?“
Nachdem er zunächst etwas enttäuscht war, wurde ihm schnell klar, dass diese Information dennoch nützlich sein könnte, um eine ungefähre Richtung zu bestimmen.
Er konnte Eve immer wieder bitten, ihre Energie in den Boden zu injizieren und zu beobachten, wie lange sie dort blieb. So würde Kain eine ungefähre Vorstellung vom Wirkungsbereich dieses Energieentzugseffekts bekommen.
Die meisten spirituellen Wesen waren wahrscheinlich bereits aus diesem Einflussbereich geflohen.
Grrrr
Plötzlich schaute Kain auf und sah ein Paar leuchtende grüne Augen in der Dunkelheit. Kain konnte aber spüren, dass es sich immer noch um ein rotes Geistwesen handelte.
Da er zu faul war, aufzustehen und irgendeinen zufälligen niedrigen Mob zu töten, der gerade ihr Lager durchquerte, beschloss Kain, einfach einen mit Bea verseuchten Nebel freizusetzen, der das Lager wie ein Schild umgeben sollte.
Innerhalb weniger Augenblicke erhielt Kain die Information, dass der Eindringling tot war.
„Häh?“
Ungefähr fünf Minuten später erhielt Kain auch die Information, dass mit dem Tod der Kreatur auch Beas Verbindung zu ihrem Split vollständig unterbrochen worden war.
Aus Neugier wagte sich Kain näher an die Stelle im Nebel, an der sich die Leiche befinden musste, doch alles, was übrig war, war ein bereits verwestes Skelett.
„Ist das auch mit den anderen Kreaturen passiert, die sie getötet haben? Oder ist an dieser Kreatur oder diesem Gebiet etwas Besonderes?“
Keiner von ihnen war zuvor lange genug bei den getöteten Kreaturen geblieben, um zu sehen, ob das auch bei ihnen passiert war. Sie waren zu faul, um Materialien aus den roten Kreaturen zu extrahieren, und ließen die Leichen einfach schnell zurück.
Außerdem hatte Kain beschlossen, die meisten Kreaturen, die ihn angriffen, mit dem Speer zu töten. Gelegentlich trugen auch die Spähwespen Vespirae einen Kill bei. Aber dies war der erste Kill, den einer von Beas Splits erzielt hatte.
Daher hatten sie dieses Phänomen möglicherweise die ganze Zeit über übersehen.
Grrrrr
Glück gehabt! Es sieht so aus, als hätte das Ding, das Bea gerade getötet hat, einen Freund gehabt.
Kain ließ Bea den gleichen Vorgang wiederholen, bei dem sie die Ziele infizierte und tötete. Diesmal stellte sich Kain jedoch vor das sterbende Geistwesen, während es noch zuckend auf dem Boden lag und noch nicht ganz tot war. Er wollte mit eigenen Augen sehen, was genau in dem Moment passiert, in dem es stirbt.
Nach der ersten Minute gab es noch keine erkennbaren Veränderungen an der Leiche.
In der zweiten Minute hatte das Fell jedoch viel von seinem Glanz verloren und begann auszufallen, wobei es in brüchigen Brocken zu Boden fiel.
In der dritten Minute hatte sich die Haut unter dem Fell in ein kränkliches Grau verfärbt und begann zu hängen, wobei sie aufplatzte und die darunter liegenden Muskeln freilegte.
In der vierten Minute waren die Muskeln zu einem übelriechenden, zähflüssigen Brei zerflossen, und die Organe platzten auf und ergossen ihren Inhalt auf den Boden. Kain musste vor dem plötzlichen Ansturm des Geruchs von verwesendem Fleisch zurückweichen.
In der fünften Minute war von der Kreatur nur noch ein Skelett übrig, und die umgebenden verrottenden inneren Organe waren bereits im Boden verschwunden. Zum Glück war auch der Geruch nun verschwunden.
Während seiner gesamten Wachzeit wurden sie noch mehrmals von verschiedenen Kreaturen angegriffen. Der Verwesungsprozess, den Kain beobachtete, blieb jedoch in etwa gleich, wobei die Zeit bis zur vollständigen Verwesung zwischen 3 und 11 Minuten schwankte.
Als seine Schicht zu Ende war, weckte Kain Finn, der die nächste Schicht hatte, und kroch in sein eigenes Zelt. Nach den Entdeckungen dieser Nacht fiel es ihm jedoch schwer, einzuschlafen.
